Название: Blaue Diamanten
Автор: Irene Dorfner
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Leo Schwartz
isbn: 9783738070484
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„Was denkst du? Können wir ihr trauen?“ fragte der ältere der beiden. Lutz Bräu war 52 Jahre alt und trug einen dunklen Anzug. Er war nervös, ob sein Komplize die richtige Person für den Auftrag ausgesucht hatte und war zufrieden. Die unscheinbare Frau machte exakt das, was sie von ihr erwarteten.
„Du hast sie doch selbst gesehen. Wie alle Mütter liebt sie ihre Blagen und würde alles tun, um sie zu schützen. Trotzdem werden wir noch einen weiteren Testlauf mit ihr machen.“ Daniel Thalhammer war 44 Jahre alt. Er war derjenige, der Jenny Löffler ausgewählt hatte. Thalhammer war gelernter Glasbläser und wuchs im Bayrischen Wald auf. Allerdings war die Enge und Spießigkeit des Landlebens nicht sein Ding, ihn zog es in die Großstadt nach München und er versuchte dort sein Glück. Er fand keine Arbeit, sein erlernter Beruf war in der Großstadt nicht gefragt. Er war seit vielen Jahren arbeitslos und hielt sich mit kleinen, krummen Geschäften über Wasser. Als Lutz Bräu auf ihn zukam und ihm von dem Plan erzählte, hielt er ihn für übergeschnappt. Die ganze Sache klang zu einfach! Dann hatte er Blut geleckt. Wenn der Coup gelang, war er ein gemachter Mann. Bräu war sehr intelligent und Thalhammer fühlte sich in dessen Gesellschaft immer klein und dumm.
„Der Mann hat auch gut funktioniert, aber er gefällt mir nicht. Die Frau ist perfekt. Ich hoffe, wir brauchen die beiden nicht und die Sache läuft glatt ab.“
„Wie gesagt, werden wir noch einen Testlauf machen,“ sagte Thalhammer, der sich sofort angegriffen fühlte. Er hatte sich mit der Auswahl der beiden Personen große Mühe gegeben und war sich sicher, dass er gut gewählt hatte. Aber er hatte auch Manschetten vor Bräu, der sehr ungehalten werden konnte, wenn er sauer war. Hier durfte er nicht versagen. „Ich schlage vor, dass wir die Testläufe mit zusätzlichen Drohungen untermauern. Sicher ist sicher.“
„Wie du meinst. Wenn wir Probleme bekommen sollten, und danach sieht es leider aus, müssen die beiden funktionieren. Wie du das anstellst, ist mir egal. Ich verlasse mich auf dich.“
„Du kannst dich auf mich verlassen Boss.“
Thalhammer hoffte, dass sie auf die Hilfe der beiden nicht angewiesen sein würden. Wenn alles glatt lief, brauchten sie sie nicht. Von Anfang an bestand Bräu darauf, einen Plan B zu haben, falls Probleme auftauchten. Thalhammer selbst hielt das im ersten Moment für vollkommen überflüssig. Je länger er sich darüber Gedanken machte und je näher der Zeitpunkt kam, desto mehr war er Bräus Meinung. Die Anzeichen für Probleme mehrten sich, aber der Termin stand fest, daran war nicht zu rütteln.
Thalhammer konnte es kaum erwarten, bis es endlich losging. Mit diesem genialen Coup hätte er für den Rest des Lebens ausgesorgt, da durfte einfach nichts schiefgehen.
2.
Tamino Steinmaier war die andere Person, die Thalhammer ausgewählt hatte. Der 47-jährige, hagere Mann mit dem schütteren Haar arbeitete als Tontechniker am Staatstheater München. Er war nur einer unter vielen und hatte wegen seiner schüchternen, fast unterwürfigen Art keine Chance, sich gegen andere durchzusetzen. Er war einer derjenigen, die von niemandem beachtet wurden. Er erschrak, als er letzte Woche an seiner Bushaltestelle in Schwindegg angesprochen wurde, als er wie immer eine Zigarette rauchte, bevor er nach Hause ging. Tamino lebte mit seiner 74-jährigen Mutter in seinem Elternhaus und sie mochte es nicht, wenn er im Haus oder vor ihr rauchte. Er hasste seine Mutter für ihre autoritäre, gehässige Art. Aber was sollte er tun? Sie war nun mal seine Mutter und außer ihr hatte er niemanden anderen. Er und der Fremde waren allein an der Bushaltestelle. Der Wind war eisig kalt, trotzdem genoss Tamino jeden einzelnen Zug seiner Zigarette.
„Tamino Steinmaier?“ sagte der Fremde und Tamino erschrak. Wer war der Mann? Und woher kannte er seinen Namen?
