Erwerb der deutschen Pluralflexion. Gülsüm Günay
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Название: Erwerb der deutschen Pluralflexion

Автор: Gülsüm Günay

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Language Development

isbn: 9783823300243

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СКАЧАТЬ unmarkiert werden Fälle „mit größerem Skopus und/oder höherer Validität“ (Wegener 1995b: 7) bezeichnet, während die Ausnahmen bzw. Nebenregeln als markiert gelten. Diese Abstufung nimmt Wegener bei der Formulierung aller Regeln vor.

      Ebenso mit Hinblick auf den Sprachunterricht fokussiert sie folgende vier Regeln (siehe Wegener 1995b: 89):

       1 Auf Schwa (-e) endenden Nomen wird im unmarkierten Fall das Genus Femininum zugewiesen:

(27)Säge, Liebe, Kette

       2 Einsilbige „und andere Kernwörter“ erhalten im unmarkierten Fall eine Maskulinmarkierung:

(28)Ball, Zug, Fuß

       3 Ebenso sind auf -el, -en, -er endende Nomen im unmarkierten Fall maskulin:

(29)Deckel, Wagen, Becher

       4 Derivationssuffixe des Nomens bestimmen sein Genus:

(30)Gesundheit, Schönling, Zöpfchen

      Die erste Regel gilt nach Wegener für 90 Prozent der Nomen, die auf Schwa enden, die zweite Regel für 51,8 Prozent der Einsilber, die dritte Regel für 65 Prozent der auf –el, -en und -er endenden Nomen und die vierte Regel für 100 Prozent der auf Suffixe, wie -ung und -heit endenden Nomen. Sie betont aber, dass trotz dieser teilweise sehr zuverlässigen Regeln keine Aussage über die Genuszuweisung der gesamten deutschen Nomen vorgenommen werden kann, ohne den „Skopus“ (ebd.) mit zu betrachten. Der Skopus zeigt, wie groß der Anwendungsbereich einer Regel ist. Der Wert wird auf der Grundlage von Oehlers (1966) „Grundwortschatz Deutsch“ ermittelt, und gibt an, auf wieviel Prozent der aufgelisteten Nomen diese Regel zutrifft. Mit diesen Regeln ist noch nicht erfasst, für wie viele Nomen des Deutschen hiermit eine Vorhersage formuliert werden kann.

      Der von Wegener errechnete Gesamtskopuswert beträgt 65,4 Prozent (Wegener 1995e: 3). Das bedeutet, dass demnach für 65,4 Prozent der Nomen aus Oehlers Liste das Genus mit den oben aufgeführten Regeln zugewiesen werden kann. Die Regeln sind jedoch „nur von geringer Validität, da sie zahlreiche Ausnahmen zulassen“ (ebd.). Aus diesem Grund sei es zutreffender, wenn diese Regeln als Genuszuweisungsprinzipien und nicht als Genusszuweisungsregeln bezeichnet werden. Es kann somit festgehalten werden, dass das Genussystem nicht „als extrem wenig regelgeleitet und funktional angesehen“ (Weber 2001: 81) werden kann, sondern dass „deutliche Tendenzregeln für die Genusverteilung“ (Wegera 1997: 17) festgestellt werden können.

