Blümchenkaffee. Nadja Hummes
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Название: Blümchenkaffee

Автор: Nadja Hummes

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783753170374

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СКАЧАТЬ sich selber aufwerten können!“

      „Lasse das nicht so nahe an dich heran. Du weißt doch: In das Titelblatt von heute wickelt man schon morgen den Fisch vom Wochenmarkt ein.“

      „Als ich noch kein Kind hatte, hieß das Totschlag-Argument immer: ‚Du hast ja keine Kinder, also kannst du da gar nicht mitreden‘, oder ‚Wart‘ mal ab, bis du Kinder hast, dann singst du auch ein anderes Lied.‘ Aber weißt du was?! Tatsächlich habe ich vor einiger Zeit unseren eigenen Nachwuchs zur Welt gebracht…“

      „Ist mir nicht entgangen“, versuche ich sie aufzumuntern.

      „… und ich singe kein anderes Lied. Ich sage und sehe die Dinge immer noch ganz genau so wie vorher. Und jetzt? Na? Jetzt ist den Leuten das eine Totschlag-Argument also ausgegangen und schon haben sie ein neues.“

      „Das wundert mich jetzt nicht. Wie lautet es?“

      „Na wie wohl?! ‚Ich kann zwar nicht dies oder das, aber…‘, oder ‚Vielleicht war das nicht so astrein von mir, aber…‘“

      „… aber…?“

      „…‚aber wenigstens hat mein Kind ein gutes Leben!‘ oder ‚…aber wenigstens hat meine Familie ein gutes Leben!‘ oder ‚…aber wenigstens haben wir ein gutes Leben!‘ Und so weiter. Was die dann halt immer so an Argumenten haben. Irgendetwas in dieser Richtung kommt jedes Mal. Und die ganz besonders netten, die treten dann noch nach. Sowas wie ‚Im Gegensatz zu deinem armen Würmchen‘, oder ‚Was man von dir ja leider nicht sagen kann‘, oder ‚Im Gegensatz zu euch‘, oder ‚Deine Familie kann einem echt leid tun‘, und lauter solche Nettigkeiten. Bloß, weil sie es nicht aushalten können, dass ich und meine Familie anders ticken und leben als sie! Und dass wir anders an die Dinge herangehen als sie! Ich könnte an die Decke gehen! Echt! Die sollen doch einfach mal den Ball flach halten!!! Ich spucke denen doch auch nicht in ihre Suppe! Ich lasse die doch auch nach deren Fasson selig werden! Leben und leben lassen! … Und das einfach mal in aller Gelassenheit. Aushalten können. Gerne auch freundlich gesinnt. Mit einer großen Portion Wohlwollen. Das wäre mal etwas.“

      „Ja, das wäre schon einmal eine gute Grundlage.“

      „Woher maßen die sich eigentlich an zu beurteilen, ob meine Familie und ich ein gutes Leben haben oder nicht?! Woher bitteschön?! Ich habe die nicht zum Tee eingeladen! Keinen von denen!“

      „Ich vermute, die gehen von ihrem eigenen Maßstab aus. Mensch, Nici. Lasse dich doch nicht so fertigmachen. Denke dir deinen Teil und zeige denen innerlich den Stinkefinger. Wir wären längst nicht so lange und so eng miteinander befreundet, wäre ich der Meinung, du hättest keine guten Maßstäbe. Behalte einfach deinen Kurs bei, dann kommt das Schiff schon gut durch die Klippen. Du machst das schon richtig. Das meine ich ehrlich.“

      „Danke.“

      „Bitte. Was sagt Falk eigentlich dazu?“

      „Er steht voll zu mir. Und hinter mir. Und Sebastian auch. Der ist zwar noch ein kleines Kind, aber wenn er möchte, kann er sich auf seine kindliche Art doch ziemlich unmissverständlich ausdrücken. Da staune ich selber.“

      „Na, das ist doch prima.“

      „Ja, das sehe ich auch so. Dafür bin ich auch echt dankbar. Du, Lenja?“

      „Mmm?“

      „Was genau ist bitte ein gutes Leben?“

      „Oha. Jetzt wird’s philosophisch.“

      „Eben! Da gibt es doch tausende Definitionen. Tausende Antworten. Diese Frage gibt es doch schon seit der Antike.“

