Название: Nesthäkchen und ihre Küken
Автор: Else Ury
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752937589
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»Na, jehen wa denn heit noch weita, oder soll ick villeicht hier uff die Straße Kaffee servieren?« Hanne, die bald dreißig Jahre im Braunschen Hause war, kam in ihrer ganzen Vierschrötigkeit, einen großen Deckelkorb am Arm, hinterdrein. »Jotte doch, das Hanseken is ja hinjefallen. – Urselchen, Mauseken, du kommst ja jar nich mehr bei deine olle Hanne. – Laß sind, Vronchen, laß de Fingerkens von, den Kuchen packen wa nachher erst bei Muttin aus.« Die alte treue Seele ward von den Hartensteinschen Kindern beinahe ebenso jubelnd begrüßt wie die Omama. Und so fühlte sich auch Hanne durchaus. Hatte sie doch das Braunsche Nesthäkchen Annemarie einst mit großziehen helfen.
»Nu wird aber weiterjejondelt. – Was unse junge Frau Doktorn Annemiechen is, die steht sich schon an'n Gartentor de Beene in'n Leib, und mit ihre Arme tut se wie 'ne Windmühle winken. Nu man dalli!« Lachend setzte man sich wieder in Bewegung. Der Hanne nahm kein Mensch ein offenes Wort übel. Das alte Familieninventar war von jeher ein Unikum gewesen.
4. Kapitel
Alte Bekannte
Es war tatsächlich eine ganze Karawane, die der einsame Junggeselle, über seine Zeitung hinwegblinzelnd, drüben bei Doktors einziehen sah. Ordentlich warm wurde ihm um das Herz, als die junge bildhübsche Frau so strahlend ihre Gäste begrüßte.
»Kinder, ihr wollt wohl auf der Straße Hochzeitstag feiern? Das Brautpaar scheint überflüssig dabei zu sein. Tag, mein Muttchen. Na, Urmütterchen, ist dir der Weg sauer geworden? Komm, setz dich hierher in den Korbstuhl, gerade in die Sonne – so – und Tante Albertinchen daneben. Vronli, bring' schnell die Fußbank. Klaus, das ist mal verständig von dir, auf ein paar Tage von deiner ollen Klitsche runterzukriechen. Famos, daß du gerade heute da bist.« Die Geschwister, die sich ein halbes Jahr nicht gesehen, begrüßten sich zärtlich.
»Was nicht alles aus Menschen werden kann. Früher haben sie sich wie Hund und Katze herumgebissen, der Klaus und die Annemie, und jetzt schnäbeln sie sich wie die Täubchen«, amüsierte sich ein sonnengebräunter, hellblonder Riese, der sich bisher ganz im Hintergrund gehalten hatte.
»Der Peter – nein, der Peter Frenssen! Also das ist die große Überraschung!« Erfreut schüttelte Annemarie dem Vetter die Hand. »Es ist wohl landwirtschaftlicher Kongress in Berlin, daß alle Bauern in die Großstadt kommen?« neckte sie.
»Bravo!« sekundierte Ilse Hermann mit einem Seitenblick auf Klaus.
»Annemie, vielleicht dürfen wir dir auch mal gratulieren, wenn du genug geredet hast«, machte sich Marlene bemerkbar.
»Puh, die gestrenge Lehrerin, jetzt setzt es Tadel. Gratulieren wollt ihr mir, daß ich es mit diesem Ungetüm von Mann sieben Jahr ausgehalten habe?« Sie schmiegte sich ganz geschwind mal ein bißchen an Rudi, der seine Gäste begrüßte.
»Was fang ich nun mit meiner bösen Sieben an? Selbst heut am Hochzeitstag gibt sie nimmer Ruh. Schau, Klaus, sei g'scheit, heirate nit.«
»O weh, dann ist meine Berliner Reise umsonst. Ich kam gerade nach Berlin, um mir auf der Mastviehausstellung eine Frau – ach nee, pardon, eine Kuh zu kaufen. Und mich gleichzeitig mal nach einer passenden Lebensgefährtin umzusehen.«
»Auch auf der Mastviehausstellung? Da wird für dich sicherlich die Passendste zu finden sein, Klaus.«
»Ja, wenn du meinst, Ilse?« Klaus zwinkerte vergnügt. So leicht war er nicht zu beleidigen.
Marlene aber blickte ganz erstaunt auf ihre Cousine Ilse, die heute gegen Klaus so abweisend tat. Die beiden waren doch sonst gut Freund miteinander gewesen. Ja, dereinst in seligen Backfischtagen galt die Ilse mit ihren blonden Haarschnecken sogar als seine Tanzstundenflamme.
