Die Tagebücher des Michael Iain Ryan. Nadja Losbohm
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Название: Die Tagebücher des Michael Iain Ryan

Автор: Nadja Losbohm

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Tagebücher des Michael Iain Ryan

isbn: 9783752920550

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СКАЧАТЬ gewesen und die Sonnenstrahlen waren lediglich dünnen Fäden gleich in den Wald gefallen, die vom Tanz des Laubs gelegentlich unterbrochen wurden, wenn der Wind durch sie rauschte. Auf der Straße hatte sich das Verhältnis der Dinge gedreht. Während Sonne und blauer Himmel im Wald in der Minderheit gewesen waren, regierten sie davor die Welt. Und hatte der Wind darin noch vorgeherrscht, wehte außerhalb des Waldes keine angenehme Brise mehr. Die Luft stand förmlich und das, obgleich es noch früh am Morgen war. Der Tag würde heiß, stickig und unangenehm werden selbst für bretonische Verhältnisse. Das stand außer Frage.

      Ich behielt diese Gedanken für mich und äußerte nicht meine Beschwerden. Ich ließ auch keinen Seufzer los, der ausdrückte, wie sehr ich unter der Wärme litt, auch wenn ich es liebend gern getan hätte. Manchmal geht es nicht anders. Dann muss man einfach seufzen, was ein Stück weit Erleichterung bringt. Doch so sehr ich es auch wollte, ich unterließ es. Zum einen lag es daran, dass ich ungern noch mehr tun wollte, das Rousel in seiner Meinung bestärkte, ich war ein adeliger, verzogener Bengel. Zum anderen saßen de Forestier und ich in der Kutsche, wo es schattig war und wir, müde von den hohen Temperaturen, dösen konnten. Rousel hingegen saß in seinen dunklen, verdreckten und geflickten Kleidern auf dem Kutschbock in der prallen Sonne und musste die ganze Zeit über wachsam sein, um den Wagen sicher zu lenken. Da konnte ich es wohl ertragen, meine Seufzer in mir zu behalten, oder nicht?

      Dennoch war ich über die zahlreichen Pausen, die wir einlegten, froh. Noch mehr erfreute es mich festzustellen, dass wir dem Fluss, dem wir seit geraumer Zeit folgten und zu dem ich sehnsüchtig geblickt hatte, näher kamen. Seit ich zum ersten Mal das Glitzern auf der Wasseroberfläche und die Fische gesehen hatte, wie sie aus dem Wasser gesprungen waren, hatte ich mir gewünscht, es ihnen gleichzutun. Ich wollte auch in den Fluss springen, schwimmen und meine Geister wiederbeleben. Als Rousel schließlich den Wagen anhielt, konnte ich es kaum erwarten, aus ihm herauszukommen, musste jedoch warten, bis de Forestier ausgestiegen war. Immerhin war er der Bischof und der Vortritt gebührte ihm. Sobald er aber auf der Straße stand, gab es für mich kein Halten mehr. Natürlich stürmte ich nicht los, auch wenn mir danach war. Ich riss mich arg zusammen und ging gemäßigten Schrittes zum Flussufer. Dort angekommen hob ich den Saum meines Habits an und trat in das Wasser. Als es meine Knöchel und Waden umfloss, legte ich den Kopf zurück, lächelte und seufzte hörbar. Konnte es etwas Schöneres geben als das hier? Wohl kaum. „Herrlich, nicht wahr?“, ertönte de Forestiers Stimme neben mir.

      Ich sah zu ihm hinüber. Auch er stand mit den Füßen im Fluss und genoss die Abkühlung. Ich nickte und grinste. Ich fragte mich, ob Rousel es uns gleichgetan hatte. Ich blickte mich nach ihm um und fand ihn einige Schritte von uns entfernt am Ufer stehen. Es hätte mich schockieren müssen zu sehen, wie er seine Kutte auszog, unter der er wie der Bischof keine Brouche trug, sondern nur Beinlinge, die er abwickelte und in das Gras fallen ließ. Doch es erschütterte mich nicht. Nicht mehr. Ich fing allmählich an, mich an die Männer und ihren unbefangenen Umgang zu gewöhnen. Sie genierten sich nicht. Es machte ihnen nichts aus, wenn jemand sie so sah. Ich war weit davon entfernt, mich so zu geben wie sie, und ich war mir nicht sicher, ob ich es wollte. Aber gegen etwas Zwanglosigkeit war sicher nichts einzuwenden.

      Daher lachte ich nur, als ich dem haarigen Kutscher dabei zusah, wie er sich splitterfasernackt in den Fluss plumpsen ließ und bäuchlings durch das Wasser kroch, das kaum sein ebenso haariges Hinterteil bedeckte. De Forestier stimmte in mein Lachen ein und nahm sich kurzerhand ein Beispiel an Rousel. Auch er streifte Tunika und Beinlinge ab und plantschte fröhlich herum. Dass ich von übermäßig behaarten Männern umgeben war, die so anders aussahen als die Jungen, die ich im Kloster zu Gesicht bekommen hatte, erschreckte mich nicht. Doch der Anblick der Blessuren auf ihren Körpern tat es hingegen sehr. Ich hatte gewusst, dass sie, bevor sie mich von dem Kloster abgeholt hatten, eine Schlacht gefochten haben mussten. Die blauen Flecken, Prellungen und Platzwunden in ihren Gesichtern waren nach wie vor präsent. Aber ich hatte nicht daran gedacht, dass sich die Verletzungen auf ihre ganzen Leiber ausdehnten. Ob sie Schmerzen hatten? Falls ja, gaben sie es nicht zu erkennen. Ich kam nicht umhin, Bewunderung für sie zu empfinden deswegen. Doch auch etliche Fragen lagen mir auf der Zunge. Ich wollte wissen, wo sie gewesen waren, was geschehen war, gegen wen sie gekämpft hatten und ob das öfter vorkam, dass sie so zugerichtet wurden.

