Zahltag. Irene Dorfner
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Название: Zahltag

Автор: Irene Dorfner

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Leo Schwartz

isbn: 9783742795328

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      Nach den Aussagen der Eltern war es für die Kriminalbeamten nicht notwendig, das Zimmer des Opfers zu durchsuchen, aber Frau Ziegler bestand darauf. Sie folgten der Frau in die erste Etage. Überall hingen Fotos des Opfers in den unterschiedlichsten Altersphasen. Patricks Zimmer war sehr schlicht, aber sauber und ordentlich.

      „Sehen Sie sich alles an. Vielleicht finden Sie etwas, dass für die Ermittlungen wichtig wäre. Sie dürfen gerne den Laptop mitnehmen, wenn Sie mir versprechen, dass ich ihn wiederbekomme. Das war das letzte Geschenk an unseren Sohn zu seinem letzten Geburtstag. Mein Mann kennt sich damit sehr gut aus, er und Patrick haben ihn gemeinsam ausgesucht und stundenlang darüber diskutiert. Ich verstehe davon nichts.“ Sie weinte nicht, sondern starrte nur auf den Laptop. Was ging in diesem Moment in der Frau vor? Tatjana und Hans sahen sich alles an und waren froh, als sie endlich in ihrem Wagen saßen.

      „Das war keine gute Idee gewesen,“ sagte Hans, der völlig fertig war. „Was hat das gebracht? Warum wolltest du mit den Eltern sprechen?“

      „Ja, das hätten wir uns sparen können. Trotzdem war es gut, dass wir hier waren. Wir wissen mehr vom Opfer und haben den Verlust und die Trauer der Eltern gespürt und ihnen das Gefühl gegeben, dass wir den Tod des Sohnes sehr ernst nehmen. Das war wichtig für die beiden. Finden wir das Arschloch, das Ihnen das angetan hat.“

      3.

      Andreas Hegel war wütend, als er mitbekam, dass man sich überall über den nächtlichen Unfall unterhielt. Egal, wo man hinkam, war das das Thema Nummer eins. Es schien, als ginge ein Aufschrei durch die Bevölkerung. Es machte die Runde, dass Pflastersteine geworfen wurden und das Auto deshalb verunglückte. Und es wurde von einem Toten gesprochen. Diese Nachricht schockierte ihn.

      Er selbst hatte in den letzten Wochen mehrere Gegenstände von Brücken geworfen, die jedoch allesamt ihre Ziele verfehlten. Niemand hatte überhaupt Notiz davon genommen, seine Aktionen waren völlig sinnlos gewesen. Erst gestern hatte er beschlossen, weit größere und schwerere Gegenstände zu benutzen, damit man endlich auf ihn aufmerksam wurde. Und jetzt das! Pflastersteine waren starker Tobak! Abgesehen von der Art der Gegenstände lag es auf der Hand: Irgendjemand ahmte ihn nach und war damit auch noch erfolgreich, während seine Aktionen verpufften.

      Andreas fuhr nach Hause und warf wütend seine Jacke in die Ecke des Wohnzimmers, wobei mehrere Flaschen umgeworfen wurden. Dass seine Wohnung und er selbst immer mehr verwahrlosten, merkte er längst nicht mehr. Seit der unsäglichen Gerichtsverhandlung vor drei Monaten hatte sich sein Leben grundlegend verändert. Mit dem Unfall im Juli, den er nicht selbst verursacht hatte, fing alles an. Ein Fahrzeug hatte ihm die Vorfahrt genommen und war mit hoher Geschwindigkeit ungebremst in ihn reingefahren. Ein Unfall, wie er jeden Tag vorkommen kann und der außer viel Blechschaden nur eine Verletzung an seinem Bein verursacht hatte. Ja, er hatte Schmerzen, aber das war jetzt wirklich keine große Sache. Shit Happens. Einem dieser verdammten, übereifrigen Polizisten war seine Alkoholfahne aufgefallen und er hatte ihn noch an der Unfallstelle blasen lassen; 1,4 Promille. Ja, er hatte vielleicht ein Bier zu viel getrunken, aber schließlich hatte er keinerlei Schuld an dem Unfall. Trotzdem hatte man ihm sofort den Führerschein abgenommen. Bei der Gerichtsverhandlung vor drei Monaten hatte er fest damit gerechnet, dass der Richter den Irrtum bemerken würde und er seinen Führerschein wiederbekäme. Aber weit gefehlt! Der Unfallverursacherin konnte man nachweisen, dass sie während der Fahrt telefoniert hatte. Und das mit zwei Kindern im Fond! Sie nahm die Schuld nach zähen Diskussionen schließlich auf sich und war geständig. Sie kam mit einer in seinen Augen viel zu glimpflichen Strafe davon, während sich der Richter voll auf ihn eingeschossen hatte. Er hielt ihm einen Vortrag über Alkohol im Straßenverkehr und beschimpfte ihn auch noch vor allen anderen. Natürlich hatte er versucht, sich zu rechtfertigen und auf die in seinen Augen völlig überzogenen und ungerechtfertigten Vorwürfe zu reagieren, aber sein Anwalt Dr. Siegbert hielt ihn zurück. Warum schritt der Mann nicht ein? Stattdessen musste er sich abkanzeln lassen und stand dümmer da als die geständige Unfallverursacherin. Und dann hörte er den Richterspruch: Sein Führerschein war für die nächsten drei Jahre weg! Natürlich hatte Andreas Hegel lautstark protestiert und mit Beleidigungen um sich geworfen, was ihm obendrauf noch eine Geldstrafe einbrachte.

