Название: Steuerstrafrecht
Автор: Johannes Franciscus Corsten
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Heidelberger Kommentar
isbn: 9783811406506
isbn:
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Verschweigt der Erbe oder der Beschenkte im Rahmen einer Erbschaft-/Schenkungsteuererklärung bereits früher erfolgte und verschwiegene Zuwendungen, so hat er hinsichtlich der vorausgegangenen Erwerbe bereits in der Vergangenheit Steuerhinterziehungen begangen, soweit diese den für den Bedachten geltenden Freibetrag überschritten haben. Insoweit kann er bestraft werden, wenn noch keine strafrechtliche Verjährung eingetreten ist. Die unzutreffende Angabe, Vorschenkungen hätten nicht stattgefunden, stellt nach Ansicht des BGH bezogen auf die früher unterlassene Anzeige eine mitbestrafte Nachtat dar, soweit die Vortaten nicht verjährt sind und somit noch verfolgt werden können.[1189] Abgesehen davon kann das Verschweigen der Vorschenkungen bezogen auf die aktuelle Schenkung eine Steuerhinterziehung begründen, indem Freibeträge und Steuersatz falsch berücksichtigt werden (s. zu alldem auch Rn. 126 ff.).
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Nach aktueller Rechtsprechung des 1. Senats ist die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen mitbestrafte Vortat gegenüber der Steuerhinterziehung durch Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung desselben Jahres zu qualifizieren (s. dazu Rn. 439, 449).[1190] In der Literatur wurde demgegenüber vielfach vertreten, bei einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung handele es sich im Verhältnis zu unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen desselben Kalenderjahres um eine mitbestrafte Nachtat.[1191]
d) Mitbestrafte Vortat
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Eine mitbestrafte Vortat liegt vor, wenn im Verlauf eines deliktischen Geschehens verschiedene Angriffsobjekte beeinträchtigt werden, die konkrete Sachverhaltsgestaltung aber ergibt, dass das Schwergewicht des Unrechts nur unter dem Gesichtspunkt des nachfolgenden Delikts zu behandeln ist.[1192] Dies ist insbesondere bei Durchgangsdelikten gegeben, deren Unrechtsgehalt deshalb nicht über den der „Haupttat“ hinausgeht, weil er sich darin erschöpft, einen intensiveren Angriff auf dasselbe Rechtsgut vorzubereiten.[1193] Nach neuer Rechtsprechung des BGH[1194] ist die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen im Verhältnis zur Umsatzsteuerjahreserklärung desselben Jahres mitbestrafte Vortat. Die Abgabe falscher Voranmeldungen sei regelmäßiges Durchgangsstadium, um mit einer unrichtigen Jahreserklärung eine Steuerverkürzung auf Dauer zu erreichen. Täter, die auf Dauer Umsatzsteuern hinterziehen wollen, machen regelmäßig bereits in den Umsatzsteuervoranmeldungen unrichtige Angaben und wiederholen diese dann in der Jahreserklärung, um keinen Steuerforderungen der Finanzverwaltung ausgesetzt zu sein. In der unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung liege damit auch das Schwergewicht des Unrechts. Dem stehe nicht entgegen, dass es möglich ist, zunächst in den Umsatzsteuervoranmeldungen zutreffende und erst in der Jahreserklärung unrichtige Angaben zu machen, um Steuern zu hinterziehen. Darauf, ob sich der Täter zunächst nur Liquidität sichern oder von Anfang an auf Dauer Steuern hinterziehen wolle, komme es insoweit nicht an (siehe dazu auch Rn. 439).