      „Komm schon, Michael, trau dich“, rief de Forestier.

      „Uhh?“, machte ich und blickte zu der Stelle, wo er im Wasser hockte und an meinem Habit zupfte. Für einen Moment dachte ich, er hätte gemeint, ich solle mich trauen, meine Frage laut auszusprechen. Gerade noch rechtzeitig erkannte ich, dass dem nicht so war. Ich lächelte und nickte. Ich konnte es selbst kaum glauben, dass ich es tat, aber so war es. Ich warf mein Mönchsgewand ab, ließ mich ins Wasser fallen und war vergnügt wie seit Jahren nicht mehr.

      ***

      Zuletzt hatte ich als achtjähriger Junge in der Natur gebadet. Damals mit meiner Maman. Ob der Gedanke an die unbeschwerte Zeit mit ihr in jenen Momenten in mir aufkam? Natürlich. Wie hätte er es nicht tun können? Ich sah nicht nur die Bilder aus meiner Kindheit. Ich hörte auch das helle, freudige Lachen meiner Mutter, das alle Trübsal aus meinem Kinderherzen vertrieben hatte, aber dessen Klang auch noch zehn Jahre später unsäglichen Kummer und schmerzliches Leid bewirkte. Dennoch ließ es mich in dem Fluss zusammen mit de Forestier und Rousel die Trauer vergessen, und ich genoss sowohl den Frohgemut, den ich verspürte, als auch die schönen Erinnerungen.

      ***

      „Ich hätte nichts dagegen, für den Rest meines Lebens hierzubleiben oder zumindest für den Rest des Tages“, seufzte ich und tauchte abermals der Länge nach ins Wasser ab.

      „Dieses Schicksal ist uns bedauerlicherweise nicht vergönnt“, rief de Forestier über mein Plantschen hinweg. Ich wälzte mich auf den Rücken und blieb auf dem aus Kieselsteinen bestehenden Flussbett sitzen. „So schön und erfrischend das Intermezzo war, es muss nun enden. Wir lagen von Beginn der Reise an hinter unserem Zeitplan, und unser Halt hier sorgt für weitere Verzögerung“, bemerkte er und stieg aus dem Wasser. Ich sah ihm mit gemischten Gefühlen nach. Einerseits hatte ich ein schlechtes Gewissen. Andererseits bedauerte ich es, dass die Laune des Bischofs sich gewandelt hatte von kindlichem Übermut zu erwachsener Ernsthaftigkeit und mir nicht fremder Pedanterie gegenüber dem zeitlichen Ablauf, über dessen Einzelheiten er mich im Ungewissen ließ.

      Was seine Pläne anbelangte, wusste ich lediglich, wohin die Reise führte: nach Concarneau und von dort nach Britannien, um das sich etliche fantastische und auch haarsträubende Mythen ranken. Zumindest für mich, der nur in seinen Träumen und Gedanken gereist war. Nuschelnd tat ich mein Bedauern kund, leistete aber Gehorsam und kletterte ans Ufer. Während ich meine Kleider einsammelte, trocknete meine Haut im brennenden Sonnenschein. Die Tropfen verdampften regelrecht zischend, sodass ich annähernd trocken in meine Kleider schlüpfte. Nicht viel später als die beiden anderen wieder bekleideten Männer war ich zurück beim Kutschwagen und setzte mich gegenüber von de Forestier auf meinen Platz. Rousel rief den Pferden ein Kommando zu. Die Zügel peitschten auf ihre Rücken. Sie antworteten dem Kutscher mit einem Wiehern und trabten los. Ruckelnd fuhr der Wagen los und eine weitere schweißtreibende Hitzeschlacht für Mensch und Tier begann.

      4. Kapitel

      Es dauerte nicht lange, bis mich das stetige Schaukeln der Kutsche und die Monotonie der am Fenster vorbeiziehenden Landschaft schläfrig machten. Immer wieder fielen mir die Augen zu, ob nun aus diesen Gründen oder weil ich einiges an Schlaf in meinem Leben nachzuholen hatte. Ich kannte derlei nicht: Eintönigkeit und Langeweile. Im letzten Jahrzehnt war jeder meiner Tage einem strengen Ablauf gefolgt, von dem es kein Abweichen gegeben hatte. Wenn ich an einen Moment der Untätigkeit denken sollte, fiel mir keiner ein. Ich gähnte herzhaft und setzte mich etwas aufrechter hin in der Hoffnung, dass es der Müdigkeit entgegenwirkte.

      „Hast СКАЧАТЬ