      „Ach, vielleicht gab es diese Frage sogar noch früher, wer weiß. Vielleicht ist sie damals nur nicht dokumentiert worden. Oder die Dokumentationen sind nicht erhalten geblieben. Oder noch nicht gefunden worden. Was weiß man schon wirklich über die Geschichte der Menschheit? Alle paar Jahre kommen neue Erkenntnisse und Thesen hinzu. Oder neue Entdeckungen werfen weitere Fragen auf. Der Mensch hat doch während seiner eigenen Lebensphase sowieso immer nur ein Guckloch auf das große Ganze.“

      „Jetzt wirst du philosophisch.“

      „Ja. Wieso auch nicht? Nach deiner Eröffnung.“

      „Touché. Na gut, dann also: Was ist ein gutes Leben?“

      „Das kommt ganz auf den Blickwinkel des Betrachters an.“

      Ein Krachen im Hintergrund. Dicht gefolgt von Sebastians weinendem Aufschrei.

      „Och nööö. Wart’ mal eben, Lenja. Ich leg’ dich mal kurz zur Seite.“

      Rauschen. Sich entfernende Schritte. Sebastians weinendes Schreien kippt in ein wimmerndes Schluchzen. Weitere Schritte. Falks Stimme mischt sich unter das Gewirr. Nahende Schritte.

      „Ich muss Schluss machen, Lenja. Sebastian hatte seinen frisch gebauten Kran auf das Sofa gestellt, weil er mit dem Greifarm das Spielzeug vom Boden aufsammeln wollte. Er war so in sein Spiel vertieft, dass er den Wohnzimmertisch vergessen hat. Da ist er grad mit dem Rücken gegen gerummst. Ich melde mich.“

      „O.k. Gute Besserung.“

      „Danke.“

      Klack.

      Was ist ein gutes Leben?

      Reichtum? Wohlstand? Erfolg? Materielles? Mobilität? Optik? Gesundheit? Liebe? Verbundenheit? Freunde? Partnerschaft? Freizügigkeit? Keuschheit? Veränderung? Beständigkeit? Enge? Freiheit? Ruhe? Geräusche? Dunkelheit? Helligkeit? Sonne? Regen? Wind? Wärme? Kälte? Eremitentum? Geselligkeit? Fülle? Askese? Monokultur? Vielfalt? Nahrung? Trockenheit? Wasser?

      Und was ist, wenn das eine das andere bedingt? Wie verhält es sich dann mit der Empfindung um ein gutes Leben?

      Was ist, wenn man reich genug ist, sämtliche Möglichkeiten zur Genesung und Erhaltung der Gesundheit finanzieren zu können, diese jedoch nicht in Reichweite sind?

      Was ist, wenn man eben diese Möglichkeiten zwar in Reichweite hat, sie jedoch kaum oder überhaupt nicht finanzieren kann und aus diesem Grund in einer schlechteren Verfassung ist, als man eigentlich sein müsste?

      Was beinhaltet in einem solchen Fall die Auffassung von einem guten Leben?

      Über den Tellerrand hinaus geschaut: Was ist, wenn man seine Lebensspanne nicht in Gestalt eines Menschen – wovon in der Regel ausgegangen wird und ergründende Gedanken somit per se relativ eng sind – sondern der eines Tieres verbringt? Zum Beispiel als eines, das in seinem Bewegungsraum und seiner Versorgung vollkommen abhängig von seinem Halter ist? Oder als eines, das weder Mähmaschinen noch Feuersbrünste kennt und in seiner Rettung arglos auf andere angewiesen ist?

      Was ist dann ein gutes Leben?

      Könnte es sinnvoll sein, mich postwendend an meinen Schreibtisch zu begeben um eine zwölfbändige Enzyklopädie über dieses Thema zu beginnen? Unterteilt in sämtliche der Menschheit bekannten Epochen, Regionen und Lebensformen? Geprägt vom jeweils kursierenden Rollen- und Weltbild? Dem Zeitgeist sowie auch politischen und religiösen Einflüssen und Strömungen? Bis hin zu Gesellschafts­schichten? Welche logischerweise im Kontext von Einkommen, Alltag, Gesundheit und Lebensumständen zu betrachten wären?

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