3. Wahlfeststellung
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Schließlich kann nach der bislang geltenden Rspr. auch bei der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung eine Wahlfeststellung zulässig sein, wenn nach Ausschöpfung aller Beweismittel zwar nicht der Nachweis einer bestimmten Tat erbracht werden kann aber feststeht, dass von mehreren in Betracht kommenden Taten jedenfalls eine durch den Angeklagten begangen worden ist.[1195] Eine Wahlfeststellung ist jedoch unzulässig, wenn die in Betracht kommenden Tatbestände in einem Stufenverhältnis zueinander stehen, wie z.B. die Beihilfe zur Mittäterschaft oder der Versuch zur Vollendung. In solchen Fällen ist vielmehr der In-dubio-pro-reo-Grundsatz anzuwenden.[1196] Der BGH hat die Möglichkeit einer (ungleichartigen) Wahlfeststellung im Verhältnis der Steuerhinterziehung zur (gewerbsmäßigen) Steuerhehlerei bejaht.[1197] Er ist darüber hinaus der Meinung, dass für den Fall, dass feststeht, dass der Angeklagte unversteuerte Schmiergeldzahlungen erhalten hat, sich aber nicht feststellen lässt, in welchem Veranlagungszeitraum welche Beträge gezahlt worden sind, eine Feststellung im Wege der Schätzung der Höhe nach in Kombination mit einer (gleichartigen) Wahlfeststelllung bzgl. der Zuordnung zu den in Betracht kommenden Jahren erfolgen müsse.[1198] Dies erscheint im Hinblick auf die Unschuldsvermutung sehr kritisch. Der 2. Senat des BGH hat am 11.3.2015 (erneut) den großen Senat im Wege eines Vorlagebeschlusses angerufen, weil er Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der sog. echten Wahlfeststellung mit Art. 103 Abs. 2 GG hat.[1199] Zu einem auf vergleichbare Bedenken gestützten Vorlagebeschluss des 2. Senats vom 28.1.2014 in der gleichen Sache, betreffend die ungleichartige Wahlfeststellung,[1200] hatten der 1. Senat[1201] und der 5. Senat[1202] mitgeteilt, dass sie diese Bedenken nicht teilen und an ihrer Rspr. festhalten. Mit Urteil vom 25.10.2017 hat der 2. Senat entscheiden, dass die gesetzesalternative Verurteilung eines Angeklagten auf wahldeutiger Tatsachengrundlage wegen (gewerbsmäßig begangenen) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei rechtlich nicht zu beanstanden sei.[1203]
a) Begriff
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Gegenstand der Urteilsfindung ist nach § 264 StPO die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt (prozessuale Tat). Gemeint ist damit der zusammengehörende Lebenssachverhalt als geschichtlicher Vorgang, der nur einheitlich angeklagt und abgeurteilt werden kann.[1204] Die Rspr. definiert die „Tat“ i.S.d. § 264 StPO als
„den vom Eröffnungsbeschluss betroffenen Vorgang einschließlich aller damit zusammenhängenden und darauf bezüglichen Vorkommnisse und tatsächlichen Umstände, die geeignet sind, das in diesen Bereich fallende Tun des Angeklagten unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt als strafbar erscheinen zu lassen, also das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch denEröffnungsbeschluss bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet, ohne Rücksicht darauf, ob sich bei der rechtlichen Beurteilung eine oder mehrere strafbare Handlungen statt oder neben der im Eröffnungsbeschluss bezeichneten Straftat ergeben“.[1205]
Ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang liegt vor, wenn die Vorgänge so miteinander verknüpft sind, dass keiner von ihnen für sich allein verständlich abgehandelt werden könnte und ihre getrennte Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorganges empfunden würde.[1206] Diese Voraussetzungen liegen bei tatmehrheitlich begangenen, auf unterschiedliche Veranlagungszeiträume bezogenen Steuerhinterziehungen gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 desselben Steuerpflichtigen derselben Steuerart regelmäßig schon wegen der in tatsächlicher Hinsicht verschiedenen Tathandlungen durch Abgabe je eigenständiger unrichtiger Steuererklärungen und unterschiedlicher, der Besteuerung unterliegender Lebenssachverhalte nicht vor.[1207]
Die Rechtskraftwirkung des Urteils und damit der Strafklageverbrauch erstreckt sich auf die gesamte prozessuale Tat (Art. 103 Abs. 3 GG).[1208]
b) Prozessuale Tat und materielle Tateinheit/Tatmehrheit
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Eine einheitliche Handlung i.S.d. § 52 StGB stellt stets zugleich eine Tat im prozessualen Sinne dar.[1209] Mehrere selbstständige Handlungen i.S.d. § СКАЧАТЬ