Die Tagebücher des Michael Iain Ryan. Nadja Losbohm
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Название: Die Tagebücher des Michael Iain Ryan

Автор: Nadja Losbohm

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Tagebücher des Michael Iain Ryan

isbn: 9783752920550

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СКАЧАТЬ und offen sein, Michael. Nur keine Scheu“, ermutigte er mich.

      „Mhh“, machte ich. Ein wenig Offenheit und Wahrheit sind wohl in Ordnung. „Ihr habt mir hanebüchene Dinge erzählt, Eure Exzellenz, die meine Neugierde entfacht und mir, obwohl ich noch nicht alles weiß und noch weniger gesehen habe, Alpträume bereitet haben. Versteht es nicht falsch, ich bin nicht erpicht auf große Aufregung. Davon hatte ich wahrlich genug.“ Meine Stimme war mit den letzten Worten immer leiser geworden und brach schließlich gänzlich ab.

      De Forestier rieb sich über eine schorfige Stelle an seinem Kinn, die ihn juckte, ein Zeichen, dass die Heilung eingesetzt hatte. „Du meinst solche Aufregung wie die, die zu den Narben auf deinem Rücken geführt hat?“ Mir stockte der Atem. Meine Augen weiteten sich. Fassungslos starrte ich den Bischof an. Wieso hatte er mich nicht am Fluss darauf angesprochen, sondern hatte vorgegeben, sie nicht gesehen zu haben? Und ich – wie hatte ich sie vergessen können? Warum war ich so unachtsam gewesen und hatte mich mit den hässlichen, widerwärtigen Wundmalen und Striemen, die sich von meinen Schultern über meinen gesamten Rücken bis zum oberen Teil meines Gesäßes zogen, gezeigt?

      Weil ich glücklich gewesen war, die Vergangenheit für diese wenigen Momente vollkommen hinter mir lassen zu können, und es genossen hatte, so etwas Normales zu tun wie dem Erfrischen in einem klaren, reinen Fluss. Diese kurze Zeitspanne war für mich ein Stück des Himmels gewesen. Ich wandte den Kopf zur Seite und sah mürrisch aus dem Fenster. Hätte ich doch bloß dem Schlaf nachgegeben. Dann müsste ich jetzt nicht diese unangenehmen und belastenden Blicke von de Forestier ertragen, der darauf brannte, mehr zu erfahren.

      „Du musst es mir nicht erzählen, Junge. Manches, das wir in unserem Vorleben durchgemacht haben, bleibt lieber begraben, als dass wir es immer wieder hervorholen. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen, dass ich dich deswegen ausfrage. Aber lass mich noch dieses dazu sagen: Es tut mir sehr leid.“

      Während er gesprochen hatte, hatte ich mir die Landschaft besehen. Ich stimmte ihm zu, dass schmerzhaftes Vergangenes es nicht wert war, wiederholt ins Gedächtnis zu treten. Dabei konnte niemals Gutes herauskommen. Man konnte es ohnehin nicht ändern oder rückgängig machen. Ich sah de Forestier in die Augen und presste ein Wort des Dankes hervor. Der Ärger darüber, dass er die schändlichen Narben gesehen und ich sie ihm bedenkenlos präsentiert hatte, ebbte nur sehr langsam ab. Der Bischof nickte und lächelte flüchtig. „Ich glaube, seitdem du weißt, wohin es für dich geht, hast du nur das Ziel vor Augen“, kam er auf unser ursprüngliches Thema zurück, „Ziele sind zweifellos gut. Doch viel wichtiger als sie sind die Wege zu ihnen. Diese Reise, Michael, wird für dich lehrreich sein. Ich weiß nicht, ob du unsere Welt, seitdem ich dir von den dunklen Kreaturen erzählt habe, die in ihr wüten, mit anderen Augen siehst. Vermutlich nicht, denn eine gesunde Portion Skepsis steckt in deinen Knochen. Auch mir fiel es einst schwer, die Geschichten zu glauben. Über etwas zu hören, ist stets anders, als etwas zu sehen. Das ist das Erste, was ich dir in Bezug auf unser Ziel beibringen kann. Du wirst vielerlei Dinge lernen und die Welt anders wahrnehmen. Du wirst auch viel über dich selbst herausfinden und Neues an dir entdecken, von dem du nicht wusstest, dass es in dir schlummert. Du wirst zu einem anderen Mensch werden.“

      Ich hing an seinen Lippen, fasziniert von dem Geflecht, das er gewoben hatte. Der Abschluss klang für mich jedoch beinahe wie eine Drohung. Würde es wirklich so dramatisch, so einschneidend werden, diese Reise, dieses Abenteuer? Mein Herz raste vor lauter Aufregung und Spannung. Ich war hin- und hergerissen zwischen Angst vor dem Unbekannten und Freude auf den Wandel, der mir zufolge de Forestiers bevorstand.

