Название: Internal Investigations
Автор: Dennis Bock
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811442757
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Wie dargestellt, ist hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung von Untersuchungen (das „Wie“) die Business Judgement Rule gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG anwendbar. Da die Einführung von Amnestieprogrammen zur Durchführung der Untersuchung zählt, begeht die Unternehmensleitung keine Pflichtverletzung, wenn sie bei der Vornahme ihrer unternehmerischen Entscheidung für ein Amnestieprogramm vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.[14]
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Die Unternehmensleitung muss daher abwägen, ob das Aufklärungsinteresse einer unternehmensinternen Untersuchung gegenüber dem Gesellschaftsinteresse der Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche, sowie Aufwendung der Rechtsanwaltskosten überwiegt. Hierbei muss jeweils der konkrete Einzelfall betrachtet werden und durch die Amnestie eine höhere Aufklärung als ohne eine Amnestie zu erwarten sein. Gerade bei der Entscheidung über die Anwendung von Amnestieprogrammen ist dabei eine ex ante Betrachtung mit geringer Sachverhaltskenntnis ausreichend, da das Amnestieprogramm die Kenntnis des Sachverhalts ermöglichen soll. Insbesondere kann Zeitdruck ein wichtiger Aspekt für die Entscheidung zugunsten einer Amnestie sein. Die bereits vorhandenen Kenntnisse und Aussagen müssen aber dahingehend ausgewertet werden, ob die Durchführung eines Amnestieprogrammes überhaupt notwendig ist. Nicht erforderlich ist es aber, zunächst eine (erfolglose) Mitarbeiterbefragung ohne Amnestieregelung durchzuführen, da eine schnelle Aufklärung stets im Interesse des Unternehmens ist.[15]
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Sollen auch Mitgliedern der Unternehmensleitung, die Compliance-Verstöße begangen haben, Amnestie gewährt werden, sind gesellschaftsrechtliche Besonderheiten zu beachten. Da die Unternehmensleitung letztlich die Verantwortung für Compliance-Verstöße innerhalb des Unternehmens trägt, bedürfen Amnestien für die Mitglieder der Geschäftsleitung grundsätzlich einer besonderen Rechtfertigung.[16] Zudem muss beachtet werden, dass ein Verzicht auf Schadensersatzansprüche gegenüber der Unternehmensleitung nicht ohne weiteres möglich ist.
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In der GmbH ist der Verzicht auf Schadensersatzansprüche gegenüber der Unternehmensleitung grds. möglich. Dieser obliegt allerdings der Gesellschafterversammlung gem. § 46 Nr. 8 GmbHG, sofern nicht die Satzung etwas anderes regelt.[17] In der AG hingegen können die Organe nicht ohne weiteres auf Schadensersatzansprüche gegenüber dem Vorstand verzichten. Gem. § 93 Abs. 4 AktG kann die Hauptversammlung zwar auch nachträglich auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand verzichten, allerdings erst nach Ablauf von drei Jahren, sofern nicht eine Minderheit von Aktionären, deren Anteil zusammen 10 % des Grundkapitals ergeben, dagegen stimmt (§ 93 Abs. 3 Nr. 4 AktG). Zu beachten ist auch, dass der Vorstand die Gesellschaft gegenüber den anderen Vorstandsmitgliedern beim Abschluss von Amnestieregelungen nicht vertreten darf, da gem. § 112 AktG allein der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand vertritt.
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Einer gesonderten Überprüfung bedarf auch der Verzicht der Gesellschaft auf Schadensersatzansprüche gegenüber den Vorstandsmitgliedern im Rahmen von Amnestieprogrammen. Auch wenn größere Schäden in der Praxis wohl nur selten vollständig durch Schadensersatzansprüche gegen die Vorstandsmitglieder abgedeckt werden, wird in der Praxis zunehmend häufiger gegen ehemalige Vorstände vorgegangen. Prominente Beispiele hierfür sind Schadensersatzklagen des Solarherstellers Conergy gegen vier ehemalige Vorstände in Höhe von 280 Mio. EUR. MAN hat von seinen ehemaligen Vorständen 237 Mio. EUR gefordert, die Bayern LB 200 Mio und der Insolvenzverwalter von Arcandor 175 Mio. EUR.[18] Auch Siemens hat bereits eine Reihe von ehemaligen Vorständen auf Schadensersatz verklagt. Auslöser dieser Entwicklung ist die ARAG-Garmenbeck-Entscheidung des BGH, in welcher der BGH klarstellte, dass der Aufsichtsrat einer AG grundsätzlich durchsetzbare Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand der AG geltend zu machen hat.[19] Obwohl die Werthaltigkeit der Ansprüche oftmals fraglich sein wird, darf der Aufsichtsrat von der Geltendmachung nur ausnahmsweise absehen, wenn gewichtige Gründe des Gesellschaftswohls für eine Amnestie sprechen und die Pflicht zur Rechtsverfolgung überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind.[20] Gewichtige Gründe des Gesellschaftswohls können möglicherweise dann angenommen werden, wenn die Unternehmensleitung zur internen Aufklärung oder wegen besonderer Expertise zur Fortführung des Geschäftsbetriebes zwingend benötigt wird. Eine Einzelfallabwägung ist hier aber in jedem Fall notwendig.
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Bei der AG ist zudem die Übernahme von Geldstrafen, Geldbußen oder Geldauflagen, die einem Vorstandsmitglied im Rahmen eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens auferlegt wurden, nur mit Einschränkungen möglich. Nach aktueller Rechtsprechung des BGH bedarf die Übernahme einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage gegen den Vorstand durch die AG der Zustimmung der Hauptversammlung nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG immer dann, wenn die Handlung, die Gegenstand des Ermittlungs- oder Strafverfahrens war, gleichzeitig eine Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds gegenüber der Gesellschaft darstellt.[21]
Anmerkungen
Vgl. Annuß/Pelz BB Spezial 4/2010, 14.
Göpfert/Merten/Siegrist NJW 2008, 1703, 1704.
Annuß/Pelz BB Spezial 4/2010, 14, 15.
Vgl. Lutz BB 200, 677, 682; Göpfert/Merten/Siegrist NJW 2008, 1703, 1704; Reichert/Ott NZG 2014, 241, 247.
Vgl. hierzu Annuß/Pelz BB Spezial 4/2010, 14, 18; Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein NZG 2009, 723.
Zur arbeitsrechtlichen Problematik bei Amnestieprogrammen vgl. Annuß/Pelz BB Spezial 4/2010, 14, 20; Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein NZG 2009, 721, 724 f.; Göpfert/Merten/Sigrist NJW 2008, 1703 ff.; Lützeler/Müller-Sartori CCZ 2011, 19 ff.; Wastl/Pusch RdA 2009, 376 ff.
So auch Annuß/Pelz BB Spezial 4/2010, 14; Göpfert/Merten/Siegrist NJW 2008, 1703, 1704.
Siehe auch Annuß/Pelz BB Spezial 4/2010, 14 f.; Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein NZG 2009, 722; siehe auch Annuß S. 170 ff.