Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Untergang des Römischen Reiches Deutscher Nation – bei Jürgen Ruszkowski. Ricarda Huch
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СКАЧАТЬ wenig konnte damals schon die Kirche dem weltlichen Regenten entgegensetzen. Bei den Protestanten war es, sehr zum Bedauern mancher Theologen, selbstverständlich geworden, dass das obrigkeitliche Regiment sich auch auf die geistlichen Dinge erstreckte. Seckendorff meint, dass das auch bei den Katholiken der Fall sei, und führte zum Beweis den bekannten Ausspruch des Herzogs von Cleve an, er sei Papst in seinem Land, und den des streng katholischen Herzogs Georg von Sachsen, er sei in seinem Land selbst Papst, Kaiser und Deutschmeister.

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      Georg der Bärtige (lateinisch: Georgius Barbatus; * 27. August 1471 in Meißen; † 17. April 1539 in Dresden) war Herzog des albertinischen Sachsens.

       Immerhin, sagte er, seien auch in Sachen der Religion dem Fürsten durch die Reichsgesetze Schranken aufgerichtet. Er darf in seinem Land mit Ausnahme der jüdischen keine andere als die christliche Religion zulassen, und zwar nur das katholische, das evangelische und das reformierte Bekenntnis. Er darf Christen, die von dem in seinem Land geltenden Bekenntnis abweichen, nicht verjagen oder gar bestrafen, sondern er muss sie entweder dulden oder unter Mitnahme ihrer Habe auswandern lassen. Dass er Glaubenssätze nicht ändern darf, versteht sich von selbst. Wenn er selbst zu einem anderen Bekenntnis übertritt, darf er seine Untertanen in dem einmal zugelassenen Glauben nicht beschweren, hat sie vielmehr darin zu beschützen.

       Überblickt man diese staatsrechtliche Untersuchung, so spürt man noch etwas von der Erhabenheit und Harmonie der mittelalterlichen Auffassung. Für Seckendorff ist die Herrschaft ein von Gott verliehenes, rechtlich und sittlich gebundenes Amt. Nur Gott ist absolut. Der irdische Staat soll das Recht, das von Gott kommt, verwirklichen. Es scheint, als sei der Fürst im Reich durch Gesetz und Herkommen so vorsorglich eingehegt, dass er sich ein tyrannisches Regiment gar nicht anmaßen könne. Sieht man aber näher zu, so merkt man, dass der Verfasser, wie sehr er selbst auch von der Richtigkeit seiner Behauptungen und Argumente überzeugt ist, sich in der Verteidigung fühlt einem Angriff gegenüber, den die Verhältnisse begünstigen und der die Richtung der Zeit für sich hat. Vollends aus den Anmerkungen, die der Herausgeber einer neuen Auflage des Fürstenstaates im Jahr 1720 dem Werk beigefügt hat, kann man schließen, wie unsicher das alte Recht bereits geworden ist. Er bringt den alten Text, ohne seiner Geltung recht zu trauen. In den letzten hundert Jahren sei von den landesfürstlichen Rechten viel geschrieben worden, sagt er, und meint, es sei eine fast gefährliche Frage. „Die unart der eigenwilligen herrschaft“, heißt es, „hat allem ansehn nach der alten freyheit zuwider etliche saecula her mehr und mehr an vielen orten, auch in unserm vaterlande, zugenommen, allwo doch vor diesem mehrere freyheit gewesen, ja wo die freyheit ihren alten sitz gehabt und von denen poeten daher genennet ward germanorum scythorumque bonum.“ Als Ursache der Veränderung wird angeführt die Strafe Gottes, die liebkosenden Höflinge und das Beispiel anderer Länder, wo das absolute Regiment herrsche. Das geht natürlich auf Frankreich. Bereits sei von Staatsrechtslehrern die Ansicht geäußert worden, dass sich das Recht der hohen Obrigkeit nicht dividieren lasse, dass es einheitlich und unumschränkt sein müsse und dass etwaige Privilegien der Untertanen der landesherrlichen Allmacht keinen Abbruch tun könnten. „Es steht dahin, wie weit mit dieser subtilität in effectu auszulangen. Manche fügen sich, manche nicht.“ Dass Briefe und Pergamente keine festen Mauern sind, hatte die Erfahrung bereits bewiesen.