      Ein lautes Klopfen hinter meinem Kopf zerriss den Schleier der Verzauberung und des Rätselhaften, der sich über mich gelegt hatte, und Rousels Stimme rief: „Scaër , Eure Exzellenz.“ Ich blinzelte den Bischof verwirrt an. Seufzend wandte er sich dem Fenster auf seiner Seite zu, schob mit einer Hand den Vorhang beiseite, um hinauszusehen. Ich rutschte mit meinem Hintern über den Damast mit seinen edlen Stickereien und warf ebenfalls einen Blick nach draußen. Ich wusste nicht, was oder wer Scaër war: ein Ort, ein fremdes, kriegerisches Volk oder eine Tierart. Ich sah keine exotischen Lebewesen, ob nun auf zwei oder vier Beinen, und die Landschaft unterschied sich nicht von der, die ich seit dem Vortag vor der Nase hatte. Ich zuckte verständnislos mit den Schultern, registrierte aber eine Bewegung neben mir, als der Bischof den Arm hob und mit dem Finger auf die linke Seite zeigte. Ich lehnte mich weiter vor, verrenkte mir fast den Hals, als ich in die Richtung sehen wollte. Doch mein Körpereinsatz wurde belohnt. Dort in der Ferne, weit am Horizont gelegen, entdeckte ich Gebilde so groß wie der Nagel meines kleinen Fingers. Es waren die Häuser einer Ortschaft namens Scaër, wie de Forestier mir erklärte.

      „Nicht groß, nicht hübsch, nicht alt, erst vor ein paar Jahren angesiedelt“, sagte er gelangweilt und tat meine Begeisterung, die ich bei dem Anblick von mehr als einem Haus und von etwas anderem als den verhassten Klostermauern zeigte, mit einem Winken seiner Hand ab. „Immerhin haben wir es bis hierher geschafft. Ein Fortschritt, wenn auch ein kleiner“, meinte er und gähnte beherzt.

      „Bedeutet es“, begann ich atemlos zu sagen, da ich ganz aufgeregt war, „wir sind bald da?“ Er lachte, als er das Leuchten in meinen Augen sah.

      „Du bist wie ein Welpe, der zum ersten Mal zum Spielen auf die Wiese gelassen wird. Mit heraushängender Zunge und großen runden Augen besieht er sich die unbekannte Welt, tollt zwischen Blumen umher und jagt Schmetterlingen nach“, meinte er glucksend. Das Feuer in meinen Augen erlosch. Er verglich mich mit einem Hund? Als er die Veränderung an mir bemerkte, lachte er schallend. Er lehnte sich vor und tätschelte meine Wange. „Humor, Michael, du brauchst viel mehr Humor. Er würde dir gut stehen. Doch um deine Frage zu beantworten: Nein, wir sind noch lange nicht da. Wir werden bald den gewohnten Pfad entlang des Flusses“, er deutete zum Fenster auf der anderen Seite der Kutsche, durch das ich die glitzernde, verlockende Oberfläche des Flusses sehen konnte, „verlassen und uns mehr nach Nordwesten halten, bis wir in etwa zwei Tagen, so Gott will, in Concarneau eintreffen. Dort wird das Wetter hoffentlich erträglicher sein als dieser Glutofen von Scaër.“ Er blähte die Wangen auf und pustete die Luft aus. Ein dumpfer Ton ertönte, als er seinen Kopf zurück gegen die Wand lehnte. „Ein Nickerchen tut jetzt sicher gut“, flüsterte er, schloss die Augen und begann umgehend zu schnarchen. Ich zog einen Flunsch und blickte wieder aus dem Fenster auf die langsam verschwindenden Häuser Scaërs. Der Bischof mochte sich ausruhen und schlafen wollen. Doch meine Müdigkeit war wie weggeblasen. Zu gleichen Teilen herrschten in mir Missmut über seinen Vergleich und freudige Nervosität. Zwei Tage, zwei Tage!

       ***

      Ich lege den Stift aus der Hand und strecke meine Finger aus. Die Gelenke knacken. In den Muskeln wütet ein lieblicher Schmerz vom Halten des Schreibutensils. Ich schiebe den Stuhl zurück und stehe auf. Auch wenn ich äußerlich wie ein einunddreißig Jahre junger Mann aussehe, straft mein schmerzender Rücken dem Lügen. Ächzend richte ich mich auf, dehne und strecke mich. Es ist Zeit für eine Pause, denke ich und verlasse meinen Schreibplatz. Ich vertrete mir die Beine, indem ich langsam durch die Gänge meines unterirdischen Heims schlendere. Meine Fingerkuppen streichen über die kühlen steinernen Höhlenwände, denen durch das matte, gelbe Licht der Lampen an ihnen Wärme verliehen wird. Ich passiere die geschlossenen Türen der verschiedenen Räume, bis ich an die Treppe gelange, die hinauf in mein Büro führt. Ich gehe sie langsam hoch, verharre einen Moment lang auf ihr und schaue zurück auf dieses Wunderwerk, in dem ich leben darf. Es ist atemberaubend und einzigartig.

      Ehrgefühl steigt in mir auf. Ja, ich fühle mich privilegiert, es mein Zuhause nennen zu dürfen, und doch verspüre ich außer dem Wehmut und gar Einsamkeit, als ich die Stille wahrnehme, die die ganze Anlage erfüllt. Ich fühle mich mit einem Mal allein. So sehr, dass es mich zu überwältigen droht und ich das Geländer vor mir umfassen muss, um nicht zusammenzubrechen. Ich lege den Kopf in den Nacken, schließe die Augen und stoße ein Seufzen aus. „Nein“, hauche ich und schüttele den Kopf, „ich СКАЧАТЬ