Название: Der Bund der Katzenfrauen
Автор: D. Bess Unger
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783844272857
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»Erzähl mir von deiner Heimat, Innocent«, bat Lena gerührt. »Von der Landschaft, den Menschen, ihrer Geschichte und was es für dich heute bedeutet, ein Zulu zu sein.«
»Darüber spreche ich besser, wenn du meine Heimat persönlich siehst. Unter der klaren Luft der uKhahlamba fallen mir bessere Worte ein als hier.«
»Ukaschlammba?«, fragte sie und kam sich bei ihrem Gestammel blöd vor.
»uKhahlamba ist das, was die Weißen die Drakensberge nennen.«
»Drakensberge? Seltsames Wort, unzweideutig leitet es sich von dem deutschen Wort Drachenberge ab«, sagte Lena mehr zu sich selbst.
»Wir Zulu mögen die Bezeichnung nicht«, warf Innocent sofort ein. »Wir nennen die Berge uKhahlamba, ’Die Wand der aufgestellten Speere’. Wegen der vielen Schluchten, Kämme, Höhlen, Überhänge und Zinnen, verstehst du?«
»Das ist ein schönes Wort für ein Gebirge«, meinte Lena diplomatisch, beide Bezeichnungen gefielen ihr nicht. »Es klingt verflixt kriegerisch!«
»Wenn du die Berge siehst, wirst du es verstehen!«, tröstete er sie. »Weißt du, mit euch Weißen ist es ein Jammer«, fuhr er fort, »Als Schwarzer durfte ich in meinem Land nichts Gescheites lernen. Ebendeshalb bin ich für zwei Jahre nach Griechenland gegangen. Bei euch habe ich gemerkt, dass unsere Kultur euch Europäern scheißegal ist. Von den Indianern wissen die Schulkinder bei euch in Europa eine Menge, von uns Schwarzen so gut wie nichts.«
Er sagte das mit leichtem Vorwurf. »Was zum Beispiel weißt du von König Shaka und dem Volk der Zulus?« Er blickte sie fragend an und sie zuckte betreten mit der Schulter. »Na bitte«, sagte er. »Von den Häuptlingen Sitting Bull, Crazy Horse und den Stämmen der Apachen und Sioux hast du schon gehört!«
»Selbstredend. Das kommt vor allem daher, dass meine Mutter indianische Wurzeln hat«, erklärte sie, wie um Entschuldigung bittend. »Mein Großvater ist vom Stamme der Navahos.«
Der Häuptling warf ihr einen erstaunten Blick zu. »Stimmt, deine Mutter ist Amerikanerin. Dass sie Halbindianerin, wusste ich nicht.« Er blickte sich kurz zu der pennenden Ava um. »Kaum zu glauben«, murmelte er.
»Erwähne ihr gegenüber nichts davon. Sie ist, glaube ich, nicht Stolz darauf.«
»Und du, wie siehst du das?«, fragte er sichtlich gespannt.
»Ich weiß nicht so recht«, sagte Lena zögerlich, »Meine Mum hat mir erzählt, dass ihr Vater kein netter Mensch war ...«
Innocent spürte, dass er einen wunden Punkt berührt hatte und summte eine Melodie vor sich hin. Minutenlange Gesprächspausen waren seine Sache nicht. »Weißt du, warum du mir gleich sympathisch warst?«, platzte er unvermittelt heraus. »Du ähnelst meiner Tochter uThembani.«
uThembani. Hatte sie das korrekt verstanden? Lena ließ sich das Wort gemächlich auf der Zunge zergehen, es gefiel ihr. »uThembani ist ein fabelhafter Name! Hat er in isiZulu eine konkrete Bedeutung?«
»Zwangsläufig. Aus dem Grund wählen wir Namen ja aus! uThembani bedeutet in isiZulu so viel wie ’Hoffnung’. Die Geistheilerin unseres Dorfes empfahl mir den Namen.«
›Oh je‹, dachte Lena bei sich, ›ich hätte nicht so heißen mögen. Müsste man sich als Trägerin von dem Namen nicht ständig fragen, ob man die Erwartungen der Eltern schon erfüllt hat?‹ Sie scheute sich nicht, die Frage zu stellen. »Und? Hat sie deine Hoffnungen wahr gemacht? Oder wartest du noch darauf?«
Innocent warf ihr einen prüfenden Blick zu, wie um sich zu vergewissern, ob sie tatsächlich eine Antwort erwartete. An ihrer Miene las er sofort ab, dass sie sich mit einer oberflächlichen Auskunft nicht zufriedengeben würde. »Nun, sie ist eine Sangoma und Inyanga«, erwiderte er. Supertoll schien er das nicht zu finden.
