RUNNING. Lillie F. Leitner
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Название: RUNNING

Автор: Lillie F. Leitner

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738059298

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СКАЧАТЬ sie sich der aufgeschlagenen Akte zu, die vor ihr liegt, tippt die Aufforderung an ihren Sekretär in ihr iPad, er möge den nächsten Mandanten hineinbitten.

      Zügig öffnet sich die Tür, und herein kommt ein asiatisch aussehender Mensch mit zwei weiteren asiatisch aussehenden Menschen im Schlepp, alle drei tadellos in Maßanzüge gekleidet.

      Max wuchtet ihr nicht unerhebliches Gewicht aus dem bequemen Stuhl, den sie extra für ihre Bedürfnisse hat anfertigen lassen. Sie geht dem Klienten und seinen Begleitern entgegen. Sie begrüßt alle drei mit Handschlag und fordert sie mit einer Geste auf, in der rotledernen Sitzgruppe, die sich in einer Ecke ihres geräumigen Büros befindet, Platz zu nehmen.

      Platz nimmt jedoch lediglich der Chef; seine zwei Lakaien stellen sich in gebührendem Abstand hinter ihm auf.

      Max holt Unterlagen und Stift dazu und setzt sich ihrem Mandanten gegenüber. Sie lächelt ihn an, er lächelt zurück. Sie bietet Kaffee und Tee an, er lehnt mit einer herrischen Geste ab.

      „Was du gemach um mich frei zu mache von Gefängnis?“, erkundigt er sich höflich.

      Max senkt den Kopf ein wenig, weiterhin bleibt sie freundlich, runzelt jedoch fragend die Stirn – ein sicheres Verfahren, um ihrem Gegenüber zu signalisieren, dass er sich auf dem Holzweg befindet.

      „Was hast du gemach um mich frei zu mache von Gefängnis?“, rattert der Mann im selben Tonfall.

      „Herr Chang, ich verstehe nicht recht?“

      Max zieht die Augenbrauen zu einer steilen Falte zusammen, jetzt nicht mehr ganz so freundlich.

      „Was du gemach?“, fragt Herr Chang erneut, nun auch nicht mehr ganz so freundlich.

      Max setzt sich gerader hin und zeigt ihm ein reserviertes Gesicht.

      „Wenn ich mich recht erinnere, Herr Chang“, holt sie in kühlem Tonfall aus, „habe ich Sie erst letzte Woche aus der Justizvollzugsanstalt herausgeholt. Der Haftbefehl wurde außer Vollzug gesetzt; Sie sind jetzt auf freiem Fuß. Nun warten wir auf Ihre Gerichtsverhandlung.“

      „Was du sonst noch gemach, außer warte?“

      Max räuspert sich und lässt sich mit ihrer Antwort etwas Zeit, um dem, was sie nun sagt, mehr Gewicht zu verleihen.

      „Herr Chang, es gibt jetzt im Moment nichts weiter zu tun, als zu warten und sich auf die Verhandlung vorzubereiten. Heute wollen wir Ihre Verteidigungsstrategie besprechen, deswegen sind Sie hier."

      Und als Herr Chang den Kopf schüttelt:

      „… oder?“

      "Ich dir nich zahle viele Geld für nichts tun. Ich mir andere Verteidiger suche.“

      Verkündet Herr Chang und steht aus seinem Sessel auf.

      Bevor Max noch etwas erwidern kann, ist er mit seinem Geschwader schon an der Tür.

      Max hat sich ebenfalls erhoben.

      „Dann mal alles Gute, Herr Chang“, ruft sie ihm nach, während die Tür zuklappt, und kehrt kopfschüttelnd an ihren Schreibtisch zurück.

      Das wird ein interessanter Tag, wenn es so weiter geht.

      Schade. Gern hätte sie den Boss der chinesischen Unterwelt in Münster verteidigt, das hätte ihr bestimmt gute Publicity eingebracht. Andererseits: Die Strafe würde saftig ausfallen, von einem Freispruch gar nicht zu reden. Sie hatte den Mann nur unter erhöhten Auflagen vorübergehend frei bekommen. Für einen schlechten Prozessausgang würde sie vielleicht auf andere Weise büßen müssen – man konnte nie wissen, was diesen Leuten alles einfiel. Deswegen konnte man auch nicht genau sagen, ob es gut oder schlecht war, ein Mandat zu verlieren. Und wenn der Mandant sich erst mal entschieden hatte, den Verteidiger als Feind statt als Freund zu betrachten, war sowieso nicht mehr viel möglich.

