Schnee von gestern ...und vorgestern. Günther Klößinger
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Название: Schnee von gestern ...und vorgestern

Автор: Günther Klößinger

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783737520829

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СКАЧАТЬ Sonst …“

      Undefinierbare Geräusche unterbrachen den Hilferuf. Nervtötendes Knacken, Zischen und Rauschen verwies darauf, dass die Verbindung kurz vor dem Kollaps stand.

      „Oh nein, es ist zu spät!“, schrie Jeannie. „Hilfe! Kommt schnell! Bitte!“

      Das letzte „bitte“ war nur noch ein Kreischen. Erneut krachte ein Donnerschlag. Holz splitterte. Atmosphärische Störungen verzerrten höhnisch gegrölte Drohungen bis zur Unverständlichkeit. Mit einem Male wurde das tobende Chaos von elektronischem Knistern verschluckt. Ein letztes mechanisches Knacken klang noch aus dem Hörer, dann nichts mehr. Nur eine freundliche Computerstimme, die meldete: „Ende der neuen Nachrichten. Zum Wiederholen bitte die ‚Sieben‘ drücken!“

      Ilka steckte den Schlüssel ins Schloss. Ein wenig merkwürdig fand sie es schon, mit welcher Selbstverständlichkeit sie inzwischen hier ein und aus ging. Noch vor sechs oder sieben Wochen war sie verschüchtert vor ebendieser Wohnung gestanden, um ein Interview zu erbitten. Mittlerweile war sie hier eingezogen, sehr zum Entsetzen ihrer Eltern. Diese hatten Ilka in der Provinz für sicher gehalten, was „intime Affären“ betraf. Als langjährige Boulevardreporter dachten sie wohl stets in solchen Kategorien. „Beziehungen“ oder gar „Lebensgemeinschaften“ gab es in der Welt der Regenbogenpresse nicht, sondern nur „Affären“.

      Ilka hielt kurz inne, bevor sie durch die Tür trat. Schmunzelnd dachte sie an den Moment zurück, als sie mit Fox vor der elterlichen Haustür in Berlin gestanden hatte. Es war ihr ein großes Bedürfnis gewesen, Vater und Mutter den Freund vorzustellen. Dem Herrn Papa war die Kinnlade so weit heruntergeklappt, als wollte er den Wannsee ausschlürfen. Frau Trebes hatte die Augen zusammengekniffen und Prancock von oben bis unten abschätzig gemustert. Mit einem eisgekühlten „Hier!“ hatte sie ihm schließlich einen Platz angeboten.

      „Vielleicht hätte ich ihnen doch schon vorher mehr über Fox erzählen sollen!“, war Ilka in jenem Moment durch den Kopf geschossen. Doch als sie im Vorfeld Fox’ Beruf erwähnt hatte, war ihr bereits aufgefallen, dass sich die Freude ihrer Eltern sehr in Grenzen hielt. Sie hatten sich für ihre Tochter etwas ganz anderes erträumt. Um weitere Enttäuschungen erst einmal abzuwenden, hatte Ilka es bei ihren regelmäßigen Telefonaten vermieden, auch Fox’ Alter anzusprechen. Nachdem dann statt einem jungen, dynamischen Ermittlungsyuppie ein Mann vor Papa und Mama Trebes stand, der ihrer eigenen Generation wesentlich näher war als der ihres Kindes, war ihnen sofort klar: „Oh Gott, unsere Kleine ist an einen Lustgreis geraten!“

      Dennoch musste Ilka bei diesen Erinnerungen lächeln: Fox hatte sich sehr bemüht, den Anti-Gentleman nicht hervorzukehren. Mit einigen amüsanten Anekdoten aus seiner Biografie war es ihm sogar gelungen, Ilkas Mutter ein verschämtes Kichern abzuringen. Dieses war allerdings augenblicklich wieder erstorben, als er von seiner Tochter im Teenie-Alter erzählt hatte.

      Entschlossen riss sich Ilka los von den Gedanken an jenen Abend und drückte die Klinke herunter. Sie betrat die kleine Diele.

      „Hallo, Liebling!“, rief sie in Richtung Küche, wobei sie die Tür hinter sich zuschob. Keine Antwort.

      Ilka sah sich um: Der alte, speckige Trench hing wie immer völlig schief an der Garderobe, also musste Fox zuhause sein. Sie ging in die Küche. Die knochigen Überreste einer Schnellmahlzeit vom Hähnchenstand gegenüber fetteten den Esstisch und eine Fernsehzeitung ein. Plötzlich hörte Ilka es: Lautstarkes Stöhnen kam aus dem Schlafzimmer, begleitet vom Quietschen des Bettgestells. Schlagartig fiel ihr wieder die spätere Gardinenpredigt ihrer Eltern ein. Sie hatten nach besagtem Abend – natürlich nur aus rein journalistischem Interesse – einiges über Fox Prancock zusammengesammelt: Zeitungsmeldungen, Radioberichte, Kommentare, sogar noch aus seiner Zeit bei der englischen Kriminalpolizei.

