Aus meinem Leben - 3. Teil. August Bebel
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Название: Aus meinem Leben - 3. Teil

Автор: August Bebel

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 9783966511698

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СКАЧАТЬ Prinzip, die Häupter der Staaten zu beseitigen.« Mit solchen Geschichten schüchterte man Wilhelm I. ebenso ein, wie man durch die gleichen Geschichten nachher unter dem Ministerium Feilitzsch Ludwig II. von Bayern vor der Sozialdemokratie ängstigte. Und man versuchte die gleichen Mittel bei Wilhelm II. anzuwenden. Mir haben Bekannte, die das kaiserliche Schloß besuchten, wiederholt berichtet, daß im Arbeitszimmer Wilhelms I. auf dessen Schreibtisch die bösesten Hetz- und Schandschriften über unsere Partei gelegen hätten. Zu welchem Zweck ist klar.

      Den Herren da oben geht es wie anderen Sterblichen, sie glauben zu schieben und werden geschoben, sie glauben zu regieren und werden regiert.

      In den bürgerlichen Kreisen glaubte man vielfach, wir seien mausetot. Was der Mensch gern hofft, das glaubt er. Weil wir so wenig äußere Lebenszeichen von uns gaben, was war wahrscheinlicher, als daß wir kaum noch lebten. Aber wir lebten. Als es im Februar 1879 in Breslau-West zu einer Nachwahl kam, trat auch die Partei in die Schranken, und wenn sie auch keinen Sieg erfocht und weniger Stimmen auf ihren Kandidaten vereinigte als bei der Hauptwahl im Jahre 1878, im Vergleich zu den bürgerlichen Parteien hatten wir am wenigsten eingebüßt. Ein zweiter Vorgang in Breslau zeigte in noch deutlicherem Maße, daß die Partei noch am Leben sei. Am 22. Mai war der Abgeordnete für Breslau-Ost, der Genosse Klaus Peter Reinders an der Proletarierkrankheit gestorben. Reinders, der selbst bis zum letzten Atemzuge mit Leib und Seele für die Partei tätig gewesen, dem die Partei das Höchste war, bekam eine Leichenfeier, wie sie Breslau noch nie gesehen hatte. Und der Erfolg bei der Nachwahl für ihn übertraf unsere kühnsten Erwartungen. Zwar griff mit einer bisher nie gekannten Brutalität die Polizei in den Wahlkampf ein, sie verbot zum Beispiel alle Wahlversammlungen, so daß Hasenclever, der als Kandidat aufgestellt war, und Max Kayser, der ihn im Wahlkampf unterstützen wollte, nur in einer Versammlung in der freien Gemeinde sprechen konnten. Das Resultat der Wahl am 8. Juli war engere Wahl zwischen Hasenclever und dem fortschrittlichen Kandidaten, und in dieser siegte Hasenclever mit 1200 Stimmen Mehrheit. Die Gegner waren betroffen, um so mehr begrüßte die Partei mit großer Genugtuung diesen Sieg. Der Beweis war erbracht, daß auch unter dem Sozialistengesetz allen Schikanen und Gewalttaten zum Trotz die Partei zu siegen verstand.

      Dem Breslauer Sieg folgte ein schwerer Verlust für die Partei. Am 1. August starb nach kurzem Krankenlager August Geib am Herzschlag. Man darf es aussprechen, der scheinbar so robuste Mann mit dem prächtigen langbärtigen Männerkopf starb im 38. Lebensjahr als ein Opfer des Sozialistengesetzes. Ohne dessen Aufregungen, Ärgernisse und Sorgen hätte er noch viele Jahre gelebt. Die ganze Liebe und Verehrung für den Mann, der im Rate der Partei stets einer der Ersten und Besten gewesen, kam bei seinem Begräbnis zum Ausdruck. Über dreißigtausend Arbeiter folgten seinem Sarge. Hamburg, die stolzeste Feste der Partei bewies nachher, daß der Same aufgegangen, den Geib als Sämann mit ausgestreut hatte. Aus Anlaß seines Todes schrieb die Frau des schon damals schwer erkrankten Bracke an meine Frau:

      »Braunschweig, den 2. August 1879.

      Meine liebe Julie!

