1979 Transit ins Ungewisse. Bernhard Wilhelm Rahe
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Название: 1979 Transit ins Ungewisse

Автор: Bernhard Wilhelm Rahe

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750209428

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СКАЧАТЬ „Menschsein“, das Individuum war keinen Pfifferling mehr wert in dieser absurden Hierarchie. Gerechtigkeit wurde durch gebieterisches Handeln und Wichtigtuerei ersetzt. Das Denken und Fühlen wurde an der Garderobe abgegeben. Menschen mit eigenem Willen wurden in diesem System recht schnell zu Marionetten umerzogen.

      Und dann dieses verworrene Netz von Befehl und Ausführung. Wie schnell konnte einer sich in diesem verfilzten Netz verstricken?

      Grabert erinnerte sich an ein Wochenende, an dem er zum Kraftfahrer vom Dienst befohlen war. Es war tief in der Nacht, als man nach dem Obergefreiten verlangte. Er ging ans Telefon und hatte den Offizier vom Dienst am Ende der Leitung. Dieser gab den Befehl, sich unverzüglich, wenn nötig, sogar mit Unterhose, in seinem Dienstfahrzeug sitzend am Eingangstor zur Kaserne einzufinden – „und zwar zackig“.

      Grabert sprang so wie er war, mit einer Trainingshose und Pullover bekleidet, in den Transporter und raste zum Tor, wo auch schon der diensthabende Offizier zustieg.

      Die Fahrt ging bis zur nahegelegenen Landstraße, wo sich ein Zivilfahrzeug überschlagen hatte und im Graben gelandet war. Am Unfallort leisteten die beiden Soldaten Erste Hilfe und benachrichtigten dann die Ambulanz. Der schwerverletzte Fahrer des Fahrzeugs konnte gerettet werden.

      Am nächsten Tag machte ein anderer Offizier eines höheren Ranges Grabert den ungeheuren Vorwurf, ohne angemessene Dienstkleidung den Dienst versehen zu haben und drohte an, eine Meldung machen zu wollen.

      Grabert protestierte gegen diesen Vorwurf, zumal er doch einem Befehl zufolge gehandelt habe.

      So konnte es also durchaus vorkommen, sich durch die Ausführung eines Befehls eine dicke Disziplinarstrafe einzuhandeln, auch in der Ausübung lebensrettender Maßnahmen.

      Grabert bekam keine Disziplinarstrafe, weil die Herren Vorgesetzten dieses Problem am Tisch des Offiziersheimes unter sich lösten und mit den entsprechenden Getränken hinunterspülten.

      Grabert war gut in der Zeit, er musste sich bis um 10.30 Uhr in der Kaserne einfinden. Die warmen Strahlen der Hochsommersonne fielen ihm ins Gesicht.

      Am Rande der Autobahn sausten Büsche, Sträucher, Bäume und Hinweisschilder vorbei.

      „Eigentlich ist es mal eine Abwechslung, wenn man sich schon keinen Urlaub leisten konnte in diesem Jahr“, bemerkte er selbstironisch. Vielleicht würde er sogar alte Bekannte aus seiner Kraftfahrercrew wieder treffen. Wenn nicht, egal, die Abende im Soldatenheim oder in der Kantine würden auch so abwechslungsreich werden.

      Das Hinweisschild der Abfahrt, die Grabert nehmen musste, flog vorbei. Nun waren es noch ca. 20 Minuten bis zur Kaserne. Dann würde er sich wieder der erhabenen Stimme des Gesetzes fügen müssen, ob er das nun wollte oder nicht.

      Die Kaserne lag direkt an der Hauptstraße, dort, wo es ein paar Kneipen gab, da, wo sich die Soldaten so manchen Abend amüsierten und vollaufen ließen. So sollte es ja auch sein. Die Kneipenbesitzer freuten sich darüber, dass der Soldat nun mal durstig, einsam, gedemütigt und frustriert vom Dienst im Gelände ihre Kneipe aufsuchte. Dann wurde kräftig mitgeholfen, mit schnell ausgeschenkten Bieren ohne Blume, aber keineswegs voll bis zum Rand, weil ohnehin keiner von den „grünen Blödmännern“ es im berauschten Zustand bemerkte.

      Nachdem der Wachsoldat Graberts Einberufung zur Wehrübung in Augenschein genommen – und irgendetwas in sein Buch gekritzelt hatte, deutete er auf ein graues Gebäude:

      „Dort müssen Sie sich erst einmal melden, der Spieß wird Sie dann schon in Ihre Dienststelle einweisen. Also dann, viel Spaß. Sie können durchfahren.“

      Hinter Grabert senkte sich der Schlagbaum. Dieser rot-weißgestreifte Schlagbaum trennte zwei Welten voneinander. Die Welt, in der man in etwa frei entscheiden, tun und lassen konnte, was man wollte, und die Welt der Hampelmänner und Marionetten, in der alles Befehl war. Das Essen, das Schlafen und einiges andere mehr.