      Aus der historischen Sprachwissenschaft wissen wir, dass alle grammatischen Kategorien, die keine Funktionen erfüllen bzw. ihre Funktionen verlieren, mit der Zeit abgebaut werden und aus dem Sprachsystem verschwinden. Betrachten wir das deutsche Genussystem, dann ist eine solche Entwicklung nicht einmal in Ansätzen oder als Tendenz festzustellen. Bereits diese Beobachtung zeigt uns, dass das Genus bestimmte Funktionen im deutschen Sprachsystem übernehmen muss. Befürworter dieser Sichtweise fokussieren dabei ihre Aufmerksamkeit auf eine der beiden folgenden Funktionsannahmen: Entweder wird das bereits beschriebene Phänomen der „Kongruenz“ als Hauptfunktion des deutschen Genus betrachtet oder ihre Eigenschaft, im Sprachsystem eine „Klassifikation“ vorzunehmen (Schwarze 2008: 75). Während beispielsweise Corbett (1991) vorschlägt, „agreement“, also Kongruenz, als wichtigste Funktion des Genus anzunehmen, sieht Wegener (1995a) die „Grundfunktion der Genera“ darin, „den nominalen Wortschatz einer Sprache zu gliedern, zu klassifizieren“ (Wegener 1995b: 60, siehe auch: Bittner 1994: 66ff., Lemke 2008: 106 und Aikhenvald 2004: 1031f.). Doch diese „klassifikatorische Funktion“ sei im Deutschen „nur höchst unvollkommen“ (Wegener 1995b: 1). Aus diesem Grund komme den syntaktischen Funktionen im Deutschen wohl eine bedeutendere Rolle zu (vgl. Wegener 1995b: 62). Dazu zählen zum Beispiel die Klammerbildung und die Herstellung von Textkohärenz (siehe Wegener 1995b: 65 und Montanari 2010: 178f.). Hinzu kommen auch semantische und lexikalische Funktionen: „Es trägt zum systematischen Aufbau des Lexikons bei (Rothweiler/Meibauer 1999; […]) und hilft, die Welt in Bedeutungskategorien der Belebtheit, Geschlechtigkeit und Zählbarkeit zu fassen (Leiss 2000)“ (Montanari 2010: 178).

      Das Genus erfüllt zudem eine „numerusdifferenzierende Aufgabe“ (ebd.):

(31)der Würfeldie Würfel
das Kaninchendie Kaninchen

      2.3 Das Kasussystem des Deutschen

      Im Deutschen sind die vier Merkmale Nominativ, Akkusativ, Dativ und Genitiv in der Merkmalklasse Kasus vorzufinden. Im Gegensatz zum Genus, bei dem für die einzelnen Nomen die Merkmale feststehen und nicht geändert werden können, sind in der Kategorie Kasus die Merkmale durch die umgebenden syntaktischen Gegebenheiten bestimmt. Die Kategorien Genus, Numerus und Kasus erzeugen zusammen die Kongruenz innerhalb der Nominalphrase. Wie erfolgt dabei die Markierung des Kasus im Deutschen? Wie sieht es mit den Gesetzmäßigkeiten in dieser Kategorie aus? Und welche Funktionen erfüllt der Kasus? Diese Fragen sollen im Folgenden kurz beantwortet werden, ohne den Anspruch zu erheben, auf die facettenreichen Diskussionspunkte und die einzelnen Theorien in der „kaum mehr überschaubaren Literatur“ (Wegener 1995b: 120) zum Kasus einzugehen und diese zu erfassen.

      Nach Blake (2004: 1073) markiert Kasus vor allem „the relationship of a noun phrase to a verb“, so dass man demnach bei der Beschreibung der Kasusmarkierungen im Deutschen sowohl die Ebene der Morphologie als auch die Ebene der Syntax betrachten muss. Mit Hinblick auf den empirischen Teil der vorliegenden Arbeit wird im Folgenden der Blick auf die Markierung beim Nomen, beim Artikel und beim Adjektiv fokussiert werden.

      Während bei der Kategorie Numerus die Pluralmarkierung ausschließlich am Nomen erfolgt, werden in der Kategorie Kasus „die Kasusmarker in wenigen Fällen (Genitiv-Singular und Dativ-Plural) am Nomen selbst realisiert“ (Wegener 1995b: 142):

(32)Genitiv-Singular:→ Der Hund des Mannes im 2. Stock bellt immer.
(33)Dativ-Plural:→ Er schenkt den Schwestern immer die gleichen Geschenke.

      Ansonsten erfolgt die Markierung an den Determinierern und bzw. oder – wenn vorhanden – am Adjektiv, während der Determinierer „the maximum amount of differentation“ (Blake 2004: 1078) aufweist:

NeutrumMaskulinumFemininum
Nominativdas dicke Buchder kleine Tischdie schöne Tasche
Akkusativdas dicke Buchden kleinen Tischdie schöne Tasche
Dativdem dickenBuch(e)dem kleinenTisch(e)der schönenTasche
Genitivdes dickenBuchesdes kleinen Tischesder schönenTasche

      Tabelle 4: Kasusmarkierung im Deutschen (im Singular)

      Es ist anzumerken, dass die oben dargestellten Markierungen nur für die Merkmalsausprägung im Singular gelten. Für Pluralnomina sind andere Markierungen festzustellen:

NeutrumMaskulinumFemininum
Nominativdie СКАЧАТЬ