RUNNING. Lillie F. Leitner
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Название: RUNNING

Автор: Lillie F. Leitner

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738059298

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СКАЧАТЬ nicht, was mit dem Haus los ist. Wir wohnen jetze fast ein Jahr hier, und das Haus da ...“, er weist mit dem Kinn hinüber, „steht nü schon zum dritten Mal leer.“ David wippt auf den Zehen.

      Karl wirft ihm einen Seitenblick zu und nimmt ihn zum ersten Mal, seit er hier im Haus lebt, bewusst wahr. David ist fast einen Kopf kleiner als er selbst, sehr schmal, nahezu zart gebaut. Karl hat mit David nie viel zu tun gehabt. Auch mit seiner Schwester ist der Kontakt nicht sehr eng gewesen – man hatte sich vielleicht mal bei dem einen oder anderen Familientreffen von Weitem gesehen. Richtig geredet hat er mit David die ganzen Jahre lang nicht, fällt ihm jetzt auf. Er überlegt, ob David auch kleiner ist als Michaela – bisher hat er darauf nicht geachtet.

      David ist die ganze Zeit über praktisch ein Niemand gewesen. Jetzt, wo Karl darüber nachdenkt, fällt ihm auf, dass die Ehe zwischen Michaela und David sich allein dadurch bemerkbar gemacht hatte, dass Michaela sich veränderte. Plötzlich trug sie nur noch Trachtenkleidung. Ob das Davids Idee war? Wäre ja merkwürdig – schließlich kam er aus dem Osten, nicht aus Bayern ...

      Genau wie sein Körperbau sind auch Davids Gesichtszüge sehr fein, fast feminin. Er trägt eine unmoderne, weil viel zu große Brille, die aussieht, als sei sie noch aus den Siebzigern übrig geblieben. Ordentlich getrimmte Koteletten und ein Schnäuzer spenden eine Illusion von Männlichkeit in dem weichen Gesicht. Davids volles Haar, früher kräftig rot, jetzt langsam blasser werdend, ist inzwischen von grauen Strähnen durchzogen. Er trägt es altmodisch glatt zurückgekämmt. Allerdings sind die Haare ziemlich dick, oben und hinten länger, was seinem Kopf Volumen gibt. Die Konturen sind jedoch penibel gestutzt, so wie es früher, vor rund 40 Jahren, modern war.

      Karl seufzt. Die sind schon ein Pärchen, die zwei!

      „Ich dachte, ich geh‘ heute mal später zur Arbeit. Hab‘ noch Überstunden abzufeiern, und der Haushalt hier hat‘s dringend nötig.“

      Schweigen.

      „Weeßte, Michaela allein kann das hier goar nich schaffen, wo sie doch so viel arbeitet in ihrer Beratungsstelle. Was die an Überstunden macht, das geht auf keine Kuhhaut. Aber se will das so. Sie wollte das immer.“

      David schaut Karl von der Seite an, aber der guckt weiter aus dem Fenster, zieht allerdings eine Augenbraue hoch.

      „Sie ist doch da in diesem Verein seit Jahren immer schon ehrenamtlich tätig gewesen, weißt du noch. In dieser Beratungsstelle für Suchtkranke. Offiziell durfte sie da ja nur Kaffee kochen. Und sie ist doch immer so gern hingegangen, se hilft ja so gerne, das is‘ eem’nt ihr Ding. Dann hat se so Wochenend-Lehrgänge gemacht, und letztes Jahr ‘n Abschluss, un‘ dann hat’s geklappt. Super, ne?“

      Karl zeigt keine Reaktion. Eine Weile Schweigen.

      Versunken schauen beide zu, wie ein Mann mit einem Handkarren, an dem das rechte Vorderrad mit lautem Quietschen eiert, aus dem Sperrmüllberg noch schnell drei Stühle abtransportiert.

      „Wir Männer sin ja sowas von unbeholfen!“, erklärt David zusammenhanglos. „Un‘ Michaela is ja ooch so praktisch veranlagt! Sofort sieht sie uff een Blick, was nötig ist. Guck ma‘, ich wär im Leben nich druff jekommen, dass de ooch neue Klamotten brauchs‘.“ David verfällt stärker in seinen Dialekt. „Und bevor ich nachdenke, hat se se schon jekooft. Dat find ich immer wieder gut an Michaela, dasse so praktisch is.“

      Karl mustert David länger von der Seite, schaut dann wieder aus dem Fenster.

      „Sieht doch jut aüs, was de da anhast!“

      Karl runzelt die Stirn.