      „Der Mann“, hatte ihr Vater halb entsetzt, halb triumphierend in die Muschel gehechelt, „ist für seine sehr lockere Auffassung von Moral bekannt und hat einen eindeutigen Ruf! Du wirst schon sehen, woran du bist, Ilka! Behaupte dann aber nicht, wir hätten dich nicht gewarnt!“

      Ilka trat näher an die Schlafzimmertür heran. Sie erkannte Fox’ Stimme: „Na, komm schon, mach dich platt! Jetzt zier’ dich nicht! Warum denn so verklemmt?“ Die Worte des Kommissars klangen atemlos, fast schon gehetzt. „Ja! Ja! Das ist gut“, stieß er verzückt hervor, dann erfüllte nur noch lautes Stöhnen und leises Quietschen den Raum. Schnellen Schrittes ging Ilka zur Tür und riss sie auf, genau in dem Moment, als Prancock in entrückter Ekstase wieder röhrte: „Ja! Ja!“. Er hatte die Welt um sich herum völlig vergessen und bemerkte nicht einmal, dass seine Freundin hereinstürmte.

      Sie blieb vor dem großen Doppelbett stehen und hatte den Blick starr auf die Szene gerichtet, die sich direkt vor ihren Augen abspielte.

      Urplötzlich schrak Fox auf. Er sah Ilka und schaute verdattert zu ihr hoch. Nach einer Sekunde des Schweigens meinte er: „Hallo, Schatz! Sorry, hab dich gar nicht gehört! Hilfst du mir mal, diesen dämlichen Koffer zuzukriegen?“

      Ilka musste laut lachen, als sie Fox so zwischen Bett und Kommode auf einem hoffnungslos überfüllten Reisekoffer knien sah. Er versuchte, ihn mithilfe des eigenen Körpergewichts und einer Gürtelschlinge zu schließen.

      „Was gibt’s da zu lachen? Ich dachte mir eben, ich fange schon mal an mit der Packerei!“

      „Und ich war immer davon überzeugt, dass es eher ein weibliches Problem ist, das Reisegepäck unterzukriegen!“, spöttelte sie gut gelaunt. Dann ging sie zu Fox, strich ihm zart durch die Haare und beugte sich zu ihm herab. Er küsste sie kurz, aber seinen freudigen Willkommensblick genoss Ilka noch viel mehr.

      „Sag mal, Fox, muss dein zweiter Trench denn mit? Es reicht doch der, den du anziehst, oder? Außerdem haben wir fast Sommer!“

      „Na gut, Frau Reiseleiterin! Aber ich sage Ihnen: Wenn ich mir im eisigen Frankreich den Arsch abfriere, dann …“, murrte Prancock, ließ die Drohung aber unvollendet. Schließlich zog er den Mantel aber doch aus den abenteuerlich zusammengeknüllten Klamotten heraus. Mit einem lauten „Hauruck!“ schafften sie es schließlich tatsächlich, den Deckel so weit herunterzudrücken, dass die kleinen Schlösser des Koffers einschnappten.

      Fox richtete sich auf, wischte sich Schweiß von der Stirn und nahm Ilka in die Arme. „Jetzt erst mal richtig ‚Hallo‘!“

      Sie strahlte ihn an, doch mit einem Mal wurde ihr Blick fahl. Wie schockgefroren stand sie vor ihrem Freund. Die dunklen Augen starrten ausdruckslos durch Fox hindurch.

      „Was hast du denn?“, fragte er verwirrt.

      Mit einer zaghaften Handbewegung bedeutete Ilka ihm, zum Bett hinüberzusehen. Auch Fox verwandelte sich augenblicklich in einen Eisblock: Auf dem Oberbett lagen zwei Stapel Herrenunterwäsche und ein buntes Knäuel Socken. Wieder blickten die zwei sich an, prusteten laut heraus und ließen sich auf die Bettkante plumpsen.

      „Wollen wir vielleicht nicht erst was essen?“, fragte Ilka.

      „Ich hatte schon ein Hühnchen. Für dich ist noch eins da.“

      „Und Jasmin?“

      „Konnte nicht sagen, ob sie noch mal vorbeischaut. Sie wollte mit ihren Freunden von der Band so viel wie möglich in der Wohnung erledigen.“

      Der Taxifahrer hatte nicht schlecht gestaunt, als seine Fahrgäste einstiegen: vier farbverschmierte Jugendliche mit verkrusteten Klecksen auf der Kleidung, in den Haaren und Gesichtern.

      „Seid ihr Schwarzarbeiter auf der Flucht СКАЧАТЬ