Название: Mein Chef und andere Hürden
Автор: Monika Starzengruber
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783750225701
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Auf dem aktiven Verkaufsplan standen Ananas feil. Ich steckte saftige, appetitlich mundgerechte Würfel auf Zahnstocher und platzierte sie igelig liebevoll aufs Serviertablett, damit der Kunde sie flugs genießen konnte, wenn er wollte. Postierte mich damit vor die Ananaspyramide, die wir frühmorgens mitten in die Abteilung konstruiert hatten, und spähte optimistisch sowie verkaufsgeil nach meinen ersten „Opfern“.
Noch trotteten sie recht spärlich an. Aber das hatte auch sein Gutes, so entkam niemand meinem Verkaufsgenie. Der ersten Kundin, die mein Territorium betrat, hüpfte ich beflügelt vor die Füße, motiviert meinen einstudierten Text herunter zu spulen: „Guten Morgen, darf ich Ihnen eine Ananas zum Kosten anbieten?“
Die Frau winkte ab. „Nein danke. Habe gerade gefrühstückt.“
Auch gut. Dieser kaum spürbare Dämpfer an den genialen Verkäufer in mir haute mich stehenden Fußes nicht um. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, auf ein Neues, dachte ich beflissen. Lauernd fixierte ich ein älteres Ehepaar gegenüber, das gemütlich abschätzend Tomaten einsackte. Die sahen mir aus, als bräuchten sie eine Ananas. Guten Mutes bewegte ich mich auf sie zu und streckte ihnen flötend das Tablett mit den saftigen Würfeln vor die Nase: „Guten Morgen, darf ich Ihnen eine Ananas zum Kosten anbieten?“ Der grauhaarige Herr smylte und näselte: „Das ist lieb von Ihnen, aber mein Magen verträgt die Säure nicht.“
Abwartend lächelnd konzentrierte ich mich auf die sorgfältig zurechtgestylte Dame an seiner Seite. „Danke.“ Sie schüttelte den Kopf. Unbegreiflich. Mein Lächeln erstarb. Ich war verstimmt und nahe daran herauszuschreien: warum nicht! Besann mich gerade noch, denn schon kam der wahre Abnehmer des Weges. Ein junger Mann, spindeldürr, geschätzter Vegetarier.
„Wollen Sie kosten?“, fragte ich, schon kürzer angebunden, ihm den Köder vor sein Antlitz haltend, mit einem Gesichtsausdruck, der deutlich preisgab, was ich dachte. Nämlich: Wage es nicht, nein zu sagen. Unverkennbar eingeschüchtert griff der Dürre zu, was purer Balsam für meine Verkaufsseele bedeutete. Hastig, als würde er lieber das Weite suchen, führte er die Frucht auf dem Stocher an seinen geöffneten Mund. Doch noch bevor er das Stück hineinschob, purzelte es zu Boden. „Oh“, entfuhr es mir, bückte mich, um das Missgeschick auszumerzen. Während ich in Hocke ging, um die Frucht aufzuklauben, dabei emsig versuchte das Serviertablett in meiner Hand im Gleichgewicht zu halten, schmiss er mir das verwaiste Holzstäbchen unbemerkt aufs Tablett. Als ich aufschaute und nur mehr sein davonstrebendes Hinterteil wahrnahm, sprudelte es aus mir heraus: „Sie dürfen gern noch einmal ...“ Na, dann nicht. Aktiv verkaufen entpuppte sich zur Knochenarbeit, die eine Schwerstarbeiterzulage rechtfertigte. Namens Nervenkrisentöter. Zeit zum Lamentieren blieb mir allerdings nicht. Eine Mutter, mit ihren zwei Kindern im Kinderwagen, förderte schlagartig die Wachsamkeit eines Spions in mir. Die schrien geradezu nach Vitaminen.
„Guten Morgen. Wollen Sie eine Ananas kosten?“
„Ich will auch“, riefen die Kinder im Duett. Diese Mutter wusste, was ihren Kleinen gut tat und fütterte sie ausreichend, wie sich selbst. Erst bei halb leerem Tablett sagte sie: „Danke, schmeckt sehr gut“, was mich sozial verträglich nicken ließ. Im nächsten Augenblick schob sie den Kinderwagen freundlich lächelnd um die Ecke - und ich sah blöd hinterdrein. Irgendetwas musste ich übersehen, bei dieser Verkaufsstrategie. Die Leute sollten nicht nur essen, in erster Linie sollten sie kaufen. Demnach beschloss ich, meinen Standardsatz zu ändern. Vielleicht lag es ja daran?
