Название: Internal Investigations
Автор: Dennis Bock
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811442757
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Der Fall Siemens/ENEL erregte im deutschsprachigen Rechtsraum beachtliches Aufsehen.[40] Vor allem die Tatsache, dass den Beteiligten hierbei (zum Teil mit Erfolg im Bezug auf ihre Mitwirkungsbereitschaft) für eine vollständige, wahrheitsgemäße Aussage eine „Amnestie“ in Aussicht gestellt wurde,[41] ließen unternehmensinterne Ermittlungen dieser Art (insbesondere nach außen hin) als ein praktikables Mittel erscheinen, um existenzbedrohend hohe Sanktionen nach US-Recht[42] zu vermeiden.[43] Im Ergebnis fiel das Auge der Öffentlichkeit mit dem Siemens-Skandal auf denjenigen Teilbereich einer jeden Unternehmensführung, der sich eigentlich als „Corporate Responsibility“[44] oder – enger – „Corporate Governance“[45] bezeichnen lässt. Geschäftspartner und Kunden ebenso wie die Öffentlichkeit insgesamt schätzen es, wenn sich die Unternehmensleitung um normkonformes Verhalten innerhalb des Betriebs bemüht und auch repressiv die Einhaltung von Mindeststandards im Bezug auf die Lauterkeit der Geschäftstätigkeit im Ganzen sichert. Dieser Effekt kann dazu beitragen, einen durch negative Publicity erlittenen Image- und Reputationsverlust auszugleichen.[46]
c) Privatisierungstendenzen im Strafverfahren und Schaffung eines Unternehmensstrafrechts
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Zum Teil ist der „Boom“ unternehmensinterner Ermittlungen auch mit den aktuellen Privatisierungstendenzen im Strafverfahren zu erklären. Private Ermittlungen etablieren sich zunehmend auch im Ermittlungsverfahren nach dem deutschen Strafprozessrecht, etwa in Gestalt der Beiziehung privater Sachverständiger nach §§ 161a Abs. 1 S. 2 i.V.m. 73 Abs. 1 S. 1 StPO oder schlicht als eigene Ermittlungen des Beschuldigten, die dieser vornimmt, um zu seiner Entlastung beizutragen.[47] Allerdings lässt sich zugleich die Tendenz beobachten, dass zunehmend auch die Staatsanwaltschaften ihre eigene Ermittlungsaufgabe „privatisieren“.[48]
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Speziell im Bezug auf die hier in Rede stehenden Sachverhalte werden Unternehmen aufgefordert, eigene Nachforschungen zu betreiben und zu ermitteln, ob Mitarbeitern strafrechtlich relevantes Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Staatsanwaltschaften wird hierbei zum Teil sogar vorgeworfen, sich ihre Ermittlungsaufgabe so zu erleichtern, und ihrem Ansinnen mit dem Hinweis auf einen drohenden öffentlichen Reputationsverlust für das betreffende Unternehmen Nachdruck zu verleihen.[49] Diese Tendenz könnte man als Teil eines Entformalisierungsprozesses begreifen, der zur Verwirklichung eines „funktionalisierten Strafrechts“ beitragen mag[50] und die umstandslose und zügige Beilegung von Konflikten fördert, die im Wirtschaftsstrafrecht anderenfalls nur schwer möglich wäre.
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Insgesamt betrachtet bleiben die Möglichkeiten gerade im strafprozessualen Ermittlungsverfahren wegen der durch das deutsche Strafprozessrecht eng gesteckten Grenzen (noch) gering. Der wesentliche oder alleinige Antrieb für die Durchführung von Internal Investigations kann somit jedenfalls nicht ausschließlich in der Vermeidung strafrechtlicher Konsequenzen gesehen werden.
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Daneben mag der Grund für Unternehmen, eine interne Untersuchung in Auftrag zu geben, in der Abwendung unmittelbar drohender Sanktionsrisiken liegen. Gerade wenn das Unternehmen zum Adressaten von Schadensersatzansprüchen, verwaltungsbehördlichen Maßnahmen, einer Verfallsanordnung (§ 73 Abs. 3 StGB) oder einer Geldbuße (§§ 30, 130 OWiG) werden könnte, ist das erzielte Untersuchungsergebnis auch entscheidende Grundlage für die Entwicklung einer Verteidigungsstrategie.[51] Wenn (sobald) für Deutschland ein schon lange in der Diskussion stehendes Unternehmensstrafrecht in Kraft tritt, wird die Bedeutung unternehmensinterner Ermittlungen weiter steigen.
Anmerkungen
Behrens RiW 2009, 22.
Siehe dazu sogleich Abschn. III und IV.
Behrens RiW 2009, 23; Theile StV 2011, 381; vgl. auch Hauschka/Moosmayer/Lösler/Wessing § 46 Rn. 2.
Behrens RiW 2009, 25 nennt hier bspw. die Watergate-Affäre, anhand derer deutlich geworden sei, dass eine Vielzahl von US-Unternehmen zu diesem Zeitpunkt in illegale Geschäfte verwickelt war, deren Aufklärung die Ressourcen der SEC zu überfordern schien. Im Rahmen eines sog. Voluntary Programs forderte die SEC daher zu selbstständigen internen Untersuchungen auf, und erbat, ihr deren Ergebnisse zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug stellte die SEC mildere Strafen sowie ggf. einen Verzicht auf eigene Untersuchungen in Aussicht. Eingehend dazu auch Duggin Columbia Business Law Review 2003, 864; Lowell The Delaware Journal of Corporate Law 2001, 35.
Böhm WM 2009, 1923; Mathews Ohio State Law Journal 1984, 656; nach Theile StV 2011, 381 sei die Einflussnahme der SEC so weit gegangen, dass eine Kooperationsverweigerung sogar im Rahmen der Strafzumessung als für das Unternehmen nachteilig berücksichtigt wurde.
Behrens RiW 2009, 24; ähnlich Schuster NZWiSt 2012, 29, Fn. 6.
Behrens RiW 2009, 24.
Reeb Internal Investigations, S. 23.
Behrens RiW 2009, 24 f. mit Verweis auf Mathews Ohio State Law Journal 1984, 666 ff.
Bei den „releases“ handelt es sich ähnlich den BaFin-Rundschreiben um nicht rechtsverbindliche Veröffentlichungen der SEC, die u.a. dem Zweck dienen, die Marktteilnehmer über die zukünftige Verwaltungspraxis der SEC zu informieren; dazu Behrens RiW 2009, 24.
Http://sec.gov/litigation/investreport/34-44969.htm.
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