Schnee von gestern ...und vorgestern. Günther Klößinger
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Название: Schnee von gestern ...und vorgestern

Автор: Günther Klößinger

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783737520829

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СКАЧАТЬ soll’s denn gehen?“, fragte er Jasmin, die auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte.

      Sie reagierte zunächst überhaupt nicht, sondern zitterte nur vor sich hin.

      „Die Kleine ist in ihren Gedanken aber ganz weit weg“, stellte der Fahrer fest. Er musterte die junge Kundin verstohlen aus den Augenwinkeln und sah, dass sie Gänsehaut auf den Armen hatte.

      „Wohin bitte?“, fragte er nochmals. Als er wiederum keine Antwort bekam, stieg seine Verwunderung weiter an und er räusperte sich.

      In diesem Moment schrak das Mädchen neben ihm hoch, als hätte er sie aus einem schlimmen Traum gerissen. „Entschuldigung!“, nuschelte Jasmin kurz, dann nannte sie die Adresse von Jeannies Bauernhof.

      „Wird gemacht!“, bemerkte der Mann und fuhr los.

      Mit Fahrrad und Bus hätte es zu lange gedauert, darüber waren sich Jassy, Jessy, Robby und Nick sofort einig gewesen. Flugs hatte man beschlossen, das für die Pizza verplante Geld in eine Taxifahrt zu investieren, auch wenn man vor dem Fahrer nicht offen reden konnte.

      „Was war da nur los?“, randalierte die Ungewissheit in Jasmins durcheinandergewürfelter Gefühlswelt. Und noch eine weitere Frage machte Bungeesprünge in ihrem Kopf: „Warum keine Polizei?“

      Jeannie wusste, dass Jasmin und ihr Vater inzwischen ein wirklich erwachsenes Vertrauensverhältnis zueinander hatten. Warum war es ihr dann so wichtig, dass die Polizei außen vor blieb, selbst wenn es um Leben und Tod ging?

      „Ganz schön weit draußen!“, unternahm der Mann am Steuer seinen letzten Versuch, ein Gespräch in Gang zu bringen. Mit einem freundlichen Seitenblick in Richtung Jasmin bemühte er sich, eine Reaktion zu erheischen. Das Mädchen sah nur flüchtig zurück. Ein scheues Lächeln blitzte kurz in ihrem Gesicht auf. Danach starrte sie wieder hinaus in die Nacht. Die Dunkelheit verschlang die schwachen Strahlen der maroden Scheinwerfer wie ein kleines Häppchen für zwischendurch. Auch die Lichter der Vorstadt waren mittlerweile nur noch eine Ahnung auf trüben Rückspiegeln.

      Dem Fahrer wurde mehr und mehr mulmig: Noch nie hatte er eine Wagenladung von Jugendlichen transportiert, die nur geschwiegen hatten. Außerdem: Was wollten die vier um diese Zeit auf einem alten, einsamen Bauernhof? Wenn Teenies einstiegen, ging’s normalerweise in die Disco und schon der Trip dorthin wurde zur Party. Meistens hatte er bei solchen Fahrten die neuesten Jokes, Hits und Trends mitbekommen.

      „Es ist einfach auf nichts Mehr Verlass“, dachte er bei sich, „nicht mal mehr auf die Jugend von heute!“

      Er schüttelte kurz den Kopf und konzentrierte sich wieder auf die Straße. Jessica bemerkte, dass sich Jasmins Finger in die Bezüge des Beifahrersitzes krallten. Sie blickte hinüber zu Nick, der blass und teilnahmslos aus dem Seitenfenster stierte. Von Zeit zu Zeit strich er mit dem Rücken seines Zeigefingers über die Scheibe, als wollte er, wie im Winter, den Beschlag vom Glas wischen. Sein nahezu apathisches Schweigen verwunderte Jessica: Auch wenn Nick ab und an eifersüchtig auf Jeannie, Ilka oder sie selbst war, käme es ihr niemals in den Sinn, an seiner Loyalität zu zweifeln. In Krisen- oder Katastrophenfällen hatte er immer Ideenreichtum und Tatendrang an den Tag gelegt. Nicht selten war ihm buchstäblich in letzter Sekunde der rettende Einfall gekommen, den er dann mit schöner Regelmäßigkeit aus dem Hut gezaubert hatte. Jessica stieß Robby leicht in die Seite. Ihr Freund wandte ihr den Kopf zu, zuckte kurz mit den Schultern und sah dann ebenfalls wieder geradeaus. Gut, beruhigte sich Jessica, für Robby ganz normal: einfach mit großen Augen dem entgegensehen, was da kommt.