      „Ja, findste nich‘?“

      Karl findet die Klamotten erbärmlich. So konnte man vielleicht einen 70-Jährigen einkleiden. David selbst hat bestimmt ähnliche Sachen. Und seinem Geschmack sind bestimmt auch die scheußlichen Eichenmöbel zuzuschreiben, die überall im Haus herum stehen. Davids Geschmack musste in der DDR-Zeit stehengeblieben sein – aber was geht das ihn, Karl, an.

      Er zuckt bloß die Schultern.

      Nach einer Weile: „Guck ma!“, David weist mit dem Kinn nach draußen, ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen. „Gestern Am’nd war der Möbelberg da noch doppelt so groß. Alles neue Sachen. Jetze is nur noch der ganze Müll übrig.“

      Beide beobachten, wie der Mann mit dem leeren Handkarren zurückkommt und einen kleinen Schrank und eine Stehlampe auflädt. Mit lautem Quietschen rollt er seine Beute davon.

      „Un‘ rechts dane’em“, David weist mit dem Kopf hinüber, „rechts dane’em wohnen de Russen. Oder de Polen, weeß nisch jenau. Der sitzt den ganzen Tag im Garten un‘ poliert de Blumentöppe. Hat wohl nüscht zu tun, der Mann.“

      Karl nickt.

      „Un‘ weeßte, was das Komischste is. Die ham de tollsten Holzgartenmöbel uff de Terrasse stähn. Jedes Frühjahr wer’n se neu lackiert. Aber immer n Schutzbezug aus Plastik drüber. Sitzn tün se üff de Füßbonk. Zum Roochen.“

      Ein Sperrmüllwagen fährt vor, Sperrmüllmänner laden Sachen ein. Wenn genug eingeladen ist, drückt einer auf einen Knopf, und das Mahlwerk mahlt alles klein.

      „Uuuuuh! Das klingt wie Knochenknacken, wie? Unangenähm.“

      Karl nickt langsam. Dreht sich um und geht.

      David steht am Fenster und schaut.

      Karl lebt ohne Zeit, eine Uhr besitzt er nicht. Er orientiert sich an den Geräuschen im Haus. Morgendliches Wasserrauschen bedeutet, es ist ungefähr 6 Uhr – David duscht. Nachfolgendes Geklapper aus der Küche und weiteres Wasserrauschen – es ist 6.30 Uhr: Michaela duscht, während David das Frühstück zubereitet. Auf abendliches Wasserrauschen ist hingegen kein Verlass, abends sind die Duschzeiten variabel.

      Küchengeräusche und Dunstabzugshaube am Nachmittag heißt 17.30 Uhr: Einer von beiden bereitet das Abendbrot. Auf- und Zuklappen der Zimmertür nebenan: entweder 19 oder 21 Uhr, denn nebenan ist Davids Büro, in das er sich allabendlich zurückzieht. David macht sich nichts aus Fernsehen.

      Wenn morgens mit leisem Sirren das elektrische Garagentor hochfährt, ist es 7.30 Uhr. Michaela steigt auf ihr Fahrrad, David setzt sich in seinen auf Hochglanz polierten Mercedes und fährt davon. Automatisch schließt das Garagentor mit dem gleichen Sirren.

      Anschließend ist Ruhe im Haus, Karl entspannt sich. Oft schläft er dann erst richtig fest ein. Heute Morgen jedoch ist er wach. Er verschränkt die Arme hinter dem Kopf und starrt an die Decke, wo Kreise tanzen – das herein flutende Sonnenlicht wirft Schatten des Gardinenmusters. Frische Luft strömt durch das gekippte Fenster. Karl bemerkt zum ersten Mal seit Wochen, wie gut das riecht, es riecht nach Sommer.

      Von der Straße her hört Karl leise Geräusche, und von ganz weit her das Dröhnen eines Rasenmähermotors. Da ist jemand früh draußen aktiv.

      Karl hört auch, wie der Müllwagen in die Straße einbiegt und anhält, das Brummen der Hebeautomatik und das Klappern der Tonnen, die zur Entleerung gekippt werden. Karls Blick fällt auf seine neuen Sachen, die Michaela ihm zum Anziehen gekauft hat. Gestern Abend hat er sie ordentlich gefaltet und auf den Stuhl gegenüber seinem Bett gelegt, die Hose über die Lehne gehängt. Unter dem Stuhl stehen akkurat nebeneinander die neuen Schuhe. Die sind bequem und passen wie angegossen, sehen jedoch mit ihrer obenauf umlaufenden Naht scheußlich aus.

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