Der 90. Geburtstag - Eine rabenschwarze Kriminalkomödie. Jörn Kolder
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Название: Der 90. Geburtstag - Eine rabenschwarze Kriminalkomödie

Автор: Jörn Kolder

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754905012

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СКАЧАТЬ Erfolg der Darstellung des Führers Adolf Hitler am hauptstädtischen Theater beigetragen. Immer, wenn viel Prominenz im Theater saß, lief Krause zur Höchstform auf. Er hatte sich so tief mit der Rolle identifiziert (weil er wusste, wenn er Hitler so gab, wie von der Staatsführung erwünscht, könnte er noch weiter in der Riege der Staatsschauspieler aufsteigen), dass er sich öfter einmal prüfend an den Sack faste, ob darin noch zwei Eier wären. Gerüchte besagten, dass Hitler 1916 bei der Schlacht an der Somme einen Hoden eingebüßt hätte. Das war zwar nur ein Detail, aber für Krause als Künstler keineswegs vernachlässigbar. Er wollte den Diktator in allen Facetten darstellen. Anhand des fehlenden Hoden wollte er die innerliche Zerrissenheit von Hitler zeigen, der vermutlich durch das verlorengegangene Ei Minderwertigkeitskomplexe entwickelt, und deswegen einen Weltkrieg vom Zaun gebrochen hatte. Auf der anderen Seite gab der Führer ja gern den großen Zampano, dem keiner das Wasser reichen konnte. Krause hatte viele Stunden damit verbracht darüber nachzudenken, wie er sich denn fühlen würde, wenn in seinem Sack die Hälfte des Inhalts fehlen würde. Mental höchstwahrscheinlich nicht gut, anatomisch vermutlich nicht groß anders. Jedenfalls war er zu dem Entschluss gekommen, die Rolle des Führers als ein ständig an sich selbst zweifelndem und mit dem Schicksal hadernden Menschen anzulegen. Die ganze perfide Bösartigkeit Hitlers wollte er mit einem deutlichen darstellerischen Fingerzeig klarmachen: in Phasen der Unsicherheit, des Stresses, der Verzweiflung, würde er sich mit der rechten Hand immer wieder ans Gemächt fassen und am Sack kratzen. Krause hatte einen Sinn für Symbolik. Eine nach unten gerichtete rechte Hand, die den Sack immer wieder abtastete (um das Verlusterlebnis kompensieren zu können), würde eine innerliche Kapitulation bedeuten, da der hochgerissene rechte Arm ja eigentlich dem Hitlergruß vorbehalten war. So wie noch nie, hatte sich Krause in eine Rolle hineinbegeben, nein: er war auf der Bühne der dämonische Hitler selbst.

      Als er zur Premierenvorstellung gefahren war hatte er im Autoradio einen Beitrag eines gewissen "Hubert Heil" gehört, der ganz offensichtlich eventuell nicht ganz arbeitsfähige Menschen in eine Beschäftigung zwingen wollte. Krause war ja in politischen Dingen sehr vorsichtig, aber dieser "Hubert Heil" war scheinbar nicht weit weg von der Anwendung von Methoden, die zu Hitlers Zeiten üblich gewesen waren. Das konnte er nicht gutheißen. Entsprechend kämpferisch war er in den Auftritt gegangen und die Vorstellung war seine bisherige Sternstunde am Theater gewesen. Dass er in der letzten Szene statt "Heil Hitler" "Heil Hubert" gerufen hatte, war nicht aufgefallen, weil der Schlussapplaus alles zugedeckt hatte.

      Nach diesem Triumph konnte er wählerisch sein.

      Aber er wollte eben auch sein Engagement für das Klima in die Öffentlichkeit tragen.

      Er sprach mit seiner Frau Gisela, ob sie ihn nicht zu einem Autohaus begleiten könnte.

      "Wenn ich dir helfen kann, warum nicht" hatte sie gesagt.

      Nach dem Desaster bei Auwi hatte er sich nochmals über andere Anbieter informiert, und war doch bei V-R fündig geworden. Was diese Leute versprachen, war sensationell. Ein klein bisschen Skepsis hatte er doch, er konnte sich noch an diese Abgasgeschichte erinnern. Aber eventuell hatten die Typen etwas aus dieser Katastrophe gelernt.

      "Natürlich stehen wir bei Volks-Rasen für höchste Transparenz" hatte der Verkäufer erklärt "unsere Unternehmenskommunikation ist offen und ehrlich, wir wollen ja den Customer mit ins Boot holen."