      Max sagt sich, dass dies eine positive Wendung sei, und wer weiß, was ihr erspart bleibt. Denn egal, wie sie es findet: Es ist sowieso nicht zu ändern. Sie tippt eine Anweisung für ihren Sekretär ins iPad: „Rechnung für Herrn Chang fertig machen, die üblichen Gebühren, das volle Honorar bis heute berechnen und noch 500 € hinzuaddieren.“

      Die Rechnung nicht zu bezahlen, würde er sich wahrscheinlich nicht erlauben.

      Karl öffnet die Augen. Zimmerdecke und Wände bewegen sich.

      Genauer betrachtet, sind es die Schatten der Gardinen, mit denen seine Schwester das Haus im Allgemeinen und dieses Zimmer im Besonderen ausgestattet hat. Sie bauschen sich im Luftzug, der durch das geöffnete Fenster kommt. Jedes Mal, wenn ein Windstoß hereinweht, tanzen Kringel an der Wand.

      Während Karl das lautlose Gleiten dort oben beobachtet, steigt ein schüchternes Wohlgefühl in ihm auf. Nicht schlecht, in einem Bett zu liegen, das nach frisch gewaschenen Laken riecht und aus dem einen keiner vertreibt, in einem Haus, das frühmorgens nicht geräumt werden muss.

      Irgendwie ist es auch merkwürdig: Erwachen im Jugendzimmer seines Neffen, der, hier längst ausgezogen, das Zimmer einer Wohngemeinschaft in derselben Stadt bewohnt. Der legt jetzt wohl keinen Wert mehr auf Übernachtungsmöglichkeiten im Hause seiner Eltern. Dieser Umstand kommt ihm, Karl, zugute. Ob das eine glückliche Fügung ist – man weiß es nicht.

      Karl kämpft sich hoch, versucht, den schrillen Schmerz in seinem Kopf zu ignorieren. Wie spät es wohl ist? Er sieht an sich herunter, entdeckt sich im gestreiften Pyjama mit viel zu kurzen Ärmeln und Beinen – der gehört bestimmt seinem Neffen. Oder seinem Schwager? Egal. Karl schaut sich um. Wo zur Hölle sind seine Sachen?

      Nichts davon in Sichtweite – bestimmt hat seine sauberkeitsfanatische Schwester sie erst mal zum Desinfizieren gegeben. Nun gut. Dann muss es auch ohne gehen.

      Als er die Treppe herunter kommt, sieht er durch eine halb geöffnete Tür den braunen Haarschopf seiner Schwester neben ihrem Mann am Frühstückstisch sitzen.

      Ihn bemerkend, springt sie auf und äußert ein schrilles Geräusch, das in seinem Schädel grässlich widerhallt.

      „Oh, nein! Du solltest doch liegen bleiben!“, intoniert sie durchdringend.

      Karl verzieht das Gesicht. Hat sie schon immer diesen hoch keifenden Tonfall gehabt?

      „Ich hätte dir dein Frühstück schon noch gebracht ... Ich war bloß noch nicht so weit ...“, rechtfertigt sie sich und springt auf.

      Er brummt, in der Hoffnung, sie werde endlich schweigen. Diese Stimme ist mehr, als er glaubt, seinem Schädel in dieser morgendlichen Verfassung zumuten zu können.

      Doch aus der benachbarten Küche tönt es weiter:

      „Du sollst aber noch nicht aufstehen, der Doktor hat gesagt, du sollst mindestens noch drei Tage im Bett bleiben ...“ Sie verstummt, da er sich einen Stuhl greift, um sich mit an den Tisch zu setzen. Schon kommt sie mit einem weiteren Gedeck herbeigeeilt.

      „Dü host sischer Hüngor“, knödelt der sächsische Großvater, den Michaela geehelicht hat. Mann – der Dialekt kann einem glatt die Schuhe ausziehen! Wenn man denn welche hätte.

      „Kreif СКАЧАТЬ