„Ja?“
„Du liebst deine Mutter und möchtest nicht, dass ihr etwas zustößt?“
„Was zum Teufel…“
„Halt den Mund und hör mir gut zu.“ Daniel Thalhammer war sehr viel größer und stärker als der kleine, schmächtige Tamino. Thalhammer baute sich vor ihm auf und Tamino pinkelte sich vor Angst fast in die Hose. „Du wirst für mich einen kleinen Kurierdienst übernehmen. Du bekommst an der Bushaltestelle bei deiner Arbeitsstelle in München einen Umschlag überreicht, den du dann beim Umsteigen in Holzkirchen einer Frau übergibst. Das ist die Frau,“ er übergab ihm ein Foto von Jenny Löffler. „Präg dir das Gesicht gut ein. Erledigst du deine Aufgabe zu meiner vollsten Zufriedenheit, ist alles in Ordnung und du hast dir ein ordentliches Taschengeld verdient, womit du im Kolibri mehrere Abende verbringen kannst. Machst du Probleme, gehst zur Polizei oder sprichst mit jemandem darüber, kann ich nicht für die Gesundheit deiner Mutter garantieren. Hast du mich verstanden?“
Tamino hörte entsetzt zu und zitterte am ganzen Körper. Als der Fremde die letzte Drohung aussprach, verbrannte er sich die Finger an der Zigarette, ohne es zu bemerken.
„Hast du mich verstanden?“
„Ja.“
Der Fremde war verschwunden und Tamino stand allein an der Bushaltestelle. Er starrte auf das Gesicht auf dem Foto: Er hatte diese Frau noch nie gesehen. Er war im Begriff, sich eine weitere Zigarette anzuzünden, verzichtete aber darauf. Mutti! Sie war in Gefahr und das konnte er nicht zulassen, er fühlte sich für sie verantwortlich. Er rannte los und stürmte in das alte Haus im Ortskern von Schwindegg.
„Wage es ja nicht, mit deinen Schuhen ins Haus zu kommen!“ hörte er die vertraute Stimme seiner Mutter und beruhigte sich sofort. Wenn sie so keifen konnte, war sie wohlauf. Er zog die Schuhe aus und ging ins Wohnzimmer. Seine Mutter saß wie so oft vor dem Fernseher, in dem eine ihrer vielen Daily Soaps lief. „Du stinkst! Hast du schon wieder geraucht? Wie oft habe ich dir gesagt, dass ich das nicht mag?“ Sie schimpfte weiter und machte ihm einen Vorwurf nach dem anderen, ohne ihn dabei anzusehen. Dann gab es eine Werbepause und sie hatte jetzt Zeit, sich ihm zuzuwenden. „Wie siehst du denn aus? Man muss sich ja für dich schämen!“ Sie schimpfte weiter und weiter. Erst, als die Werbepause zu Ende war, wandte sie sich wieder dem Fernseher zu. Offensichtlich wurde es spannend. Sie vergaß ihre Schimpftirade und verstummte. Tamino hatte die ganze Zeit über nichts gesagt. Normalerweise regte er sich über seine Mutter und ihr Verhalten auf, aber heute nicht. Er lächelte, ging auf sie zu und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
„Was soll das?“ zischte sie und wischte sich demonstrativ mit dem Ärmel ihrer Jacke über die Wange. „Dein Essen steht in der Küche. Und jetzt lass mich allein, sonst verpasse ich meine Sendung.“
Tamino ging in die Küche und nahm den Teller aus dem Backofen. Wie immer hatte seine Mutter gekocht und das Essen auf Temperatur gehalten. Seine Mutter kochte für ihr Leben gern, die beiden Gefriertruhen im Keller waren immer randvoll. Eigentlich hatte er nach der Begegnung an der Bushaltestelle keinen Appetit, aber seine Mutter würde es nicht dulden, dass er das Essen nicht bis auf den letzten Krümel aufaß. Lustlos stocherte er darin herum. Was wollte der Mann von ihm? Er bekam in München einen Umschlag, den er an eine Fremde beim Umsteigen in Holzkirchen übergeben soll. An und für sich war das nichts Großes. Um was ging es dabei? Der Mann würde das Ganze nicht so kompliziert machen, wenn es nicht ungesetzlich wäre. Machte er sich nicht damit sogar strafbar? Aber was sollte er tun? Er musste das Leben seiner Mutter schützen, auch wenn sie heute wieder besonders ätzend war. Sie hatte sich wie so oft über den Verlauf ihrer Sendung aufgeregt und kam mit ihrem Gehstock zu ihm in die Küche. Die anfängliche Schimpftirade wurde hier fortgeführt und Tamino ließ sie über sich ergehen. Was sollte er auch sonst tun? Ihr zu widersprechen würde die Lage nur verschärfen. Seine Mutter hatte Schmerzen und war СКАЧАТЬ