Название: Steuerstrafrecht
Автор: Johannes Franciscus Corsten
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Heidelberger Kommentar
isbn: 9783811406506
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Im Steuerstrafrecht werden Umfang und Reichweite der prozessualen Tat nach Auffassung des BGH maßgeblich durch die steuerlichen Vorschriften bestimmt.[1212]
Da die Festsetzung der Einkommensteuer als Jahressteuer aufgrund einer Steuererklärung erfolgt (§§ 2 Abs. 7, 25 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, 36 Abs. 1 EStG), liegt bei der Hinterziehung hinsichtlich eines Veranlagungszeitraums materiellrechtlich und prozessual eine einheitliche Tat vor.[1213] Maßgeblich dafür ist die Festsetzung. Die verschiedenen Einkunftsarten bilden insoweit lediglich Rechnungsposten (§ 2 Abs. 1, Abs. 5 S. 1 EStG). Einkommensteuer kann somit nur insgesamt und nicht bzgl. einzelner Einkunftsarten hinterzogen werden.
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Für die Hinterziehung von USt wird bei Voranmeldungen und Jahreserklärung desselben Jahres prozessual eine einheitliche Tat i.S.d. § 264 StPO angenommen.[1214] Hingegen werden die Hinterziehung von EUSt und die nachfolgende Hinterziehung von USt nicht als eine Tat i.S.d. § 264 StPO bewertet.[1215]
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Verschleiert der Täter im Rahmen eines Gewerbebetriebes laufend Lohnzahlungen, so sind bei sachlich-rechtlicher Tatmehrheit Lohnsteuerhinterziehung einerseits sowie Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung andererseits mehrere Taten im prozessualen Sinne.[1216] Dies gilt auch, wenn der Täter den Betrieb von vornherein darauf angelegt hat, Arbeitnehmer illegal („schwarz“) zu beschäftigen und soweit er hinsichtlich derselben Arbeitnehmer innerhalb derselben Zeiträume weder Lohnsteuer anmeldet noch Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit an die berechtigte Kasse abführt.[1217]
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Unrichtige Angaben in verschiedenen Abschnitten des Besteuerungsverfahrens zählen nicht zu einem einheitlichen Lebensvorgang i.S.d. § 264 StPO, so dass es sich nicht um dieselbe Tat im prozessualen Sinn handelt. Macht der Täter im Festsetzungsverfahren unrichtige Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen und erreicht damit eine zu niedrige Steuerfestsetzung so handelt es sich demgegenüber bei unrichtigen Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen und der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im Vollstreckungsverfahren mit dem Ziel, zu verhindern, dass wegen der bereits festgestellten Steueransprüche in sein Vermögen vollstreckt wird, um unterschiedliche Lebenssachverhalte. Die rechtskräftige Verurteilung des Täters wegen Steuerhinterziehung im Festsetzungsverfahren bewirkt deshalb im Hinblick auf die Taten der Steuerhinterziehung im Beitreibungsverfahren keinen Strafklageverbrauch.[1218] Materiell-rechtlich stehen die Taten im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander. Das gilt auch dann, wenn der Täter von Anfang an beabsichtigte, auch im Beitreibungsverfahren unrichtige Angaben zu machen.[1219] Der Freispruch vom Vorwurf einer im steuerlichen Rechtsbehelfsverfahren abgegebenen falschen eidesstattlichen Versicherung, die in Tateinheit mit der Steuerhinterziehung steht, verbraucht die Strafklage wegen Steuerhinterziehung.[1220]
Anmerkungen
BVerfG v. 21.9.2016 – 2 BvL 1/15, juris Rn. 38; BVerfGE 143, 38, 52 ff.; dazu Bülte GS Joecks 365, 366 f. Das ergibt sich auch, zumindest wenn eine Freiheitstrafe angedroht ist, aus Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG, BVerfG a.a.O., Rn. 47; Kohlmann-Ransiek § 370 Rn. 25.
Vgl. BVerfG v. 29.4.2010 – 2 BvR 871/04, juris Rn. 53 ff., wistra 2010, 396 Rn. 53 ff.
So z.B. BVerfG wistra 1991, 175; BGH wistra 1991, 29.
So z.B. BGH v. 19.12.1990 – 3 StR 90/90, juris Rn. 39, BGHSt 37, 266, 272.
Vgl. BGH v. 10.10.2017 – 1 StR 447/14, juris Rn. 59; v. 24.1.2018 – 1 StR 331/17, juris Rn. 15, wistra 2018, 339, 340 spricht der 1. Senat von der Prüfung „(normativer) Tatbestandsmerkmale“ sowohl im Rahmen des § 266a StGB als auch des § 370.
Vgl. z.B. Fischer StGB § 1 Rn. 9.
So z.B. Franzen/Gast/Joecks-Joecks § 370 Rn. 199; Graf/Jäger/Wittig-Rolletschke § 370 Rn. 19.
So Klein-Jäger § 370 Rn. 5; ders. GS Joecks, 513, 515.
Einen Überblick über den Meinungsstand nebst Bewertung vermittelt Solka Bucerius Law Journal 2013, 21 ff.
Dazu auch Haas GS Joecks, 447, 457.
BGH wistra 1992, 344, 345 (dort ohne Hervorhebung); zur verfassungsrechtlichen Problematik von Blanketttatbeständen vgl. BVerfGE 75, 329; 126, 170 ff.
Vgl. BVerfG v. 21.9.2016 – 2 BvL 1/15, juris, Rn. 46.
S. dazu Jäger GS Joecks, 513, 516.
So auch Hüls NZWiSt 2012, 12, 17.
So im Ergebnis auch MK-StGB-Schmitz/Wulf § 370 AO Rn. 14ff.; Solka Bucerius Law Journal 2013, 21, 23.
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