      "Den was" fragte Frank Krause verwirrt "warum mit ins Boot, ich will ein Elektroauto kaufen und keine Yacht."

      "Nun, das war sinnbildlich gemeint. Sich aufs Meer zu wagen hat immer mit Abenteuer und Entdeckerdrang zu tun und kann gefährlich werden, fordert also den ganzen Mann heraus. Da muss man sich bewähren, Mut zeigen, vorangehen, darf nicht zaghaft sein. So wie wir bei Volks-Rasen, die die Hochtechnologie in unserer Branche vorantreiben."

      "Jetzt hören Sie mir mal zu junger Mann" schaltete sich Gisela Krause ein "ihre machohafte Werbeprosa können Sie stecken lassen. Durch ihre Sprüche diskriminieren Sie eine enorm große Bevölkerungsgruppe. Wissen Sie, wen ich damit meine?"

      "Die Afrikaner?"

      "Wieso die Neger" wunderte sich Frank Krause, überlegte einen Moment und sagte dann:

      "Doch, Sie haben recht. Afrika platzt doch aus allen Nähten, weil die dort wie die Karnickel schnackseln. Wenn die alle hierher kommen ist endgültig Schicht im Schacht. Ich hab mal gehört, dass die jetzt 1,3 Milliarden sind. Und es werden jede Woche hunderttausend mehr. Wir hier sind so n bisschen mehr als 80 Millionen. Und Strom haben die vielleicht auch nicht so viel. Und solche Stromtankstellen."

      "Ladestationen."

      "Ach ja, stimmt. Kann ich auch noch Benzin tanken?"

      "Nur mit einem Hybriden."

      "Was für ein Ding?"

      "Ein Hybrid, der fährt mit Treibstoff oder wechselweise mit Batteriestrom."

      "Aber ich will ein Elektroauto kaufen. Ich komm jetzt ganz durcheinander" sagte Krause.

      "Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet" wandte sich Gisela Krause an den Verkäufer.

      "Aber Ihr Gatte hat mir doch meine Vermutung bestätigt."

      "Ja, klar. Kerle halten immer zusammen, oder? Sie denken wohl gar nicht an uns Frauen? Die sind Ihren Auffassung nach wohl immer noch zu blöd, um ein Auto einparken zu können?"

      "Keineswegs, keineswegs" versicherte der Verkäufer "wir bei Volks-Rasen legen größten Wert auf ein gesundes Verhältnis von Männern und Frauen auf allen Ebenen des Unternehmens. Und wir sind ganz groß in der Diversity."

      "In der was" fragte Frank Krause erneut verwundert.

      "In der Diversity. Wir beschäftigen Homosexuelle, Queere, Transgender, alle Geschlechter, wir sind bunt."

      "Moment mal" sagte Krause "ich habe Kinder und Enkel und bin kein Jungspund mehr. Was ist ein "Queerer"?"

      "Nun, um es kurz zu sagen, dass sind Personen, die sich nicht ganz klar sind, ob sie Mann oder Frau sind."

      "Wie bitte? Warum ist das denen nicht klar? Wenn die mal ihre Hosen oder Röcke runterziehen müssten die doch eigentlich genau sehen können, ob sie einen Pullermann oder eine Muschi haben."

      "Das soll wohl nicht ganz so einfach sein."

      "Da stimmt doch was nicht" regte sich Krause auf "Sie beschäftigen hier also Personen, denen nicht klar ist, ob sie Männlein oder Weiblein sind?"

      "Nein, bei uns nicht."

      "Da bin ich ja erst mal beruhigt. Aber ich möchte Ihnen jetzt mal was sagen. Ich bin Schauspieler und gebe viele Rollen in historischen Stücken. Kennen Sie mich, und was wissen Sie über "King Lear"?"

      "Ähm, leider kenne ich Sie nicht. "King Lear" klingt nach einem Rollenspiel. Ich habe eins, da bewegt man am PC verschiedene Charaktere wie Ritter, Paladine, Zauberer und Barbaren rundenbasiert auf Hexfeldern. Man muss seine Gegner besiegen, dann steigt man auf. Das Spiel heißt "King's Bounty"."

      "Ich weiß nicht, was das mit "King Lear" zu tun haben sollte, da gibt es keine Zauberer. Es ist ein sogenanntes Doppeldrama von Shakespeare. Schon mal gehört von dem Kerl? Passen Sie jetzt mal auf."

      Frank Krause warf sich in Pose und deklamierte:

      "Ein wunderbares Hintertürchen für den Hurenbock Mensch, seine geißbockgeile Veranlagung einem СКАЧАТЬ