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      Stände und Städte

       Stände und Städte

      Nachdem die Fürsten die Zügel der kaiserlichen Oberhoheit im Westfälischen Frieden fast ganz abgeworfen hatten, gingen sie darauf aus, sich auch der von unten her durch die Stände ihnen gesetzten Einschränkungen zu entledigen. Eine gewisse Nötigung, die produktiven Kräfte ihrer Länder ganz in ihre Hand zu bringen, lag für die Fürsten darin, dass Frankreich sich in dieser Richtung entwickelt hatte. Folgerichtig wäre es allerdings gewesen, wenn die Gewalt des Kaisers sich im selben Maße wie die des französischen Königs verstärkt hätte, aber das war ausgeschlossen durch die Eigenart der Reichsverfassung, durch die Vielstämmigkeit der Deutschen und ihre Neigung zur Selbstbehauptung der Einzelkräfte. Auf der Grundlage des Verhältnisses zwischen Oberhaupt und Gliedern, wie es sich einmal herausgebildet hatte, nahm die kaiserliche Macht ab, wie die des französischen Königs zunahm, während die deutschen Fürsten dem Beispiel des benachbarten Monarchen zu folgen versuchten. Das Abendland bildete so sehr eine Einheit, dass eine wesentliche Veränderung seines Charakters, die sich auf einem Punkte durchsetzte, allmählich das Ganze ergreifen musste; meistens pflegte sie gleichzeitig an mehreren Orten aufzutreten. Die Zentralisierung der Macht vollendete sich zuerst in Frankreich; die Überlegenheit, die es dadurch erlangte, zeigte sich so deutlich und mit so verderblichen Folgen für Deutschland, dass die Landesherren darauf hingedrängt waren, dem Beispiel zu folgen, auch wenn es ihren persönlichen Neigungen und Bedürfnissen nicht entsprochen hätte.

       An Kampf und Beraubung gewöhnt, begierig für erlittene Verluste sich zu entschädigen oder erbeuteten Gewinn zu vermehren, waren die Fürsten nach dem Dreißigjährigen Krieg Raubtieren im Käfig ähnlich, die hungrig und grimmig die Stäbe entlang streichen und mit dem Schweif die engen Wände peitschen. Sie trachteten alle nach dem miles perpetuus, wie man damals sagte, nach dem stehenden Heer, das sich im Krieg so nützlich erwiesen hatte, mit dem sie äußere und innere Feinde bezwingen konnten; aber der miles perpetuus kostete Geld, sehr viel Geld, und das Geld befand sich in einem Beutel, den die Stände öffnen und verschließen konnten. Die Stände, in der Regel bestehend aus Vertretern von Adel, Geistlichkeit und Städten, waren ebenso friedliebend, wie die Fürsten kriegerisch waren; sie wussten, wie schwer das Geld zu beschaffen war, sie waren selbst auf die Abgaben der Untertanen angewiesen und sahen es ungern, wenn diese auch noch vom Staat ausgebeutet wurden. Ihre eigenen Interessen waren stark im Spiel; aber sie vertraten doch auch die des Volkes, wenn sie sich der Prachtliebe, der sinnlosen Verschwendung und der Kriegspolitik der Fürsten widersetzten. Diese bevormundenden Stände loszuwerden und durch unterwürfige Beamte zu ersetzen, war der Wunsch aller Fürsten des 17. Jahrhunderts, und sie wurden darin durch ihre Beamten und Räte, namentlich soweit sie Juristen waren, unterstützt. Von jeher hatten die Juristen eine absolutistische Auffassung gepflegt, wie es ihrem Bildungsgang entsprach; die im Mittelalter so vielfach verflochtenen und zerstreuten Rechtstitel einem einzigen Prinzip, der landesfürstlichen Hoheit, unterzuordnen, war ihrem im Studium des Römischen Rechts geschulten Verstande einleuchtend und bequem. Die landesfürstliche Hoheit war ein Begriff, der, gerade weil er unbestimmt war, sich beliebig anfüllen und verwenden ließ.

       Die seltene Einmütigkeit der Fürsten in diesem Punkt setzte im Jahr 1654 einen Reichsbeschluss durch, der die Stände verpflichtete, ihren Landesherren das nötige Geld zur Erhaltung ihrer Festungen und deren Besatzungen zu bewilligen. Damit war das Steuerbewilligungsrecht durchbrochen. Es genügte aber den Fürsten nicht, und sie versuchten einen neuen Reichsbeschluss durchzubringen, der die Stände anhielte, alles Geld, was von ihnen verlangt würde, „gehorsamlich und unweigerlich darzugeben“, damit sie den Verpflichtungen nachkommen könnten, die ihnen aus dem im Westfälischen Frieden erworbenen Recht, Bündnisse mit inneren und auswärtigen Mächten zu schließen, erwüchsen. Schon glaubten sie sich am Ziel, als der Kaiser, in dessen Interesse es nicht lag, die Fürsten noch unabhängiger zu machen, das Zustandekommen des Beschlusses verhinderte. Erbittert darüber schlossen mehrere Reichsstände, darunter Kur-Brandenburg, ein Bündnis, in welchem sie sich Beistand gegen ihre Stände und Untertanen versprachen, falls diese sich ihren militärischen Ansprüchen widersetzen sollten. Sie waren entschlossen, jede Schranke ihrer Macht zu beseitigen.

      Unter den deutschen Fürsten des 17. Jahrhunderts hatte keiner ein so machtgieriges Herz und ein so ausgeprägtes Herrscherbewusstsein wie Friedrich Wilhelm von Brandenburg, den die dankbaren Nachkommen den Großen Kurfürsten genannt haben.

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      Friedrich СКАЧАТЬ