Название: Internal Investigations
Автор: Dennis Bock
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811442757
isbn:
194
Im Falle einer gesetzlichen Anzeigepflicht reduziert sich das Ermessen des Vorstands auf Null, sodass der Verdacht eines betrieblichen Rechtsverstoßes im erforderlichen Umfang aufzuklären und bei Bestätigung anzuzeigen ist.[6] Eine Anzeigepflicht existiert etwa gem. § 138 StGB bei schweren Verbrechen (z.B. Mord, Totschlag, Raub), sofern der Erfolg noch abgewendet werden kann, im Falle eines auf Tatsachen gestützten Verdachts der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung (§ 11 GWG) sowie eines Insidergeschäftes oder einer Marktmanipulation (§ 10 WpHG) und gem. § 153 AO auch für die Erkenntnis, dass die betriebliche Steuererklärung unrichtig oder unvollständig ist.
195
Im Einzelfall kann sich unabhängig von den genannten gesetzlichen Anzeigepflichten die Möglichkeit zur Anzeige auch zu einer Anzeigepflicht verdichten. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass sich das grundsätzlich bestehende Auswahlermessen im Hinblick auf das "Wie" der Aufklärung dann zu einer Pflicht verdichten könne, eine bestimmte Aufklärungsmethode zu wählen, wenn andere Formen der Aufklärung nicht den gebotenen Erfolg versprächen.[7] In der Rechtsprechung ist diese Frage bislang nicht abschließend geklärt. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf[8] hat der Aufsichtsrat insbesondere in einer Krisensituation alle ihm nach §§ 90 Abs. 3, 111 Abs. 2 AktG zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen. Insbesondere in Fällen, in denen die dem Unternehmen selbst zur Verfügung stehenden Aufklärungsmethoden nicht zu einer hinreichenden Klärung ausgereicht haben und gleichzeitig dem Unternehmen deswegen ein erheblicher Schaden droht, dürfte daher eine Pflicht der Unternehmensleitung bestehen, den Sachverhalt über den Weg der Strafanzeige weiter aufzuklären.
b) Laufendes Ermittlungsverfahren
196
Läuft hingegen bereits ein behördliches Ermittlungsverfahren gegen das Unternehmen oder seine Angehörigen, so wird den Unternehmen häufig anzuraten sein, mit den Behörden zu kooperieren. Die Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden kann das Strafmaß im Falle einer Verurteilung oder drohende Unternehmensgeldbußen erheblich reduzieren. Das Kartellrecht sieht hierfür beispielsweise „Kronzeugenregelungen“ bzw. „Bonusregelungen“ vor, wodurch die Geldbuße der kooperierenden Unternehmen verringert werden kann.[9] Für die Unternehmensleitung ist auch zu berücksichtigen, dass die Behörden aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel in aller Regel die begangenen Verstöße aufdecken werden, wenn ein Ermittlungsverfahren erst einmal begonnen hat. So lassen sich bei Korruptionshandlungen die Zahlungsflüsse häufig unproblematisch den vorhandenen Buchhaltungsunterlagen entnehmen. Zudem bestehen regelmäßig keine Beschlagnahmeverbote zugunsten des Unternehmens, sodass die aufgefundenen Unterlagen von der Staatsanwaltschaft verwertet werden können. Schließlich steht den Gesellschaftsorganen auch kein Aussageverweigerungsrecht zu, es sei denn, sie belasten sich durch eine Aussage selbst.