      Es drängt mich, Dir heute einige Zeilen zu schreiben. Beim Empfang dieses Briefes wird es Dir gewiß auch schon bekannt sein, daß Herr Geib gestern am Herzschlag gestorben. Es tut uns sehr sehr leid, er war ein braver Mann und ein treuer, wackerer Kämpfer im Dienste der Sozialdemokratie. Mein Mann wurde heute morgen so von seiner inneren Stimmung beherrscht, daß ihm die Tränen in die Augen traten, und ich fühle es der armen Frau Geib nur zu gut nach. Sie haben keine Kinder, und so war ihr Mann ihr alles. O, es ist überwältigend, mit einem Schlage so elend in der Welt dazustehen, das Leben muß einem zu einer traurigen Einöde werden. Gestern hatten wir die große Freude, Deinen lieben Mann bei uns zu sehen. Wir machten auch einen kleinen Ausflug ins Gehölz per Wagen, denn mein Mann kann leider immer noch nicht gut gehen. Die Füße sind ihm wie gelähmt, es ist kein Leben darin. Dein Mann wird Dir's späterhin erzählen. Wieviel Angst und Sorge mir dieser Zustand macht, brauche ich Dir wohl kaum zu sagen. Man sieht keine Besserung, und das macht einen mut- und hoffnungslos. Wenn ich daran denke, wie er früher gut zu Fuß war und tüchtig marschieren konnte, und wenn ich ihn jetzt dahingehen sehe, so blutet mir das Herz. Der Gedanke, daß es ihm auch so ergehen könnte, wie dem Großpapa, will mir gar nicht aus dem Sinn, und er ist ja doch noch so jung, wieviel schwerer ist ein solches Schicksal doch für einen jungen Mann, als für jemand, dessen Lebensabend schon ziemlich weit vorgerückt ist. In acht Tagen wird mein Mann eine Kur gebrauchen in Baden-Baden. Mein Bruder ist soeben nach Hamburg zu Geibs Begräbnis. Er wird hoffentlich Deinen guten Mann auch dort antreffen. Mein Mann hat dem Deinigen nach Hannover telegraphiert. Derselbe wird sich auch sehr erschrocken haben, wir sprachen noch über Geibs Kranksein. Für Eure freundliche Einladung tausend Dank, wie gern käme ich mal nach Leipzig, doch daran ist gar nicht zu denken. Dahingegen hat mir aber Dein Mann versprochen, daß Du mit Frida diesen kommenden Herbst uns besuchen sollst. Eine größere Freude könnte es für mich nicht geben. Wir werden uns später noch darüber schreiben. Für heute sage ich Dir Adieu, ich muß hinunter, das Abendbrot zu besorgen. Lebe recht wohl und schreibe mir bald einmal ein paar Zeilen wieder. Tausend herzliche Grüße von uns allen auch für Frida in treuer Liebe Deine

      Emilie Bracke.«

      Als Frau Bracke diesen Brief schrieb, ahnte sie nicht, daß ehe ein Jahr verging, sie ebenfalls Witwe war.

      Dem schweren Verlust, den uns der Tod August Geibs zugefügt, folgten wieder Erfolge. Im August 1879 fanden in Sachsen die Landtagsergänzungswahlen statt, bei denen nach dem Gesetz nur ein Drittel der Wahlkreise beteiligt ist. In einem der Wahlkreise, Leipzig Land, siegte Liebknecht und in Zwickau Land Rechtsanwalt Puttrich. Ein bedeutendes Mehr an Stimmen gegen früher erhielten wir in einem der Dresdener Landwahlkreise und in einem Wahlkreise der Stadt Chemnitz. In letzterer Stadt tobte die Polizei wie besessen. So verhaftete sie kurz vor dem Wahltag zwanzig Parteigenossen, die Flugblätter und Stimmzettel falzten, und führte sie wie ein Bündel Zigarren mit einem Strick umschnürt nach dem Polizeiamt. Dort wurden die meisten der Verhafteten wieder entlassen; dagegen wurden Julius Vahlteich, der Kandidat der Partei, und einige andere wider Recht und Gesetz für mehrere Tage in Haft genommen. Eine Anklage konnte nicht erhoben werden. Zweck dieser Prozedur war, unsere Wahlagitation zu durchkreuzen. Dieser Zweck wurde durch die schnöde Rechtsverletzung, die sich die Chemnitzer Polizei zuschulden kommen ließ, auch erreicht.

      Bei den Reichstagsnachwahlen in Erfurt und in Magdeburg schnitt die Partei sehr günstig ab. Diese Erfolge wirkten so niederschlagend auf die gegnerische Presse, daß ein Teil derselben jetzt befürwortend dafür eintrat, das Sozialistengesetz über den 31. Oktober 1881 hinaus zu verlängern. Anfang Januar 1880 sah Bracke sich genötigt, sein Mandat für den 17. sächsischen Reichstagswahlkreis Glauchau-Meerane-Hohenstein niederzulegen. Dieser Rücktritt vom Mandat veranlaßte die gegnerische Presse zu allerlei plumpen Verdrehungen und Unwahrheiten. Bracke sollte das Mandat niedergelegt haben, weil er weder mit dem »Sozialdemokrat« einverstanden sei, noch sich in Übereinstimmung mit Liebknecht und mir befinde. Weiter hätten geschäftliche Rücksichten ihn zum Rücktritt aus der Öffentlichkeit veranlaßt. Darauf antwortete Bracke in der Nummer 15 des »Sozialdemokrat« vom 11. April 1880:

      »Ich erkläre erstens: Mein Gesundheitszustand ist leider ein so trauriger, daß noch vor Weihnachten mein Arzt Dr. med. Otto Müller, wie er mir nach der seit einigen Monaten eingetretenen Besserung sagte, die ernstesten Bedenken hegte. Auch jetzt leide ich noch an periodisch auftretenden, äußerst heftigen Katarrhen, welche allein genügen, mich zum Stillsitzen zu zwingen; an einem rheumatischen Zustande, der mir oftmals nicht erlaubt, ohne Hilfe wenige Schritte im Zimmer zu gehen; an einem Nervenleiden, welches jede größere Anstrengung und Aufregung als gefährlich, wenn nicht tödlich erscheinen läßt. Wenn an diese Krankheit aber in Braunschweig kein Mensch glaubt, so muß sich die Mehrheit der Einwohner über Nacht in Tiere oder Engel verwandelt haben. Zweitens: Geschäftliche »Rücksichten«, wie überhaupt materielle Interessen haben mich nie in meinem Leben davon abgehalten, für meine Überzeugung meine Pflicht zu tun. Die Behauptung des Gegenteils СКАЧАТЬ