Nietzsche aus Frankreich. Jacques Derrida
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Nietzsche aus Frankreich - Jacques Derrida страница 14

Название: Nietzsche aus Frankreich

Автор: Jacques Derrida

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

Серия:

isbn: 9783863936082

isbn:

СКАЧАТЬ waren, einander zu folgen, sich zu fliehen, sich zu vereinigen; so sah für einen Augenblick das erstaunliche Gleichgewicht der im Mythos erblühten Welt aus, in der dank der nach Geschlecht1 und Gattung vielfältig unterschiedenen Götterbilder weder »Bewußtsein« noch »Unbewußtsein«, weder »Außen« noch »Innen«, weder »dunkle Mächte« noch »Phantasmen« den Geist beschäftigten, da die Seele sich ganz und gar darin genügte, Bilder in einen Raum zu setzen, der sich von der Seele nicht unterschied. Wenn in dieser Beziehung der moralische Monotheismus die Herrschaft des Menschen über sich selber vollendet und die Natur dem Menschen dienstbar gemacht hat, indem er das anthropologische Phänomen der Wissenschaft erlaubte, so hat er doch, Nietzsche zufolge, ein tiefes Ungleichgewicht verursacht, das am Ende von zwei Jahrtausenden in nihilistischer Zerrüttung endet; daher auch die Entfremdung des Universums durch den Menschen, die Nietzsche in seiner Erforschung durch die Wissenschaft begründet sieht und mithin der Verlust dessen, was das der Metamorphose fähige Heimweh der Seele ausdrückt: Eros, der, so sagt Nietzsche, aus dem Menschen ein Tier macht, das anbetet. Der »Tod Gottes« erreicht nun den Eros der Seele und trifft den Trieb zur Verehrung an seiner Wurzel, diesen Trieb, der die Götter erzeugt, der für Nietzsche zugleich schöpferischer Wille und Wille zur Ewigkeit ist. Der »Tod Gottes« bedeutet in dieser Beziehung einen Bruch im Eros, der ihn seither in zwei gegensätzliche Strebungen spaltet: den Willen, sich selbst zu erschaffen, der immer mit Zerstörung einhergeht, und den Willen zur Verehrung, der nie ohne den Willen zur Ewigkeit auskommt.

      Und sofern der Wille zur Macht nur ein andrer Begriff für die Gesamtheit dieser Strebungen ist und die universelle Fähigkeit zur Metamorphose begründet, findet er etwas wie seine Kompensation, wie seine Genesung in der Identifizierung mit Dionysos, diesem alten Gott des Polytheismus, der, bei Nietzsche, alle toten und wiederauferstandenen Götter darstellt und in sich vereinigt.

