Die Träume von Macht. Eckhard Lange
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Название: Die Träume von Macht

Автор: Eckhard Lange

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Antike Sagen - für unsere Zeit erzählt

isbn: 9783738083774

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СКАЧАТЬ von Fürsten und Helden, von Völkern und Kulturen. Ja, es gab sie immer noch, diese Träume in seinem Inneren, ob nun hochfahrend oder voll düsterer Schwermut. Aber er wußte, daß alle Träume nur Nährboden eines Willens sind, sie auch wahr werden zu lassen. Jedenfalls seine Träume.

      Er war wieder sehr allein. Den geheimen Bund hatte er bereits vor zwei Jahren aufgelöst, die pubertären Spiele galten ihm nichts mehr. Aber seine tief verwurzelte Sehnsucht, Macht auszuüben, zu herrschen nicht nur über sich selbst, sondern auch über andere, sie war geblieben, subtiler vielleicht, aber kräftiger und fordernder als je zuvor. Doch ihm blieb die Frage, welche Zwecke, welche Ziele er damit verbinden wollte. Auf solche Fragen hatte er mancherlei Antworten gefunden und auch wieder verworfen im Laufe der Jahre. Es war ja nicht bloßer, gewöhnlicher Egoismus, sondern eben dieser Traum vom Heldentum, der seine Machtfantasien beherrschte. Und Helden waren schon immer zwar strahlende, aber auch tragische, scheiternde Gestalten. Das wurde ihm an diesem regendüsteren Vormittag von neuem bewußt.

      Die Stunde war zuende, der Lehrer schlich sich hinaus, die Mitschüler trotteten hinterher. Thessi blickte ihnen nach, ohne sich zu bewegen. Und plötzlich, absolut unerwartet durchzuckte ihn in diesem Augenblick eine Erkenntnis: Es ist nur noch ein gutes Jahr, bis die großen Klausuren für das Abitur beginnen würden. Die ersten Zensuren standen ja jetzt schon fest, und über die wichtigsten würde in den kommenden Monaten entschieden. Er hatte sich bislang all die Jahre treiben lassen. Er kannte seine Qualitäten, was sollte er andere davon überzeugen. Wichtig war ihm nur, nicht noch ein Jahr zu wiederholen. Er war jetzt schon wesentlich älter als alle anderen in der Klasse.

      Aber plötzlich kam ein neuer Gedanke. Was auch immer werden würde, wenn er die Schule verließ - er hatte daran kaum je einen Gedanken verschwendet, trotz aller Träume - er wollte alle Optionen haben. Und er wollte jetzt, zum Schluß, allen zeigen, daß er ihnen überlegen war - nicht nur den Mitschülern, auch denen, die sie unterrichteten. Wenn auch Wissen eine Macht darstellt, dann werde ich meine Macht demonstrieren, sie in Erstaunen versetzen, sie ehrfürchtig erstarren lassen. Sie werden mir Zensuren ins Abgangszeugnis schreiben, die ihnen die Hand zittern läßt, weil sie an sich selber zweifeln müssen, an ihren Fähigkeiten, an ihrem Urteil. Die Psychologin von einst kam ihm in den Sinn, ihre Analysen, und dann auch ihr sinnliches Interesse an seiner Person, seiner Gestalt, seinem Körper, das er deutlich gespürt und das er deshalb so oft herausgefordert hatte. Ja, ich bin allen überlegen, und ich werde das beste Zeugnis erhalten, das diese Schule je gesehen hat. Ein neuer, prickelnd schöner Traum, der in die Wirklichkeit drängte.

      Und so begann er zu planen, besorgte sich den amtlichen Lehrplan für das letzte Schuljahr, blätterte aufmerksam durch die Schulbücher und vertiefte sich dann in den unermeßlichen Wissensschatz, den ihm das Internet bot. Mit Leichtigkeit speicherte er nicht nur die notwendigen Informationen, er erarbeitete sich zu jedem Thema, zu jeder Unterrichtseinheit seine eigenen Fragen und Antworten, mit denen er die Lehrkräfte in Erstaunen und auch in Verlegenheit zu bringen gedachte. Immer war er ihnen voraus mit seinem Wissen, seiner Wiedergabe von Fakten, aber auch mit seiner Art, alles kritisch zu hinterfragen, Gedanken in neue Welten weiterzuführen und dort nachzufragen, wo Lehrerwissen schon ans Ende geraten war.

      Präzise bereitete er alle noch ausstehenden Klausuren vor, schloß Denkfehler aus und verinnerlichte den nötigen Stoff. Der Erfolg war eindeutig: Null Fehler, intelligente Darbietung, originelle Lösungswege, erstaunliche sprachliche Qualität, selbständige Erarbeitung, weiterführende Gedanken, tiefschürfende Erörterung - die lobenden Schlußbemerkungen, die mancher Lehrer anfangs nur widerwillig neben die Zensur setzte, wurden zum Standard. Seine Arbeiten wurden auf Konferenzen beraten, hier und da an die entsprechenden Fachbereiche mancher Universitäten weitergereicht, fanden Eingang in wissenschaftliche Zeitschriften. Es war, als ob ein unbekannter Komet am Himmel dieser mittelmäßigen Schule aufgetaucht, als ob ein neuer, hochbegabter Schüler dorthin gewechselt sei. Aber hatte man das nicht schon immer geahnt, ja eigentlich auch schon gewußt? Wer wollte zugeben, ein solches Talent nicht erkannt, nicht gefördert zu haben! Und Thessi spürte die Macht, wieder einmal, die er mit allem über diese Frauen und Männer gewonnen hatte, die sich hinter den Türen der Lehrerzimmer vor ihm verbargen.

