Название: Blaue Diamanten
Автор: Irene Dorfner
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Leo Schwartz
isbn: 9783738070484
isbn:
„War was mit Kleinert?“ fragte Hans, der sie gehört hatte. Leo und Werner waren weit weg und hatten nichts mitbekommen.
Tatjana schüttelte nur den Kopf, was hätte sie auch anderes tun können? Die Minister waren zurück und sie mussten arbeiten. Für Privates war keine Zeit. Sie hoffte darauf, dass sich Kleinerts Ego irgendwann wieder beruhigen würde. War sie zu frech gewesen? Hatte sie ihn zu sehr provoziert? Nein, Kleinert hatte sie provoziert und nicht umgekehrt, sie hatte nur darauf reagiert.
Während die Besprechung lief, wurde die Diamantenmesse mit einer Ansprache des 3. Bürgermeisters der Stadt München feierlich eröffnet. Eine solche Messe fand in München bislang noch nicht statt. Die Veranstalter hatten sich sehr darum bemühen müssen, die Rechte dafür zu bekommen. Diamanten zogen ein erlesenes Publikum an, worauf die Stadt München, die Hotelbetriebe, die Gastronomie und die Geschäftswelt an sich sehr stolz und auch scharf waren. Die Umsätze der verschiedenen Branchen würden in den vier Tagen üppig ausfallen. Dass parallel die Konferenz der EU-Energieminister stattfand, stellte die Verantwortlichen vor riesige Probleme. Die Zimmer für Aussteller und Besucher waren nicht das größte Problem, aber die Gewährleistung der Sicherheit. Als der Polizeichef Totzauer bekanntgab, wegen des Ministertreffens keine zusätzlichen Polizeikräfte bereitstellen zu können, waren die Veranstalter sauer. Totzauer und auch die Stadt München hatten zugesagt, auch ihrerseits für die Sicherheit zu sorgen. Vollmundig wurde versprochen, dass man sich darum bemühen würde, die gewünschten Polizisten zur Verfügung zu stellen. Diese Information wurde damals umgehend an die größten und wichtigsten Aussteller weitergegeben. Daraus wurde jetzt nichts und sie mussten schnell reagieren. Sie informierten und diskutierten mit den Ausstellern. Selbstverständlich engagierte die Messeleitung selbst einen privaten Sicherheitsdienst.
Schlussendlich hatte alles geklappt und die Messe konnte eröffnet werden. Auf einem reservierten Teil der ausgewiesenen Parkplätze standen die Fahrzeuge verschiedener Sicherheitsdienste, die aus ganz Deutschland und auch aus Österreich engagiert wurden. Es war offensichtlich, dass die Aussteller ebenfalls in diese Richtung reagierten und selbst für zusätzliche Sicherheit sorgten. Die Veranstalter der Diamantenmesse beteten, dass die Messe reibungslos ablief. Am Freitag war der Spuk vorbei, dann konnten auch sie wieder ruhig schlafen.
7.
Die Diamantenhändler Benthuis & Co. und Sieveding waren die größten der Branche. Sie waren begeistert von der Idee, dass auch in Deutschland eine Diamantenmesse stattfand und hatten das Vorhaben und die Planung tatkräftig unterstützt. Damit wurde ihnen eine weitere Möglichkeit geboten, Kundenpflege zu betreiben und vor allem Neukunden hinzuzugewinnen, denn die Diamantengeschäfte waren seit Jahren rückläufig. Nicht nur wegen des schlechten Images der Diamanten, sondern hauptsächlich wegen des fallenden Goldpreises. Viele Anleger griffen lieber bei Gold zu und legten so ihr Geld an. Benthuis & Co. und Sieveding standen zwar offiziell in Konkurrenz, tätigten aber einige Geschäfte gemeinsam. Die Inhaber und Geschäftsführer der beiden Firmen waren auch freundschaftlich miteinander verbunden. Als die Möglichkeit einer weiteren Diamantenmesse in München bekannt wurde, hatten beide vor allem im arabischen Raum aggressive Werbung für diese Messe betrieben. Für besonders reiche Familien übernahmen sie sogar die Übernachtungskosten, die sich hoffentlich durch lukrative Geschäfte bezahlt machen würden.
Als den Geschäftsführern beider Firmen die Sicherheitsprobleme von Seiten der Messeleitung mitgeteilt wurden, waren beide sauer. Von den vollmundigen Versprechungen der Messeveranstalter war nichts übrig geblieben. Totzauer wusste nichts von diesen Versprechungen. Die Münchner Polizei war gerne bereit, mit zusätzlichen Kräften zu unterstützen; allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie über diese auch verfügte. Natürlich hatte die Messeleitung ihrerseits eine private Sicherheitsfirma engagiert, aber die reichte nicht für die gesamte Messe. Es blieben Benthuis & Co. und Sieveding nichts anderes übrig, als selbst aktiv zu werden. Schließlich hatten beide für die erlesene Kundschaft aus dem arabischen Raum sehr wertvolle Stücke dabei.