      Zarathustra trägt der Dissoziation dieses zweierlei Wollens, dem des Schaffens und dem des Verehrens, Rechnung, wenn er die Schöpfung neuer Werte fordert; neuer Wahrheiten also, an die der Mensch nie zu glauben, denen er nie zu gehorchen vermöchte, sofern sie vom Siegel des Notstands und der Destruktion gezeichnet sind. Was ausschließt, daß der Wille zur Schöpfung neuer Werte das Bedürfnis nach Verehrung je befriedigen könnte, ist dies, daß dieses Bedürfnis dem Willen zur Ewigkeit des Selbst innewohnt. Ist der Mensch ein Tier, das anbetet, so vermag er doch allein das anzubeten, was ihm aus der Notwendigkeit zu sein zukommt – ihretwegen kann er nicht nicht sein wollen. Und so vermöchte er den Werten, die er selber frei erzeugt, weder zu glauben, noch zu gehorchen, wenn es sich in ihnen nicht um die Bilder seines Bedürfnisses nach Ewigkeit handelte. Daher bei Zarathustra der Wechsel zwischen dem Schaffenwollen in der Abwesenheit der Götter und der Anschauung des Tanzes der Götter, der das Universum auslegt. Erst als er verkündet, daß alle Götter tot sind, fordert Zarathustra, daß von nun an der Übermensch lebe, das heißt die Menschheit, die sich selbst zu überwinden versteht. Wie nun überwindet sie sich? Indem sie von allen Dingen, die schon gewesen sind, noch einmal will, daß sie, und zwar durch ihr eigenes Tun, wiederkehren: dies Tun definiert sich als Wille zur Schöpfung und Zarathustra erklärt Wenn es Götter gäbe, was gäbe es dann noch zu schaffen? Doch was treibt den Menschen zur Schöpfung, wenn es nicht das Gesetz der ewigen Wiederkehr ist, dem anzuhängen er sich entschieden hat? Wem hängt er an, wenn nicht einem Leben, das er vergessen hat und das die Offenbarung der ewigen Wiederkehr als Gesetz ihn antreibt noch einmal zu wollen? Und was will er noch einmal, wenn nicht das, was zu wollen er eben jetzt nicht vermeinte: heißt das, daß die Abwesenheit der Götter ihn zur Schöpfung neuer Götter antreibt? Oder will er die Wiederkehr der Zeiten verhindern, in denen er die Götter verehrte? Indem er die Götter noch einmal will, will er den Übergang der Menschen zu einem höheren Leben? Doch wie könnte von nun an ein Leben anders höher sein als dadurch, daß es sich dem zuwendet, was schon einmal war? Wie anders als dadurch, daß es sich zu einem Zustand zurückwendet, in dem es die Götter nicht schaffen, sondern verehren wollte? Und so wird noch einmal deutlich, daß die Lehre von der ewigen Wiederkehr als der bloße Schein und das Bild einer Lehre zu verstehen ist, deren parodistischer Charakter von der Heiterkeit als einem Attribut des sich selbst genügenden Daseins zeugt; denn sei’s, daß die Wahrheit im Lachen der Götter explodiert, sei’s, daß die Götter selber in irrem Gelächter sterben – im Grund der Ganzen Wahrheit erschallt das Gelächter:

      Sie haben sich selber einmal zu Tode – gelacht!

      Das geschah, als das gottloseste Wort von einem Gotte selber ausging – das Wort: »Es ist ein Gott! Du sollst keinen andern Gott haben neben mir!«

      Und alle Götter lachten damals und wackelten auf ihren Stühlen und riefen: »Ist das nicht eben Göttlichkeit, daß es Götter, aber keinen Gott gibt?«

      Das Lachen ist hier wie das höchste Bild, die höchste Darstellung des Göttlichen, die die ausgesprochenen Götter wieder verzehrt und sie in einem neuen Gelächter wieder ausspricht; denn wenn sich die Götter totlachen, so werden doch aus diesem Gelächter, das vom Grunde der Wahrheit erschallt, die Götter auch wiedergeboren.

      Anmerkungen

      1 Was man hier flüchtig gewahrt, ist nicht die Rückkehr zu einer Dämonologie: wie viele dunkle Mächte, so viele Dämonen, sondern zu einer Theogonie: wie viele psychische Dispositionen, so viele Götter; wie viele verträgliche oder widerstreitende Dispositionen, so viele sich bekämpfende oder sich vereinigende Gottheiten. Die Dämonologie neoplatonischer Herkunft ist schon auf dem Weg zur Psychologie, einer figurativen Psychologie gleichsam (einer Art Gestaltpsychologie), während die Pantheologie einen Begriff von Raum voraussetzt, in dem das seelische Leben und das des Kosmos einen einzigen Raum bilden, worin sich, was wir »psychisches« Ereignis nennen, als räumliches Geschehen darstellt. Insofern schafft die Pantheologie des Mythos mit seinen Götter-Genealogien, mit seinen Liebesabenteuern von Göttern und Göttinnen ein Gleichgewicht zwischen dem Menschen und seinen Kräften: denn sie finden hier ihren Ausdruck in den ewigen Göttergestalten: die praktischen Konsequenzen eines derartigen Gleichgewichts sind denen einer rein psychologischen Konzeption diametral entgegengesetzt: Bewußtsein und Wille und folglich Moral des Verhaltens. In der Theogonie herrscht nur der Austausch zwischen Gunst und Ungunst des Seins: die Gestalt eines bestimmten Gottes, welche die Gestalt einer bestimmten Göttin nach dem Gesetz СКАЧАТЬ