      Einzig einer dort blieb mißtrauisch, ablehnend, boshaft. Mag sein, er fühlte sich betrogen, aber alle Nachforschungen konnten nichts dergleichen beweisen. Mag sein, er war gekränkt von der selbstbewusst überlegenen Art, mit der dieser Schüler ihm gegenüber auftrat. Mag auch sein, daß purer Neid auf den Besseren ihn in diese hoffnungslose Gegnerschaft trieb. Aber Thessi nahm den Fehdehandschuh auf, und es wurde ein Kampf auf Leben und Tod.

      Wollte jener einen Fehler entdeckt haben, bewies ihm Thessi das Gegenteil. Wollte er ihn bloßstellen, gab ihn Thessi dem Gespött der Klasse preis. Legte er gegen irgendeinen Konferenzbeschluß, der Thessi betraf, Widerspruch ein, brachte Thessi ein Rechtsgutachten über einen ähnlichen Fall bei, das dem Protest jegliche Legitimation entzog. Immer erbitterter wurde der Streit ausgetragen, und Thessi empfand ihn als das, was er in Wirklichkeit auch war - ein Kampf um die Macht, um Herrschaft über den anderen. Und da gab es keinen Vergleich, keine Versühnung, nur Triumph und Untergang.

      Um eine endgültige Niederlage herbeizuführen, um voll und ganz zu obsiegen und den anderen zu vernichten, dazu reichte der schulische Kampfplatz nicht aus. Und Thessi wollte den totalen Sieg. Er sollte ihn bekommen, auch wenn er sich selbst dabei fast verraten hätte.

      Jener Lehrer hatte eine Tochter, Perry, die in die zehnte Klasse ging. Niemand wußte, ob dies ihr wirklicher Name war, aber alle nannten sie so. Ihr glattes, hellblondes Haar ließ sie seit Jahren wachsen, trug sie es offen, reichte es weit über die Schulterblätter hinaus. Aber meist hatte sie es mit einer Klammer zusammengefaßt, und manchmal flocht sie es auch zu Zöpfen und sah dann überraschend kindlich aus, obwohl sie durchaus bereits eine höchst weibliche Figur hatte. Abgesehen von diesen Rundungen war sie schlank, angefangen von den Beinen bis hin zu einem schmalen Gesicht. Fast alle Jungen ihrer Klasse umschwärmten sie, doch sie nahm deren Huldigungen nur kühl und distanziert entgegen. Niemand wußte, ob sie vielleicht außerhalb der Schule einen Freund hatte. Doch das war nicht der Fall.

      Thessi hatte, so erstaunlich das scheinen mag, bisher keinerlei Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht, jedenfalls keine, die auf körperlichen Kontakten beruhten. Ihm hatte stets gereicht, was ihm seine Träume boten, und das war bisher auch weit ausschweifender, als eine armselige Wirklichkeit versprechen konnte. Auch Perry war gelegentlich seinen Fantasien zum Opfer gefallen, wenn er sie auf dem Schulgelände mit ihren Freundinnen tuscheln und kichern sah. Doch jetzt war eine neue Situation. Er wollte auch hier wissen, statt nur zu träumen; und er wollte sie, die Tochter seines Feindes.

      Er begehrte dieses Mädchen, das so unschuldig schien und doch so reif war, wie eine herbstliche Frucht, die endlich gepflückt werden muß. Er begehrte sie um ihrer selbst willen, ihres Körpers und ihres Lachens willen. Aber er wollte sie auch besitzen um ihres Vaters willen, über sie Herrschaft gewinnen, sie der eigenen Gewalt unterwerfen, um die väterliche Gewalt machtlos und lächerlich zu machen.

      So sprach er sie in einer Pause einfach an, und da er inzwischen an der gesamten Schule - wieder einmal, muß man wohl sagen - als außergewöhnlich und irgendwie auch geheimnisvoll galt, empfand sie diese Begegnung mit dem wesentlich älteren als Auszeichnung, als Ehre. Außerdem war er ein gutaussehender junger Mann mit einer muskulösen Statur, einem ebenmäßigen Gesicht, das nicht nur von einem dunkelblonden, lockigen, halblangen Haarschopf, sondern seit kurzem auch von einem durchaus kräftigen, aber gepflegt kurzgeschnittenen Bart gerahmt war. Thessi lud sie nach dem Unterricht in ein Café ein, und sie sagte zu, ohne sich anstandshalber ein wenig zu zieren, wurde dabei ein wenig rot, was er selbstgefällig vermerkte.

      Sie saßen einander gegenüber, tranken einen café crème und Thessi dozierte, während Perry stumm, aber andächtig lauschte. Später wechselte er an ihre Seite, legte ihr vertraulich die Hand auf die Schulter, und er spürte ein leichtes Zittern. Ein Spaziergang durch den Park schloß sich an, sie gingen bereits Hand in Hand, und Thessi gab einige СКАЧАТЬ