„Guten Tag, unsere Ananas sind heute zuckersüß und in Aktion, wollen Sie kosten?“
Natürlich. „Der Preis?“
„Zwei Euro und neunundneunzig Cent.“
„So viel? Nein danke.“
„Guten Tag, unsere Ananas sind in Aktion. Den ersten Bissen gibt es gratis.“
„Muss ich den zweiten bezahlen?“
Wie steht es, mit einer ganzen Ananas kaufen? Danke, abgelehnt.
„Waaas...“, schrie eine Kundin lauthals, nachdem ich ihr die vitaminreiche Kost angeboten hatte, „... die ist ja billiger zu haben, als ein Ferrari!“
Schluck. Ich fühlte mich veralbert, machte gute Miene zum fiesen Spiel und säuselte: „Nicht nur billiger als ein Ferrari, auch gesünder.“
Worauf die Huldreiche wohlwollend nickte. „Wenn Sie zu diesem Preis mal eine haben, die auch so fährt, wie ein Ferrari, machen wir das Geschäft.“
Ich seufzte. Wissend, in dieser Preislage kriegte ich die Vitaminbombe nie über die Scannerkasse. Zumindest nicht in dem Umfang, wie Dorner sich das vorstellte.
Bald vermehrte sich die Kundschaft. Ich sauste durch die Abteilung, um jeden zu erreichen, ohne dass ich mich vierteilen musste. Selbstverständlich durfte keiner ungefragt die Kassa anvisieren und mir so durch die Schwindel erregend steigenden Umsatzzahlen gleiten. In weiser Absicht, mich dem aktuellen Stand anzupassen, ihn Gewinn bringend zu nützen, stellte ich mich in Position und alarmierte aus voller Kehle, sodass sich auch der letzte Winkel des Geschäftes meiner grellen, sich überschlagenden Stimme nicht entziehen konnte: „Ananas in Aktion, bitte kaufen, die Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder! Ananas, zuckersüß und superbillig!“
Die von Dorner gewollte Marktschreierin war geboren. Ungewollt. Das ergab sich. Einfach so. Die Kunden stierten mich an, als sähen sie die Schlange aus dem Paradies, die im Begriff war, sie zu was Illegalem zu verführen. Zu meinem Glück hielt ich eine Ananas in der Hand und keinen Apfel. Und die Kollegen glaubten, ich sei übergeschnappt. Was ich ihnen nicht verübelte.
Nach einer Stunde zog ich Bilanz. Zwei Ananas verkauft - zehn verkostet. Grandioser Erfolg. Auf die Bruchlandung hin bugsierte ich das halb volle Tablett resignierend auf den Pyramidenberg und überließ es freiwillig dem gefräßigen Besuchervolk, die darüber herfielen, wie ausgehungerte Piranhas. Zurück blieb das Zahnstocherskelett. Und das halbe Tablett, weil es irgendwann zu Boden fiel und zerbrach. Und mein angeschlagenes Ego. Und die Wut auf den klugen Kopf, der sich das ausgedacht hatte.
Aber klein beigeben stand nicht in meinem Lebensbuch. Minuten später schob ich mich mit den hungrigen Augen eines Hais abermals durch die Abteilung, im Sinn Beute zu machen. Die Menge der saftigen Köder schrumpfte. Der Kundenfang blieb dennoch aus. Trotzdem zog ich die aktive Gratis-Verkostung beinhart bis zum Abend durch. Resonanz: satte Kunden, magere Ausbeute. Eine teure Angelegenheit für unseren Markt. Die eingesetzten Waffen, die Wunder bewirken sollten, nämlich das liebliche Lächeln, die aufgesetzte Freundlichkeit, zum Schluss nur mehr gespielt gute Laune, zahlten sich nur fingerhutmäßig aus. Von dem Endergebnis war Dorner not amused. Worauf folgte, dass er eine Kleinigkeit an Ideen von mir forderte, damit diese Art von Verkaufscleverness den vorgesagten Erfolg brachte, und er vor seinen Vorgesetzten als Macher brillieren konnte. Wie bestellt, kam mir vieles in den Sinn und alles fing mit: Was wäre wenn ... an. Einzig die Inspiration zu dem Kassenknüller lies auf sich warten. Aber die Samen waren verstreut, bereit zu keimen. Es musste nur noch regnen. Wien war auch nicht an einem Tag erbaut worden, dachte ich und blockte nach, ich weiß nicht wie vielen „was wäre wenn´s“ ab. Und verschob jeglichen Gedanken darauf rücksichtslos - auf irgendwann.
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