      In Jasmins Gedächtnis hatte jemand „Repeat“ gedrückt. Wieder und wieder hörte sie, wie ihre kleine Hexe nach ihr rief: „Jasmin! Bitte!“ Sie fühlte sich schuldig, die Freundin alleine gelassen zu haben. Krachen und Splittern ließen Jassys Brummschädel nahezu bersten. Immer lauter donnerten die zerstörerischen Schläge und entluden sich in einem Gewitter aus purem Hass. Zwischen explosionsartigem und wuchtigem Tosen ging das Flehen und Kreischen mehr und mehr unter: „Jasmin! Jasmin!“ Dieser Soundtrack passte jedoch nicht zu dem rasant geschnittenen Videoclip in Jassys Kopfkino. Aufnahmen von wundervollen, gemeinsamen Momenten flitzten vorbei: Sie tanzte mit Jeannie um ein nächtliches Lagerfeuer, schwamm mit ihr im klaren Wasser eines Waldsees und blickte ihr immer wieder tief in die unergründlichen Augen.

      Das Taxi passierte eine Bushaltestelle. Szenenwechsel: Die erste Begegnung mit Jeannie. Genau hier war es gewesen, vor gar nicht allzu langer Zeit. Jasmin hatte diese junge Frau mit dem spitzbübischen Lächeln sofort unter der Rubrik „Allerliebste Menschen“ auf die CD-Rom ihrer Gefühle gebrannt.

      Ihre Fingernägel drohten fast, das Sitzpolster zu durchstoßen, als der Wagen plötzlich anhielt. Robby sah verdutzt auf, als wäre er aus einem kleinen Nickerchen erwacht. Jessica schaute mit erwartungsvoller, doch auch leicht ratloser Miene in die Runde. Nick schien noch nicht einmal bemerkt zu haben, dass sie angekommen waren. Seine Augen fixierten noch immer stur einen Punkt jenseits der Seitenscheibe. Er vermied jeglichen Blickkontakt. Jasmin musste sich zwingen, das in ihr ablaufende Programm herunterzufahren. Ohne nachzudenken, zog sie den Geldbeutel hervor und fragte: „Wie viel?“

      „Fünfundzwanzig! Ist alles roger, oder soll ich hier warten?“

      „Nein danke!“, durchbrach Jessicas Stimme vom Fond her die quälende Schweigesekunde.

      „Na gut!“, murmelte der Fahrer, kassierte und wartete, bis seine seltsamen Fahrgäste ausgestiegen waren. Dann fuhr er mit durchdrehenden Reifen davon, als wäre der Gehörnte persönlich hinter ihm her und wollte ihn rechts überholen.

      Jeannies altes Gehöft lag still und finster vor den vier Freunden. Die laue Luft verströmte das behagliche Flair einer Frühsommernacht, aber die Herzen der Jugendlichen spielten Technoparty. Jessica machte einen Schritt auf die Haustüre zu. Robert packte sie am Ärmel und hielt sie fest.

      „Spinnst du?“, keuchte er. „Wir haben keine Ahnung, was da überhaupt abgeht! Du kannst da nicht so einfach rein!“

      Jessica hasste es, belehrt zu werden. Obwohl sie wusste, dass ihr Freund recht hatte, zischte sie ihm ein vernichtendes „Lass mich!“ entgegen.

      „Stimmt schon, was Robby sagt“, flüsterte Jasmin in die aufgeladene Atmosphäre hinein. Dabei verspürte sie, wie tiefe innere Ruhe sie ergriff. Aller Beklemmung zum Trotz wechselte die Panik in den Pausenmodus und machte Platz für klare Gedanken. Drei Augenpaare richteten sich erwartungsvoll auf Jassy. Sie war soeben stillschweigend, in geheimer Wahl zur Anführerin ernannt worden.

      „Wir wissen nicht, was uns in dem Haus erwartet …“, begann sie, und Nick ergänzte: „… oder wer!“

      „Oh Mann“, fiel Robert jetzt mit ein, „wir sind einfach planlos durchgestartet …“

      „Für Kriegsrat war ja wohl keine Zeit mehr, oder?“, herrschte Jessica ihn, so leise sie konnte, an. „Wir sind unbewaffnet! Und was wir da auf der Mailbox gehört haben, klang verdammt gewalttätig!“

      „Seid bitte still! Wir müssen erst mal feststellen, ob es was Verdächtiges gibt.“ Kaum hatte Jassy das ausgesprochen, verstummten die anderen auch schon. Jasmin fühlte sich nahezu wie in Trance: Die Stimmen und Bilder waren aus ihr verschwunden, es gab nur noch das Hier und Jetzt – die Dunkelheit, die Schatten ihrer Freunde, die Geräusche: Wind umstrich eine alte, verloschene Laterne. Die Scharniere etlicher Tore und Türen quietschten leise vor sich hin. Vom nahen Wald klangen die Laute der Nachtvögel herüber. Jasmin schloss die Augen und lauschte.

      „Nichts!“, sagte sie schließlich. „Wir gehen СКАЧАТЬ