Название: Nesthäkchen und ihre Küken
Автор: Else Ury
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752937589
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»Mach' mit deiner Hälfte, was du willst, Rudi. Ich lasse meine Hälfte schreien. Jetzt will ich auch mal bei mir zu Besuch sein. Selbst auf die Gefahr hin, in den Ruf zu kommen, schlechterzogene Kinder zu haben«, war die lachende Antwort.
»Niß Ziedentall, niß Ziedentall.« Annemaries Nesthäkchen zeigte sich ganz als ihre Tochter, indem es jetzt auch noch nachdrücklich mit dem Fuß aufstampfte.
Aber wozu gibt es in der Welt denn Großmütter? Die Omama hatte sich bereits liebevoll des kleinen Wüterichs bemächtigt, und ehe noch alle Platz genommen hatten, war bereits wieder Sonnenschein bei Klein-Ursel. Allerdings waren die diplomatischen Verhandlungen mittels eines großen Stück Kuchens unterstützt worden.
»Du verziehst halt die Krabbe, Mutterle.« Doktor Hartenstein war nicht ganz einverstanden mit der Erziehungsweise seiner Schwiegermutter.
»Ei, Rudi, nicht mehr, als ich mein eigenes Nesthäkchen verzogen habe«, lachte Frau Doktor Braun. »Ich denke, das ist doch noch so einigermaßen zur Zufriedenheit ausgefallen.«
»Omama, wer ist denn dein Nesthäkchen?« fragte Vronli neugierig, in der Hoffnung, künftig eine kleine Spielgefährtin im Hause der Großeltern vorzufinden.
Allgemeines Gelächter.
»Dem Vronli geht's so, wie dem Sprössling des Götz von Berlichingen, vor lauter Gelehrsamkeit kennt sie die eigene Mutter nicht«, amüsierte sich Klaus.
»Aber Vronli, weißt du wirklich nicht, wer mein Nesthäkchen ist?« fragte die Omama lachend.
»Nee – – –.« Vronli schüttelte den Kopf. »Hab' ich bestimmt noch nie gesehen. Bloß euren Puck kenn' ich.«
»Aber Vronli, bist du dumm! Deine Mutti ist doch mein Nesthäkchen – – –«, weiter kam Frau Doktor Braun nicht mit ihrer Erklärung. Denn jetzt war es Vronli, welche die Omama weidlich auslachte.
»Jawoll – wer's glaubt! Mutti ist doch eine große Dame und kein Nesthäkchen!«
»Omama auch dumm!« stellte Hansi fest.
»Aber Hansi, das sagt man doch nit zur Omama! Weißt, Frauli, unsere Kinder können sich heute als glänzende Erziehungsprodukte halt für Geld anschauen lassen. Sonst ist der Hansi natürlich das bravste Bübele auf der Welt, und die Mädle nit minder.«
Inzwischen hatte Frau Doktor Braun Vronli klarzumachen versucht, daß ihre Mutti auch mal ein kleines Nesthäkchen mit zwei Rattenschwänzchen gewesen sei, was dieser aber immer noch nicht recht glaubhaft erschien. Hansi lief um den Tisch herum, von einem zum anderen: »Wo sit denn iß – wo sit denn iß?« Bis Onkel Klaus ihn schließlich auf seinem Knie unterbrachte.
»Kinder, bedient euch. Streusel- und Mohnkuchen stammt von Hanne – also besonders zu empfehlen. Wer ißt gern Klietsch mit Wasserstreifen in Gestalt einer Schildkröte? Himmel, da gehören ja Pferdekräfte dazu, um diese Missgeburt in Stücke zu schneiden. Wie Stein!« Annemarie machte ein verzweifeltes Gesicht.
»Tut mir halt den Gefallen, Kinderle, und opfert euch für mich. Ich kann nimmer die ganze Woche von dem Schildkrötenkuchen zehren.« Rudi bot den allerdings wenig verlockend aussehenden Kuchen gastfrei herum.
»Wasserstreifen ess ich am liebsten von der Sandtorte.« Frau Marianne langte tapfer zu.
»Den Wassersteifen hat Hansi demacht.« Stolz schaute der kleine Mann vom Knie des Onkels aus in die Runde.
»Ja, gestört haben sie mich, die Gören, Hansi allen voran. Dadurch ist der Kuchen so wundervoll geraten«, bekräftigte Annemarie.
Marianne biß indessen mit gesunden Zähnen in das harte Stück hinein. Es knirschte bedenklich.
