Beziehungen. Galina Hendus
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Название: Beziehungen

Автор: Galina Hendus

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783742703521

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СКАЧАТЬ es ein Schnellzug ist, der rasch vorwärtskommt.“

      „Lida, ich danke Ihnen für die Informationen, aber ich fahre doch lieber heute“, beschloss ich.

      „Das ist eine richtige Entscheidung. Wozu sechzig Stunden für die Fahrt verschwenden, wenn es von hier aus nach Swiburg bloß dreihundertfünfzig Kilometer sind! Aber verpassen Sie den Zug nicht – und packen Sie alles Notwendige ein.“

      Ich dankte der jungen Frau und entfernte mich von dem Schalter. Nachdem ich die Fahrkarte ganz tief in die Innentasche gesteckt hatte, steuerte ich den Ausgang an. Es gab noch viel zu tun: Ich musste in der Redaktion vorbeischauen, um einige Formalitäten zu erledigen, meine Freunde anrufen und mich für die platzende Geburtstagsfeier entschuldigen, zu Hause meinen Koffer raussuchen, der erst noch gepackt werden wollte …

      Am Abend bestellte ich telefonisch ein Taxi, ging hinunter und lehnte mich in Erwartung des Wagens an einen Baum, der in der Nähe des Hauseingangs wuchs. Nach der Hitze, die am Tag geherrscht hatte, kam jetzt ein leichter Wind auf, der den Wetterumschwung ankündigte. Es war warm und still. Das Taxi kam um die Ecke und näherte sich so leise, dass ich es nicht bemerkte.

      „Wollen Sie zum Bahnhof?“, donnerte es unerwartet in mein Ohr. Ich zuckte überrascht zusammen, nickte und knurrte verärgert:

      „Sie brauchen nicht zu brüllen, ich bin ja nicht taub.“

      „Aber ich! – eine Quetschung aus Tschetschenien, seitdem höre ich schlecht.“

      „Dann entschuldigen Sie bitte, das konnte ich ja nicht wissen.“

      „Macht nichts, Kumpel, du bist nicht der Erste“, dröhnte es fröhlich neben mir, und der Taxifahrer knallte die Tür zu. Bevor er den Motor anließ, musterte er mich wie einen Schüler und fragte besorgt:

      „Hast du alles eingepackt, nichts vergessen?“

      „Ich habe alles eingepackt, was ich brauche“, sagte ich mit gespielter Ruhe. Die Sorge, mit der zuerst Kassiererinnen am Bahnhof und nun ein Taxifahrer mein Leben zu umhüllen suchten, schien mir übertrieben.

      „Sei mir nicht böse, ich habe einfach so gefragt – vielleicht hattest du einen schlechten Tag und hast etwas vergessen. Wenn du nichts vergessen hast, ist das doch prima.“

      Das Auto fuhr los in Richtung Bahnhof. Ich merkte, dass der Taxifahrer zum Plaudern aufgelegt war, es aber nicht wagte, das zwischen uns entstandene Gleichgewicht zu zerstören. Schließlich konnte er sich aber doch nicht mehr zurückhalten:

      „Sag mir, warum ist das Leben so ungerecht: Blinde dürfen am Steuer sitzen, Taube aber nicht?“

      „Was heißt hier, Blinde dürfen?!“ Ich war dermaßen verwundert, dass ich seine laute Stimme außer Acht ließ.

      „Ganz einfach. Guck doch in der Straßenverkehrsordnung nach: Wenn du dir Räder, ich meine Gläser, auf die Nase setzt, auch die dicksten, kannst du in alle Himmelsrichtungen aufbrechen. Wenn du aber den Hörtest nicht bestanden hast – fertig, leg deinen Lappen hin! Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Ein Kollege von mir kann ohne Brille gar nichts sehen, ich musste ihn nach Hause bringen, als seine Brille kaputtgegangen war, aber den Führerschein will man mir entziehen – angeblich höre ich schlecht.“

      „Was soll ich da sagen ...“

      „Nun, sag doch, Kumpel, würdest du mit mir fahren, wenn ich dich mit dem Fahrrad zum Bahnhof bringen würde? Fahrradfahrer brauchen ja keinen Führerschein.“

      „Ich weiß es nicht.“

      „Keiner weiß es. Ich habe auch gar kein Fahrrad … Wir sind da. Steig aus.“

      Ich bezahlte, nahm meinen Koffer, setzte mich in Bewegung und hörte plötzlich im Rücken:

      „Pass auf, verspäte dich nicht, sonst gibt es Ärger.“

      „Ich verspäte mich nicht, ich habe noch dreißig Minuten Zeit“, beruhigte ich ihn und hob zum Abschied die Hand.