c) Freiwillige Meldung von Verstößen durch Unternehmensleitung
197
Haben die Behörden hingegen noch keine Kenntnis von den Verstößen, so stellt sich der Unternehmensleitung die Frage, ob eine Meldung an die Behörden dennoch angezeigt ist. Eine Pflicht hierzu besteht jedenfalls grds. nicht (Rn. 191). Die grds. Berechtigung der Unternehmensleitung zur Meldung an die Behörden richtet sich nach den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Regelungen, also insbesondere der Leitungssorgfaltspflicht aus §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG bzw. § 43 Abs. 1 GmbHG. Die Unternehmensleitung ist stets dem Gesellschaftswohl, also insbesondere dem Bestand und der Rentabilität des Unternehmens,[10] verpflichtet. Die Beurteilung, ob eine Kooperation mit den Behörden oder das Zurückhalten jeglicher Informationen besser für die Wahrung des Unternehmenswohls geeignet ist, steht im Ermessen der Leitungsorgane. Hier gilt die Business Judgement Rule nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG bzw. einer dementsprechenden Auslegung des § 43 Abs. 1 GmbHG. Bei der Abwägung der Risiken und Vorteile einer Information der staatlichen Behörden für das Unternehmen sollte die Unternehmensleitung insbesondere die Art des Verstoßes und das Risiko der anderweitigen Kenntniserlangung durch die Behörden in den Blick nehmen. Korruptionsvergehen können beispielsweise bei einer Steuerprüfung ans Licht kommen, da bei Vorliegen objektiver Anhaltspunkte für eine Straftat das Finanzamt zu einer Meldung an die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist. Für eine Meldung an die Behörden kann in einem solchen Fall sprechen, dass dem Unternehmen bei einer Kooperation eine „Bonusregelung“ und ggf. eine Milderung der Unternehmensgeldbuße zugute kommen kann. Häufig wird ein Unternehmen versuchen, einen „Deal“ mit den Behörden abzuschließen.[11] Besteht jedoch nur eine sehr geringe Gefahr, dass die Behörden überhaupt von den Verstößen erfahren könnten, so wird es in aller Regel zweckmäßig sein, von einer Mitteilung an die Behörden abzusehen. Ob eine Meldung an die Behörden im Interesse des Unternehmens ist, wird jedoch regelmäßig von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängen.
3. Weitergabe an Geschäftspartner
198
Auch gegenüber ihren Geschäftspartnern und Kunden besteht für das Unternehmen in der Regel keine Pflicht zur Weitergabe von Erkenntnissen über Gesetzesverstöße. Etwas anderes kann aber gelten, wenn das Unternehmen vertraglich über sog. Compliance-Klauseln zu einer Mitteilung aller Verstöße verpflichtet ist. Bei einem Verstoß gegen solche Meldepflichten kann sich das Unternehmen schadensersatzpflichtig machen und sogar die Kündigung bestehender Verträge riskieren. Zudem kann das Unternehmen mit Geschäftspartnern sog. Audit-Klauseln vereinbart haben, durch die die Geschäftspartner z.B. zur jederzeitigen Einsicht in die Unterlagen der Gesellschaft berechtigt werden. In diesem Fall besteht dann ein hohes Risiko, dass das Fehlverhalten durch die Geschäftspartner selbst aufgedeckt wird.
199
Zu beachten ist, dass nach § 93 Abs. 1 S. 3 AktG der Vorstand über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren hat. Eine Offenbarung dieser Geheimnisse kann zu Schadensersatzansprüchen seitens der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 AktG und nach § 404 AktG zu Freiheits- oder Geldstrafen führen. Unter den Geheimnisbegriff fallen hierbei „alle Tatsachen, die im Zusammenhang mit dem Betrieb der AG stehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem Willen der AG geheim gehalten werden sollen“.[12] Hierunter können auch Informationen über Gesetzes- oder Richtlinienverstöße fallen, die in einer unternehmensinternen Untersuchung aufgedeckt werden. Für eine Strafbarkeit nach § 404 AktG kommt es darauf an, dass die Weitergabe der Geheimnisse im objektiven Interesse der AG nachteilig sein kann.[13] Offenbart werden kann das Geheimnis natürlich nur gegenüber Personen, die noch keine Kenntnisse von den bekanntgewordenen Tatsachen hatten.[14] Die Geheimhaltungspflicht besteht aber nur dann, wenn die Offenbarung die Gesellschaft schädigt. Die Schweigepflicht dient grundsätzlich nur dem Schutz der Gesellschaft. Somit tritt die Schweigepflicht zurück, wenn das Interesse der Gesellschaft eine Offenbarung gebietet.[15] Dient die Offenbarung also dazu, das Unternehmen selbst zu entlasten und Schaden von der Gesellschaft – wie z.B. Schadensersatzforderungen durch Kunden – abzuwenden, so ist eine Preisgabe von Informationen von Gesellschaftsseite her zulässig. Eine Weitergabe von gewonnenen Erkenntnissen an geschädigte Dritte kann zudem auch die Compliance des Unternehmens verbessern und die Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden verbessern und dadurch СКАЧАТЬ