Aus meinem Leben - 3. Teil. August Bebel
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Название: Aus meinem Leben - 3. Teil

Автор: August Bebel

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 9783966511698

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СКАЧАТЬ aufzubringen. Doch bin ich mit dem Resultat zufrieden. Trotz der erbärmlichen Zeiten – denn die Geschäfte gehen im allgemeinen sehr schlecht, und wir haben bis jetzt den ungünstigsten Winter, den wir in den letzten Jahren gehabt – opfern die Genossen, was sie vermögen; und beschämen so jene traurigen Wichte und jenes erbärmliche Lumpengesindel, welches sich namentlich jetzt in schamlosester Weise in der Presse zeigt.

      Sie haben schwerlich einen Begriff davon, wie seit Monaten unausgesetzt und selbst jetzt, wo man uns mundtot gemacht, die liberale Preßmeute mit Beschimpfungen und Denunziationen über uns herfällt. Es ist eine böse Saat, die gesät wird, und sie wird keine guten Früchte bringen.

      Ihre Ausweisung ist uns natürlich bekannt, selbstverständlich werden Sie appellieren, aber ebenso selbstverständlich ohne Erfolg. Jetzt darf man sich gegen Sozialdemokraten alles erlauben. Recht und Gesetz gibt es für uns nicht.

      Am heitersten sind die Entscheidungen der hohen Reichskommission auf die Beschwerden gegen die Unterdrückungsmaßregeln; die übertrumpft noch die Polizei. Nach den letzten Vorgängen in Berlin übrigens selbstverständlich.

      Kayser war diese Woche auch hier, er war noch stark gelb angelaufen; er will nach Breslau.

      Kann ich Ihnen in irgendeiner Weise dienen, so wollen Sie mir nur ungeniert schreiben; was zu tun möglich ist, soll geschehen. Im übrigen bewahren Sie sich die nötige philosophische Ruhe. Wären Sie jetzt in der ›Freiheit‹, so würden Sie auch viel Ärger und Verdruß haben, für uns ist Deutschland heute nur Zuchthaus.

      Herzliche Grüße von uns.

      Ihr A. Bebel.«

      Erläuternd bemerke ich: Die Ausweisung, die Vollmar traf, sobald er das Gefängnis verließ, erfolgte auf Grund eines alten sächsischen Gesetzes, wonach jede mit Gefängnis bestrafte Person aus ihrem Wohnort ausgewiesen werden konnte. Von dieser Gesetzesbestimmung machte man zu jener Zeit gegen bestrafte Sozialdemokraten umfassenden Gebrauch. Insbesondere waren damals Max Kayser und Wilhelm Ufert, die durch das halbe Königreich von Ort zu Ort verfolgt wurden, die Gehetzten.

      Meine Bemerkungen über die Reichskommission, über deren Wirksamkeit ich mich schon früher äußerte, mögen ergänzt werden durch einen Auszug aus den Tagebuchaufzeichnungen des verstorbenen Kultusministers Bosse, die erklärlich machen, daß diese Beschwerdekommission nicht anders handelte. Die Art ihrer Zusammensetzung sorgte dafür. Bosse schreibt unter dem 20. Oktober 1878:

      »Zunächst brachte Bismarck die Ausführung des Sozialistengesetzes zur Sprache! Annahme im Bundesrat, dann sofort Vorlage an den Kronprinzen um schleunigste Publikation... Als richterliche Mitglieder der Beschwerdekommission sind ihm die Mitglieder des Obertribunals v. Grävenitz, Clauswitz, Hahn und Delius als praktisch vollkommen zuverlässig bezeichnet worden. Der Justizminister schlug noch den Obertribunalrat v. Holleben vor und benützte den Anlaß, um – wie mir schien wenig taktvoll und geschickt – die preußischen Richter überhaupt als praktisch zuverlässig herauszustreichen. Fürst Bismarck meinte, wenn die preußischen Juristen alle so wären wie der Staatsanwalt Tessendorf, dann wären sie in der Rekursinstanz zu brauchen; aber die preußischen Staatsanwälte fühlten sich meist nicht als Regierungsbeamte, sondern als souveräne Richter. Den badischen Oberstaatsanwalt Kiefer bezeichnete er als abschreckendes Beispiel. An badische Richter könne man also für die Kommission nicht denken.«

      Ein zweiter Brief, den ich fünf Monate später unter dem 28. März 1879 an Vollmar über unsere Lage schrieb, lautet:

      »Ihr Brief vom 23. dieses ist in meinen Besitz gelangt. Ich hätte Ihnen schon längst geschrieben, wenn ich nicht fortgesetzt mit den widersprechendsten und häufig auch unangenehmsten Arbeiten überlastet wäre und infolgedessen allmählich in eine Aufregung gekommen bin, die mein Befinden zu keinem erfreulichen gemacht hat. Wenn man von allen Seiten um Rat und Hilfe angegangen wird, die volle Notwendigkeit dazu anerkennt und doch so wenig zu leisten vermag, so ist dies eine höchst unangenehme Situation. Was ich Ihnen, ich glaube schon einmal vor Monaten schrieb, die Krisis ruiniert uns materiell weit mehr als das Sozialistengesetz, gilt auch heute noch und mehr als früher in vollem Umfang. Die einzelnen Unternehmungen haben überall stetig an Halt verloren, und wenn das so fortgeht, so läßt sich mathematisch genau berechnen, wann sie aufhören existenzfähig zu sein. Daß unter solchen Umständen namentlich bei den überall beschränkten Fonds weit mehr an eine Reduzierung als an eine Vermehrung der Arbeitskräfte gedacht werden muß, brauche ich nicht erst zu sagen.