»Pfui – – –«, der abgebissene Happen verschwand schleunigst im Taschentuch. »So 'ne Bosheit, Annemie – du bist noch genau dieselbe durchtriebene Range wie früher, wenn du jetzt auch Mutter von dreien bist«, schalt Marianne lachend.
»Ja, was ist denn los?« verwunderte sich Annemarie. »Ist die Sandtorte wirklich so schlecht?«
»Tu nur nicht so scheinheilig. Spiegelberg, ich kenne dir! Das ist eine Sandtorte im wahrsten Sinne des Wortes. Statt Eier hast du Sand hineingetan.«
»Du bist wohl total hops, Marianne?« ereiferte sich die junge Wirtin. »Frage gefälligst meine Hühner, ob da Eier drin sind oder nicht. Und Sand? Nächstes Mal werde ich dir wirklich welchen reinbacken, wenn du mich derart verleumdest.«
»Aber kostet doch bloß mal – überführe dich doch selbst, Annemie.«
Keiner wollte sich zum Probierkarnickel hergeben. Unter allgemeiner fideler Spannung biß Annemarie selbst in die Sandtorte. Sie spuckte nicht weniger als Marianne. »Deibel nicht noch mal – das knirscht ja tatsächlich wie ein Kinderspielplatz im Tiergarten. Nun möchte ich doch bloß wissen, wie da Sand hineingekommen ist – – –«
»Hat Hansi demacht. Waffersteifen und Sand hat iß danz erlein debackt. Feut siß Muttißen nu?« Es war unsagbar komisch, mit welchem stolzwichtigen Gesichtchen der kleine Kuchenbäcker dasaß.
Ja, Mutti freute sich unbändig. So sehr, daß Onkel Klaus es für geraten fand, seinen Neffen schnell vom Knie unter den Tisch in Sicherheit rutschen zu lassen, bis wohin das mütterliche Strafgericht ihn nicht erreichte.
»Bengel – Schlingel – na, warte nur, mir meine Sandtorte zu verderben. Und ich zerbreche mir den Kopf, weshalb sie diesmal nicht gegangen ist. Das ist doch wirklich zum – – –« Annemaries noch eben ärgerliches Gesicht veränderte sich ganz unvermutet – »das ist ja zum Totlachen!« Ihre Frohnatur bekam doch die Überhand. Hell stimmte sie in das Gelächter der andern mit ein.
»Bißte nu niß mehr fietend, Muttißen? Triegt miß nu noch Teile?« Hansi wagte es, den blonden Krauskopf verstohlen unter der Kaffeedecke hervorzustecken.
»Goldjunge – keiner darf dich anrühren. Onkel Klaus verteidigt dich vor allen mütterlichen Ohrfeigen mit Gefahr seines Lebens.« Klaus packte seinen kleinen Neffen, der ihm innerlich und äußerlich so ähnlich war, schützend zwischen seinen derben Landmannsfäusten.
»Wer spricht hier von Ohrfeigen? Der siebenjährige Krieg ist halt zu End heut. Was – der Hansi hat was ausg'fresse? Kannst unsere zwei gleich mit durchprügele, Annemie, die haben heut auch allerlei auf dem Kerbholz. Grüß euch Gott, alle beieinand'.« Unbemerkt waren während des Tumults der Amtsrichter Hans Braun und seine junge Frau Ola den Gartensteig heraufgekommen. »Mög dich deine Annemarie weiter so glücklich machen, gelt, Rudi?« Zärtlich packte die zartblonde Ola den Bruder beim Kopf und küsste ihn herzhaft.
Auch Hans und Annemarie begrüßten sich herzlich, während die Kinder Herbert und Waldemar sofort von Vronli in Beschlag genommen wurden. Jetzt kam auch der »Katzentisch« zu seinem Recht. Plötzlich wollten sie alle dort sitzen – selbst Klein-Ursel, die so energisch dagegen Front gemacht hatte. Omama ließ es sich nicht nehmen, den Vorsitz am Katzentisch zu fuhren. Frau Doktor Braun spiegelte sich in den Enkelkindern.
»Peter, alter Junge, sieht man dich auch mal wieder!« Erfreut schüttelte der Amtsrichter Hans dem Vetter die Rechte. »Wie schaut's aus da oben in deiner Polackei?«
»So wunderbar, daß ich Arnsdorf verkauft habe. Es ist ein zu unerfreuliches Leben jetzt bei der polnischen Wirtschaft. Ich beabsichtige, СКАЧАТЬ