      Der Spieß, mit anderen Worten – „die Mutter der Stabsbatterie“, machte einen sehr höflichen Eindruck. Er zeigte den Neuankömmlingen die Stuben, die Dienst- und Aufenthaltsräume des Gebäudes. Die Kasernenplaner hatten sich Mühe mit der Ausstattung der Räumlichkeiten gegeben. Aber der eigenartige Geruch, der einem Kasernengebäude anhaftet, war auch hier in aller Nase. Zweckmäßigkeit war das Schlagwort.

      „Schließlich ist es ja kein Sanatorium, meine Herren Reservisten“, sagte der Spieß. Er hieß, man staune, Ochsenkopp.

      Mit Grabert war nur noch ein anderer Reservist zur Übung beordert worden. Also musste etwas Besonderes hier in den nächsten Tagen stattfinden.

      „Sie haben bis 12.00 Uhr Zeit, Ihre Sachen einzuräumen. Nach dem Mittagessen, sagen wir um 13.15 Uhr, melden Sie sich bei mir, in „grün“, mit tadelloser Arbeitsuniform. Ihre Stube haben Sie ja gesehen, Sie kennen das ja noch von Ihrem Grundwehrdienst.“

      Der Spieß machte auf dem Absatz kehrt und verschwand hinter einer der vielen Türen des Verwaltungstraktes.

      Grabert verstaute seine Kleidungsstücke in einem Holzschrank, einem Spint ähnlich, der ein sogenanntes „Privatfach“ zum Verschließen aufwies.

      Jemand tippte ihm auf die Schulter.

      „Hey, Kumpel, ich soll die Bude hier mit Dir teilen. Übrigens, ich bin Erich Haake und komme aus Dortmund.“

      „Freut mich, ich dachte schon, ich wäre der Einzige, den man zu dieser Übung eingeladen hat.“ Grabert deutete auf das Bett neben dem Fenster: „Wenn Du willst, kannst Du hier schlafen. Übrigens, ich heiße Martin Grabert und komme aus Bremen.“

      Erich kratzte sich etwas verlegen am Hinterkopf. „Na, dann wollen wir mal sehen, was die mit uns vorhaben. Die schrieben irgendwas von einer Natoübung. Ich hab eher den Eindruck, die wollen uns verscheißern. Vielleicht wollte man uns nur mal daran erinnern, dass wir noch unter dreißig sind und als Reservisten rangeholt werden können.“

      „Glaubst Du? Es gibt doch noch jüngere Reservisten als uns. Ich versteh nur nicht, dass man uns mit zwei Mann zu einer Reserveübung einberuft. Irgendwas ist da faul oder wenigstens undurchsichtig.“

      „Was soll's“, sagte Erich, „mir ist das ziemlich schnuppe. Die zwei Wochen bekommen wir schon rum. Übrigens, spielst Du Skat?“

      „Ja, schon, aber nicht besonders gut. Ich glaube, wir geh'n mal rüber zur Kantine, es ist schon nach 12.00 Uhr.“

      Schon von außen roch man, dass es Königsberger Klopse in Kapernsoße gab.

      Im Speisesaal für Rekruten und Soldaten der unteren Dienstränge herrschte viel Betrieb. Das Klappern der Teller und Essbestecke vermischte sich mit dem Gemurmel der hungrigen Männer.

      Grabert war sich nicht mehr bewusst darüber, welchen ohrenbetäubenden Lärm so um die fünfhundert Essbestecke im Gebrauch verursachen konnten. Eine gigantische hungrige Maschine, die pro Tag ca. 250 Pfund Kartoffeln und 100 Pfund Fleisch vertilgte, zubereitet in riesigen Kübeln, von Kochmaschinen, nicht von Menschenhand.

      Das Essen, das zurückging, wurde dann jeden Tag von einem Bauern abgeholt, der es seinen Schweinen zukommen ließ. Grabert ließ nur die Kapern zurückgehen, denn die mochte er nicht. Zum Nachtisch gab es Schokoladenpudding mit Vanillesoße.

      „Na, wie war das Essen?“, fragte Erich und fing zu grinsen an. „Hoffentlich hat der Küchenbulle heute gute Laune gehabt.“

      Grabert СКАЧАТЬ