      Als ich das Bahnhofsgebäude betrat, ging ich zu der Informationstafel, um in Erfahrung zu bringen, auf welchem Gleis mein Zug stehen würde. Ich fand die Zeile „Iwanowo – Swiburg: Gleis 6“ und warf einen Blick auf die Uhr: Bis zur Abfahrt blieben noch fünfundzwanzig Minuten Zeit. In diesem Moment sah ich plötzlich die Kassiererin Tanja von heute Morgen, die am Nachmittag so unerwartet verschwunden war. Ich winkte ihr zu. Sie interpretierte meine Geste als Einladung zu einem Gespräch und ging auf mich zu. Seltsam, ich konnte keine Zeichen von Schwangerschaft bei ihr feststellen.

      „Es wurde mir gesagt, dass Sie in den Schwangerschaftsurlaub gegangen sind“, sagte ich nach der Begrüßung.

      „Genau dahin gehe ich gerade“, behauptete sie und blickte mich fröhlich an. „Morgen werde ich wohl ankommen. Und Sie, gehen Sie auf Ihre Dienstreise?“

      „Ja.“

      „Und warum nicht über Warschau? Im Zug kann man gut nachdenken und schreiben. Sind Sie doch Schriftsteller?“

      „Nein, ich bin Journalist. Es wurde mir keine Genehmigung erteilt, über Warschau zu reisen“, schwindelte ich.

      „Sie haben aber gar nicht gefragt. Warum müssen Männer andauernd lügen? Man kann mich betrügen, sich selbst aber doch nicht.“

      „Ich habe wenig Zeit, ich muss einen umfangreichen Artikel abliefern, und dazwischen kommt dieser Auftrag“, versuchte ich ihr zu erklären.

      „Ach, Sie Ärmster, immer bei der Arbeit! Man hat gar keine Zeit, an sich selbst zu denken.“ Tanja sah mich voller Mitgefühl an. „So rinnt Ihnen das ganze Leben durch die Finger, und im Sterben stellen Sie dann fest, dass Sie überhaupt noch nicht gelebt haben.“

      „Tanja, entschuldigen Sie, ich muss jetzt zu meinem Zug gehen. Auf Wiedersehen“, unterbrach ich das Gespräch, das erneut eine seltsame Wendung zu nehmen drohte.

      „Leben Sie wohl, Oleg. Seien Sie glücklich und seien Sie aufmerksam, um das Wichtigste im Leben nicht zu verpassen.“

      Ich drehte mich um und ging zu meinem Bahnsteig. Dabei fiel mein Blick auf die riesige Bahnhofsuhr, die über meinem Kopf hing. Mit Entsetzten sah ich, dass mein Zug in zwei Minuten abfahren würde.

      „Wir haben doch höchstens drei Minuten geplaudert, geht etwa meine Uhr wieder nach?“ überlegte ich fieberhaft, während ich aus dem Bahnhofsgebäude eilte. Gleis 6 war nur über eine Brücke zu erreichen. Ich flog die Treppe hoch und rannte an den vorbeisausenden Schildern vorbei: Gleis 2, Gleis 4, 9, 8, 10. Bei 12 bremste ich ab: Es gab keine weiteren Gleise.

      „Wo ist denn mein Zug?“, sagte ich laut und sah in diesem Augenblick einen Mann in Eisenbahnuniform mir entgegenschreiten. „Sagen Sie mir bitte, wo ist hier Gleis 6?“, fragte ich ihn atemlos.

      „Wo soll das sein, an seinem Platz natürlich. Sie sind vorbeigelaufen und haben es in der Eile nicht bemerkt. Da steht es doch unter der 9 geschrieben, dass es Gleis 6 ist, das Schild kippt bloß immer um und aus der 6 wird eine 9. Wir haben schon ein Pappschild und danach ein Holzbrett mit unserem Hinweis angebracht, haben es sogar angenagelt, aber keiner liest das Kleingeschriebene, und so tappt man daneben. Aufmerksamkeit ist das höchste Gebot. Wenn man aufmerksam ist, gelingt einem das Leben, dann verliert und verpasst man nichts.“

      Der СКАЧАТЬ