Die Träume von Macht. Eckhard Lange
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Название: Die Träume von Macht

Автор: Eckhard Lange

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Antike Sagen - für unsere Zeit erzählt

isbn: 9783738083774

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СКАЧАТЬ auf den Thessi gesetzt hatte. Widerstandslos ließen sie sich die Hände auf den Rücken binden, auf die Ladefläche heben und dort auch an den Füßen fesseln.

      Erst als der Wagen im Hohlweg hielt, wurde ihnen bewußt, daß ihnen Schlimmes bevorstand. Aber die Gegenwehr der Gefesselten blieb wirkungslos, die Jungen hoben sie herab und trugen sie schweigend hinter den Knick, an die Stelle, die ihnen Thessi ebenso schweigend wies. Da man ihnen wegen der Stricke die Kleidung nicht ausziehen konnte, zerschnitt Thessi langsam und gestenreich den Stoff mit einem Messer, riß Stück für Stück vom Körper und warf alles auf einen Haufen. Noch immer wurde kein Wort gesprochen, auch die beiden jugendlichen Täter zogen es vor zu schweigen, eine Rechtfertigung erschien ihnen ebenso sinnlos wie eine Bitte um Gnade. Erst als sie bis auf den Slip entkleidet waren, stellte sich Thessi zwischen die beiden und begann zu sprechen, ruhig und bedeutsam:

      "Es ist leicht, einen Schwächeren zu fangen, wenn man in der Überzahl ist. Was ihr mit dem Kleinen getan habt, tun wir jetzt mit euch. Es ist leicht, ihn zu quälen, wenn man ihn in der Gewalt hat. Was ihr hier mit ihm getan habt, tun wir nun mit euch." Er stieß den ersten mit dem Fuß an und schob ihn auf den Graben zu, bis er in den Brennesseln versank. Er zog sich Lederhandschuhe an, um sich zu schützen, dann wälzte er ihn hin und her. Dann befahl er: "Holt ihn heraus. Und übernehmt den andern!" Die Jungen gehorchten, überwältigt vom Schauer des Geschehens und dem tiefen Ernst, in den Thessis Worte alle versetzt hatten. Als beide wieder auf dem Ackerboden lagen, winkte Thessi vier Jungen heran und bedeutet nur durch Zeichen, Zigaretten anzuzünden. Sie taten es ängstlich und schweigend. Dann trat er wieder zwischen die beiden und sagte: "Es ist leicht, einen Wehlosen zu foltern. Was ihr mit eurem Opfer getan habt, tun wir jetzt mit euch." Er nahm eine der brennenden Zigaretten und drückte sie langsam gegen die Brust des ersten, bis der aufstöhnte. "Sechsmal habt ihr einem Kind Schmerzen zugefügt, zweimal sechsmal sei eure Strafe."

      Thessi bedeutete den Rauchern, mit der Tortur fortzufahren. Sie wagten nicht, sich zu verweigern. Zögernd drückten sie ihre Zigaretten auf die sich windenden Körper, rauchten ein paar Züge, um neue Glut zu entfachen und sich zugleich zu beruhigen, dann setzten sie die Folter fort, bis jeder der beiden Gefesselten zwölf Brandmale aufwies. Das alles vollzog sich unter absolutem Schweigen der vermummten Rächer. Man hörte nur den schnellen Atem der Gequälten und ihr Stöhnen, wenn die Glut auf ihre Haut traf. Dann sagte Thessi, und jeder spürte, daß es ihm bitterer Ernst war: "Euer Opfer hat euch nicht verraten. Gerechtigkeit geschieht auch ohne das. Aber wenn ihr versuchen solltet, euch trotzdem an ihm zu rächen, dann wird euer Urteil auf Tod lauten, langsamen, qualvollen Tod. Und die Diener der Gerechtigkeit werden euch finden, überall."

      Darauf nahm er eine der Zigaretten und hielt einen Fetzen Papier daran, bis er aufflammte. Vorsichtig trat er an den Haufen mit den zerschnittenen Kleidern, ergriff ein Stück Stoff und hielt es in die Flamme, bis es Feuer fing. Er warf es auf den Haufen und wartete. Langsam loderten Flammen auf, der Haufen brannte nun lichterloh.

      "Es ist leicht, einen Hilflosen seiner Kleider zu berauben. Was ihr ihm getan hat, tun wir euch. Aber wir nehmen nicht, um zu besitzen. Gebanntes ist es und gehört nur einem: der Gerechtigkeit, der wir dienen." Reglos standen alle um das Feuer, sahen zu, wie die Flammen den Stoff verkohlten, bis sie keine Nahrung mehr fanden und verloschen. Dann nahm Thessi noch einmal sein Messer zur Hand. Er zerschnitt den beiden die Fußfesseln und wandte sich ein letztes Mal an sie: "Bis hundert mußte er zählen, bis zweihundert zählt ihr laut und deutlich, bevor ihr euch vom Boden erhebt." Er winkte seinen Anhängern, und sie verließen schweigend den Ort der Rache. Als sie sich den ersten Häusern näherten, nahmen sie die Masken vom Gesicht und gingen gesenkten Hauptes, aber erfüllt von dem Gedanken, eine nahezu heilige Handlung vollzogen zu haben, nach Hause. Thessi aber blieb, das Messer in der Hand, und lauschte auf die Zahlen der beiden, bis sie die zweihundert fast erreicht hatten. Dann wand er sich durch die Hecke, startete den Wagen und fuhr ihn dorthin zurück, wo er ihn gestohlen hatte.