»Na, woran liegt's denn noch? Gibt's noch immer keinen Kaffee? Dann gehen wir in ein anderes Lokal. Hanne, alter Rumpelkasten, ich verdurschte!« rief Klaus der Mohn- und Streuselkuchen auf den Tisch setzenden Alten zu.
»Wird wohl nich jleich so schlimm sind! Frau Doktern, wenn Se mit Ihre Bejrießung endlich mal fertig sind, haben Se villeicht ooch vor mir mal 'n Momangchen Zeit iebrig.« Seitdem Annemarie verheiratet war, siezte Hanne sie und sagte »Frau Doktern«. Was sie aber ganz und gar nicht hinderte, ihr ab und zu die Wahrheit zu geigen wie in Kindertagen. Auch heute besah sie sich Annemaries »Schildkröte« mit kritischen Blicken.
»Na, da hat sich Frau Doktern nich jrade mit Ruhm bekleistert. Oder hat Flora da ihre Fingers mang jehabt? Bei mich haben Se so 'ne Sandtorte nich backen jelernt. Und denn der ville Konditorkuchen – det wär doch jar nich neetig jewesen, so'n Haufen anzufahren. Zu's Abendbrot hab' ick schnell noch'n Roastbeef abjebraten. Maschenäse zu is hier in de Flasche. Ick setz allens in de Speisekammer.« Sie wollte mit ihrem Deckelkorb ins Haus.
»Aber Hanne, treue Seele, ich habe doch vorgesorgt für heute Abend.«
»Macht nischt. Wird schon alle werden. Und wenn'n Sticksken zu morjen mittag fier unsere Kinderkens iebrigbleiben tut, is es ooch jut angewandt. Soll ick nu'n Kaffee bringen, Frau Doktern?«
»Ja, ich weiß wirklich nicht, Hanne, ob wir schon anfangen sollen. Meine Schwägerin Ola fehlt noch mit den Kindern, Hans kommt wohl erst später. Ja, und Vera und Margot werden sich auch nicht so früh freimachen können«, überlegte Annemarie.
»Ach was, uff de Frau Amtsrichtern Ola wird nich jewartet«, meinte Hanne kategorisch. »Die is immer 'n bisken nuselig. Bis se det Waldemarchen und det Herbertchen ankledascht hat, und bis se ihren Herrn Amtsrichter 'n Abschiedskuss jejeben, wird mich allemal mein Essen kalt. Nee, jetzt jibt's Kaffe! Was unse ollen Damen sind, die missen nach de Reise hier raus mal erst 'n warmen Droppen in'n Magen kriejen.« Hanne eilte, so schnell ihre Füße, die schon lange nicht mehr so wollten wie sie, es gestatteten, ins Haus.
»Also Hanne befiehlt, daß wir uns an den Kaffeetisch setzen – ich habe heute nichts hier zu sagen«, rief Annemarie lustig. »Rudi, schiebe Urmütterchen bitte den Korbsessel oben an den Tisch!«
Aber als die alte Dame den ihr zugedachten Ehrenplatz einnehmen wollte, thronte bereits ein anderer dort: Klein-Ursel.
»Hier sit Lein-Usche«, verkündete der winzige Punkt mit der ganzen drolligen Frechheit, die ihm eigen. »Nu Tasse tinken, Tittatt.«
»Ja, wo soll Urmütterle denn Kaffee trinken, wenn du dich halt auf ihren Platz setzt, Ursel? Da gehören Kinder nimmer hin. Gleich stehst auf«, befahl der Vater.
»Ninner.« Klein-Ursel bleibt mit Gemütsruhe sitzen. »Nu Tuchen – Usche Tuchen haben.«
»Ja, Prügel wirst gleich kriegen, aber keinen Kuchen nit.« Der gestrenge Vater hob den schreienden, strampelnden Punkt in die Lüfte und setzte ihn auf seine beiden kleinen Lackschuhchen. »Schau, da drüben ist der Katzentisch für die Kinder.«
Aber Ursel wollte weder schauen, noch am Katzentisch sitzen.
»Niß Tattentiß – Tittatt Tattentiß – – –«. Es gab ein lautes Gebrüll.
»Laß doch das Kind, Rudi. Komm, Urselchen, wir stellen noch einen Stuhl neben Ticktack. Wir können beide hier sitzen«, versuchte das gute Urmütterchen das schreiende Kind zu beruhigen.
Vergeblich. Wenn Klein-Ursel einmal schrie, dann schrie sie ihre Naht unentwegt zu Ende.
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