      Von unseren älteren und bekannteren Leuten sind Motteler und Kayser noch vollständig stellungslos, Wiemer hat die Fabrikation von Federhaltern aus Schilf ergriffen, Vahlteich will, da man ganz neuerdings ihn zwangsweise von hier fortgebracht – er wohnte unangemeldet hier –, in Chemnitz zur Schusterei greifen, der einarmige Seifert will es mit der Kolportage versuchen, Kayser, Hasenclever und Liebknecht werden zur Not noch hier gehalten, auf wie lange, wage ich bei dem Stand der Dinge nicht zu sagen, da die ›Neue Welt‹ bedeutend an Abonnenten verloren hat und hart am Rande des Defizits steht und die anderen Unternehmungen sich auch nur soso durchschlagen. Wie in dieser Lage für Sie passende Stellung gefunden werden soll, weiß ich bei dem besten Willen nicht. Vielleicht ließe sich mit Übersetzungsarbeiten, welche in Broschürenform gedruckt und, verbreitet werden können, aber selbstverständlich nicht der Gefahr der Unterdrückung ausgesetzt sein dürfen, etwas machen. Die hiesige Genossenschaft könnte sie in Verlag nehmen; doch wird dies immerhin nur eine mäßige Hilfe abwerfen. Ich will einmal mit Liebknecht reden, ob sich für auswärts eine Korrespondenz findet. Daß Sie bei S. nicht ankommen konnten, habe ich gefürchtet, S. ist furchtbar vorsichtig, bis zur Feigheit vorsichtig.

      Da fällt mir eben ein, daß Sie vielleicht eine Korrespondenz an der von Curti und Rüegg in Zürich am 1. April gegründeten »Züricher Post« bekommen könnten. Als ich kurz nach Ostern dort war, waren sie mit dem Stand des Blattes zufrieden. Viel werden sie freilich nicht leisten können. Curti war früher einer der Redakteure der ›Frankfurter Zeitung‹, schreiben Sie direkt an ihn, Brief wird jedenfalls unter der Adresse der Zeitung ankommen, und berufen Sie sich auf mich, wenn Sie ihn persönlich nicht kennen.«

      Unsere Verlegenheiten waren also nicht gering, aber sie mußten überwunden werden und sie wurden überwunden. Daß die Partei scheinbar alles geduldig über sich ergehen ließ, führte irre. Dem Reichskanzler paßte diese scheinbare Fügsamkeit gar nicht, er hätte am liebsten gesehen, wir ließen uns zu Putschen hinreißen. Von der geleisteten Minierarbeit hatte er keine Vorstellung. In jenen Tagen wurde ihm die Äußerung zugeschrieben: »Man muß die Sozialdemokratie so lange schikanieren und drangsalieren, bis sie losschlägt, um sie dann gründlich ausrotten zu können.« Dieselbe Auffassung vertrat er noch gegen Ende des Gesetzes, als Wilhelm II. durch, die Einberufung der internationalen Arbeiterschutzkonferenz und den bekannten Februarerlaß von 1890 andere Wege einschlug. Auch in anderen maßgebenden Kreisen, namentlich den militärischen, war der Glaube verbreitet, die Sozialdemokratie werde auf die Verkündung des Ausnahmegesetzes durch offenen Aufruhr antworten, und war überrascht, daß dies nicht geschah. Man sah darin nur einen Beweis unserer Feigheit. So erzählte mir im Frühjahr 1880 die Schwester des Philosophen Mainländer, deren persönliche Bekanntschaft ich gemacht hatte, sie sei vor kurzem einige Wochen zu Besuch in Berlin gewesen – die Dame wohnte in Offenbach – und sei bei dieser Gelegenheit in eine größere Gesellschaft gekommen, in der sich auch mehrere Gardeoffiziere befanden. Im Laufe des Abends sei die Unterhaltung auch auf die Sozialdemokratie gekommen, und da sei sie erschrocken über den Haß, den die Offiziere gegen uns bekundeten. So habe der eine geäußert: Hätten die Kerls den Mut loszuschlagen, wir wateten bis an die Knöchel in ihrem Blut.

      Um aber auch die entsprechende Stimmung bei dem alten Kaiser gegen uns immer mehr zu schüren, unterhielt man ihn mit den schlimmsten Märchen über unsere angeblichen Pläne. So nur war es möglich, daß, als der alte Herr nach monatelanger Abwesenheit am 7. Dezember 1878 – neun Tage nach Verhängung des kleinen Belagerungszustandes über Berlin СКАЧАТЬ