Lena war elektrisiert, das klang geheimnisvoll. »Sangoma?«, fragte sie. »Was ist das?«
»Das lässt sich einem Weißen nicht leicht erklären«, sagte Innocent betreten. »Weißt du Lena, wir Zulus sind ein verdammt abergläubisches Volk! Wir glauben, dass alle Krankheiten durch Dämonen, die ein Hexenmeister zu dem Zweck extra erschaffen hat, verbreitet werden. Als Folge dessen muss der Sangoma, der Geistheiler, herangezogen werden, um gegen das Übel anzukämpfen!«
»Ein Hexenmeister erschafft sich Dämonen?«, fragte Lena. Davon hatte sie noch nie gehört. »Was sind das für Wesen?«
»Wenn es dich nicht erschreckt, erkläre ich es dir«, sagte Innocent zögerlich und schaute zu ihr hin, als prüfe er, wie psychisch belastbar sie sei.
»Nur zu! Erschreckender, als es in den Sagen meiner griechischen Vorfahren zugeht, können deine Geschichten auch nicht sein«, sagte sie gelassen. »Mum pennt, du kannst loslegen.«
»Ein Dämon, wir nennen ihn Tokolosh, ist ein, wie soll ich es formulieren, ein Zombie, ein lebender Toter«, sagte er gedämpft. Die Sache schien ihm nicht geheuer zu sein. »Der Hexer beschafft sich eine Leiche, sticht ihr die Augen aus und schneidet ihr die Zunge heraus.«
Er warf Lena einen kurzen Blick zu, sie nickte ihm beruhigend zu.
»Er treibt eine glühende Eisenstange durch die Schädeldecke in den Leib der Leiche, worauf der Körper auf die Größe eines Pygmäen zusammenschrumpft. Dann reißt der Hexer die Mundhöhle der Leiche auf und bläst magische Medizin hinein. Der Tokolosh erwacht zu einem furchtbaren Leben. Nun kann der Hexenmeister ihn aussenden, um Krankheit, Wahnsinn und Tod zu verbreiten.«
»Das glaubt ihr im Ernst?« Lena war fassungslos und versuchte ihre Abscheu zu verbergen.
»Wir Zulus glauben das«, sagte Innocent. »Nachts verschließen wir unsere Türen. Unsere Frauen legen Ziegelsteine unter ihre Betten, damit sie höher sind und der zwergenhafte Tokolosh nicht hochklettert und sie vergewaltigen kann. Wenn es nachts an unsere Tür klopft, öffnen wir nicht und schweigen. Wer antwortet, verfällt dem Schwachsinn, wer öffnet, erleidet den Tod.«
»Ihr glaubt, dass alle Krankheiten solche Ursachen haben?«, fragte Lena verblüfft.
»Selbstverständlich können auch die Geister der Ahnen Ursache von Erkrankungen sein«, gab er zu. »Das passiert, wenn sie sich vernachlässigt fühlen. Bei Geburten, Hochzeiten und Beerdigungen müssen wir ebendarum ausreichende Schlachtopfer bringen, gleichfalls wenn Regen fällt oder die Ernte ertragreich ist.«
»Was ist mit Vererbung, blöden Zufällen, Schicksalsschlägen, von Gott gesandten Prüfungen?«
»Lena, so etwas wie ein Schicksal gibt es für uns Zulus nicht! Auch den Gott der Zulus, den Großen Unkulunkulu, kannst du nicht verantwortlich machen, er schert sich einen Dreck um uns Menschen. Von Hexer erschaffene Dämonen bringen das Unglück über uns und der Sangoma muss den Hexer finden und den Dämon auslöschen. Basta.«
»Der Mensch wird geheilt?«, fragte Lena skeptisch. »Selbst bei AIDS, Krebs und andere schreckliche Sachen?«
»Na klar«, sagte Innocent. »Vorausgesetzt, der Sangoma beherrscht sein Handwerk.«
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