Beide Firmeninhaber waren nach dem ersten Messetag zufrieden. Die Verkäufe übertrafen die Erwartungen bei weitem. Auch die privaten Sicherheitsfirmen erwiesen sich als Glück im Unglück. Deren Mitarbeiter präsentierten sich professionell und vermittelten den betuchten Besuchern ein Sicherheitsgefühl, das der Polizei so nicht gelingen würde.
„Wir sollten das bei Messen und Ausstellungen beibehalten. Ich bin begeistert,“ sagte Jan Benthuis, der das Unternehmen von seinem Vater geerbt hatte und inzwischen in dritter Generation führte. Die Firma Benthuis & Co. hatte ihren Firmensitz im belgischen Antwerpen. Die goldenen Zeiten in der Branche waren längst vorbei. Die Diamantenhändler hatten alle mit dem Ruf der Blutdiamanten und Konfliktdiamanten zu kämpfen. Wo sie auch auftraten, mussten sie sich rechtfertigen und wurden schief angesehen. Nicht von Kunden, die weiterhin gerne erlesene Stücke kauften, sondern von Aktivisten und Menschenrechtlern. Benthuis musste zugeben, dass die Firma in den 50er-Jahren den Abbau der Diamanten unter menschenunwürdigen Bedingungen unterstützt und gefördert hatte. Auch mit Diamanten, von denen seine Vorfahren wussten, dass sie als sogenannte Konfliktdiamanten angeboten und verkauft wurden, wurde gerne gehandelt. Mit diesen Geschäften finanzierte man die gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Diamanten wurden illegal geschürft, um Rebellen und Invasionstruppen zu finanzieren. Dadurch wurde zur Verlängerung und Intensivierung der Konflikte beigetragen. Benthuis hatte sich davon längst distanziert und unterstützte seit Jahren Menschenrechtsorganisationen. Auch, um Jan Benthuis‘ Gewissen zu beruhigen. Er hatte sich in den alten Firmenunterlagen über die Vorgehensweise und Geschäfte seines Vaters und Großvaters informiert, als die Vorwürfe immer lauter wurden. Und ja, es gab einige dunkle Flecken in der Firmenpolitik, die er persönlich nicht zu verantworten hatte. Trotzdem fühlte er sich schuldig und änderte die Geschäftspolitik von Grund auf, als er die Firma von seinem Vater nach dessen frühen Tod übernahm.
Die Firma Sieveding war in Luxemburg ansässig. Sie wurde 1991 verkauft, als die Geschäftspraktiken des Firmeninhabers publik wurden. Der alte Sieveding kaufte nicht nur im großen Stil Konfliktdiamanten, sondern unterhielt selbst eine Diamantenmine im afrikanischen Kongo, deren Betreibung den Menschenrechten widersprach. Die Medien überschlugen sich damals mit Negativberichten, was den Verkauf von Diamanten für einige Monate in den Keller fallen ließ. Sieveding war damals 64 Jahre alt und bekam einen Nervenzusammenbruch. Niemand glaubte ihm, dass er nicht wusste, was im Kongo vor sich ging und beteuerte vergeblich seine Unschuld. Er behauptete, nie mit den Käufen zu tun gehabt zu haben und verwies auf seine Einkäufer. Auch die Geschäftsführung der Mine hatte eine im Kongo ansässige Firma übernommen, Sieveding hatte sich scheinbar nie um die dortigen Umstände gekümmert und gab auch hier an, nichts gewusst zu haben. Ob das der Wahrheit entsprach, konnte nie geklärt werden. Als Sieveding die Firma für ein Butterbrot verkaufen musste, starb er nur sechs Monate später und nahm sein Wissen mit ins Grab. Er hinterließ keine Aufzeichnungen oder Geschäftsunterlagen, was im Nachhinein betrachtet gegen seine Unschuld sprach.
1991 konnte Bertrand Denaux die Firma Sieveding übernehmen und tat seitdem alles, um das Image in der Diamantenbranche zu verbessern. Denaux verabschiedete sich vom afrikanischen Markt. Er konzentrierte sich auf den russischen und kanadischen Markt, wo es die meisten Diamantenvorkommen der Welt gibt. Bei einer seiner ersten Reisen nach Russland hatte Denaux Jan Benthuis kennengelernt. Die beiden verstanden sich sofort und arbeiteten seitdem oft zusammen. Beide waren Ende 50 und beide hatten das Problem, dass sie keinen Firmennachfolger hatten. Weder Jan Benthuis, noch Bertrand Denaux hatten Kinder. Benthuis war nie verheiratet und lebte nur für die Firma, und Denaux machte sich nichts aus Frauen. Oft saßen sie zusammen und dachten darüber nach, was aus ihren Firmen werden würde, wenn sie nicht mehr konnten. Obwohl beide Lebensgeschichten sehr unterschiedlich waren, einte sie einiges: Beide mussten wegen der Vergangenheit ihrer Firmen viel Zeit und Mühe aufwenden, um wieder nach oben zu kommen, was ihnen nach Jahren mühevoller СКАЧАТЬ