      Niemand von den Jungen erzählte etwas von dieser Nacht, und doch verbreitete sich bald das Gerücht, daß jemand die Tat bestraft hatte. Vielleicht kam es aus der Arztpraxis, wo einer der beiden seine Brandwunden behandeln lassen mußte, und obwohl er eine Ausrede erfand, konnten sich Arzt und Helferinnen ob der Ähnlichkeit der Fälle denken, wo hier der Zusammenhang bestand. Aber auch sie sahen keinen Anlaß, die Polizei zu verständigen. Die Tat war gesühnt, mag man es auch Selbstjustiz nennen. Und dem Opfer war Gerechtigkeit geworden - anders als erwartet, aber so, dass Ähnliches wohl so bald nicht geschehen würde in dieser Stadt. Als das Gerücht auch das Lehrerkollegium erreichte, dachte mancher an Thessi und seine Gruppe, aber bloßer Verdacht war schließlich kein Beweis - und außerdem: Der mißhandelte Fünftklässler schien Schmerzen und Schock wohl auch dadurch überraschend schnell überwunden zu haben. Und die Täter zu finden war doch schließlich Sache der Polizei. Aber die nahm keine Notiz von solchen Gerüchten. Erfuhren die Beamten nichts, oder wollten sie nichts hören? Jedenfalls legte man den Fall bald als ungeklärt zu den Akten.

      Thessi wartete über eine Woche, bis er ein neues Treffen seines Geheimbundes anberaumte. Er wollte den Mitgliedern Zeit geben, um das Erlebte zu verarbeiten, aber in Wahrheit brauchte auch er diese Zeit, um der Erregung Herr zu werden, die ihn ergriffen hatte, um das Gefühl vollkommener Macht über Leben und Tod in sein Gedächtnis einzugraben und seine Träume vom rächenden Helden mit der Wirklichkeit zu verbinden. Auf den Zusammenkünften der Gruppe wurde übrigens kein Wort mehr über die nächtliche Aktion verloren, nur das Selbstbewußtsein der Jungen war seitdem sichtbar gewachsen, und je größer der Abstand, desto mehr fühlten sie sich als Helden, als Rächer, als Diener der Gerechtigkeit, wie es Thessi gesagt hatte.

      Die Heldentat

      Es währte nicht lange, daß Thessi diesen Erfolg wirklich genoß. Sicher - der Angriff des gesamten Bundes auf die beiden weit unterlegenen Gegner hatte vor allem symbolische Bedeutung, sollte er doch die Feigheit, die in solchem Vorgehen sich offenbarte, als solche brandmarken. Außerdem hatte er alle Mitglieder noch enger zusammengeführt und noch stärker zum Schweigen verpflichtet, denn schließlich hatte jeder von ihnen selbst Unrecht getan, um das Unrecht zu strafen. Und die fast schon schamanen- gleiche Handlungsweise ihres Anführers hatte einen tiefen Eindruck, ja eine irgendwie religiöse, angstbesessene Scheu vor Thessi zur Folge.

      Und doch - es waren in seinen Augen nicht die Heldentaten, von denen er träumte. Wahre Helden handeln einsam; nur auf sich selbst gestellt vollziehen sie ihre mutigen, wagemutigen Taten. So suchte er immer drängender nach einer Möglichkeit, entsprechend zu handeln. Die kleine Stadt, inmitten des hügeligen holsteinischen Landes gelegen, weit ab von den Verbrechen der großen Städte, bot da naturgemäß wenig Chancen, gewaltige Untaten gewaltig zu strafen.

      Doch dann tauchte in der lokalen Berichterstattung immer häufiger die Mitteilung auf, daß vor allem älteren, oft sogar gehbehinderten Frauen am hellichten Tage die Handtasche entrissen worden war. Aufmerksam verfolgte Thessi die Presseberichte, und bald erkannte er, daß trotz unter- schiedlicher Beschreibungen ganz offensichtlich stets derselbe Täter am Werke war. Besonders vor kleineren Bankfilialen erschien er wie aus dem Nichts, näherte sich dem ahnungslosen Opfer von hinten mit einem Fahrrad, riß ihm die Tasche aus der Hand oder von den Schulter, stieß sie meist auch zu Boden und verschwand, ehe jemand eingreifen konnte. Der Schock und meist auch die verursachten Schmerzen hinderten meist die Beraubten, sich irgendwelche verwertbaren Einzelheiten zu merken. So hatten die Ermittler wenig konkrete Anhaltspunkte. Und auch wenn der Polizeisprecher versicherte, man hätte besonderes Augenmerk auf die Umgebung von Geldinstituten, blieb eine solche Überwachung doch eher sporadisch. Und ein in der Nähe geparkter Streifenwagen mochte zwar besorgte Bürger beruhigen, er offenbarte jedoch zugleich dem Täter, wo er sich zurückhalten mußte.

      Thessi dagegen ging anders vor. Seine wichtigsten Waffen waren Einfühlungsvermögen in die Sichtweise des Räubers, Zähigkeit und vor allem Geduld. Zunächst unterzog er alle Filialen von Banken und Sparkasse in der Stadt einer genauen Prüfung: Wo war wenig Verkehr auf der Straße, СКАЧАТЬ