      „Warum haben Sie nichts gesagt?“, schrie Hegel seinen Anwalt an, als alle anderen den Saal verlassen hatten. „Wofür bezahle ich Sie eigentlich?“

      „Was haben Sie erwartet?“, sagte Dr. Siegbert ruhig. „Sie sind bereits mehrfach auffällig geworden, der Richter konnte nicht anders urteilen. Haben Sie wirklich geglaubt, dass Sie ohne Strafe aus der Sache rauskommen? Das kann nicht Ihr Ernst sein! Sie wissen doch selbst am besten von ihren Eskapaden, die Sie sich in den letzten Jahren geleistet haben. Nein, Herr Hegel, das haben nur Sie allein zu verantworten, das haben Sie sich selbst eingebrockt. Die drei Jahre Führerscheinentzug gehen aufgrund Ihrer Vorgeschichte völlig in Ordnung.“ Dieses selbstgefällige und bisher sehr zurückhaltende Arschloch stand nicht hinter ihm, sondern stieß nochmals tief in die Wunde.

      „Sie haben damit gerechnet? Warum haben Sie keinen Ton gesagt?“ Andreas war fassungslos. Er hatte vor der Verhandlung nur ein kurzes Gespräch mit seinem Anwalt, der dabei nicht ein Wort in diese Richtung verloren hatte. Ganz im Gegenteil! Er tat so, als sei diese Gerichtsverhandlung nur eine reine Formsache.

      „Ich dachte, Sie wüssten, wie es um Sie steht. Sie müssen doch gewusst haben, dass Sie Ihre Fahrerlaubnis heute nicht bekommen.“ Erst jetzt sah er seinem Mandanten heute zum ersten Mal ins Gesicht und lachte auch noch. „Sie haben tatsächlich damit gerechnet?“

      „Selbstverständlich! Ich hatte keine Schuld an dem Unfall. Ich brauche meinen Führerschein, sonst kann ich meinen Laden zumachen!“

      „Ja, die Gegenseite hat den Unfall verursacht und das hat der Richter heute bestätigt. Trotzdem hatten Sie eine beträchtliche Menge Alkohol im Blut und tragen somit eine Mitschuld. Bei Alkohol verstehen Richter keinen Spaß und das ist auch richtig so. Wenn ich mir vorstelle, wie viele alkoholisierte Fahrer tagtäglich da draußen ihr Unwesen treiben und eine Gefahr für alle anderen Verkehrsteilnehmer darstellen, wird mir schlecht.“ Erst jetzt spürte Andreas die Abneigung seines Anwalts. War es richtig gewesen, ihn auszuwählen? Wäre er mit einem anderen Anwalt nicht sehr viel besser dagestanden? Die Überlegung war jetzt zu spät, das Urteil war gesprochen.

      „Unternehmen Sie alles, was nötig ist, damit ich meinen Führerschein so schnell wie möglich wiederbekomme. Meine Existenz steht auf dem Spiel!“

      Dr. Siegbert packte ruhig die Tasche mit den Unterlagen, in die er während der ganzen Verhandlung nicht einen Blick geworfen hatte. Hatte der Anwalt ihn überhaupt verstanden? Andreas wiederholte sein Anliegen, diesmal wurde er laut.

      „Beruhigen Sie sich, Herr Hegel! Selbstverständlich werden wir Einspruch erheben. Bis dahin ist Ihr Führerschein eingezogen, nehmen Sie die vorläufige Entscheidung des Richters zur Kenntnis. Wie geht es Ihnen gesundheitlich?“

      Der Anwalt hatte echt Nerven! Als ob ihm sein lädiertes Bein, wegen dessen er mehrere Wochen im Krankenhaus und auf Reha verbringen musste, jetzt noch wichtig war. Die Versicherung der Gegenseite kam für den finanziellen Schaden auf. Er bekam sogar Schmerzensgeld, das er längst ausgegeben hatte. Obwohl ihm sein Bein immer noch Schwierigkeiten machte, war sein Gesundheitszustand nicht das Problem. Er brauchte dringend seinen Führerschein, ohne den er aufgeschmissen war. Erst vor zwei Jahren hatte er sich mit damals vierunddreißig Jahren als Schreiner selbständig gemacht. Die Konkurrenz war groß, aber er arbeitete hart. In den beiden Monaten vor diesem unsäglichen Unfall hatte er zum ersten Mal schwarze Zahlen geschrieben. Wie sollte er seine Schreinerei ohne Führerschein weiterführen? Mit dem Fahrrad? Eine zusätzliche Kraft konnte er sich nicht leisten, das warf die Firma nicht ab. Er kam ja selbst gerade so über die Runden, wie sollte СКАЧАТЬ