Название: Sag mir, was du wirklich meinst
Автор: Oren Jay Sofer
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783867813693
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Sie haben vom Innehalten gesprochen. Ich glaube, dass ich das in den meisten Gesprächen nicht könnte. Ich fürchte, dann würde ich gar nicht mehr zu Wort kommen!
Das Vertrauen in unsere eigene Stimme, also das Vertrauen, dass wir Raum einnehmen und unsere Meinung sagen dürfen, ist sehr wichtig. Alle Kommunikationsmethoden sollten diese Art innere Gelassenheit fördern. Eine bewusste, längere Pause ist meist eher in Übungssituationen passend. Vielleicht gibt es bestimmte Gespräche oder Beziehungen, in denen es funktionieren würde, eine längere Pause zu machen, aber generell ist es hilfreich, die Pausen kurz und weniger offensichtlich zu halten.
6 Unsere sozialen Institutionen sind von den Gedanken- und Wahrnehmungsmustern geprägt, die unsere Kommunikation bestimmen (und verstärken diese zugleich). Daher muss ein zentraler Bestandteil der Arbeit an der Transformation dieser Institutionen parallel die innere Arbeit sein, mit der wir unser Bewusstsein transformieren. Anderenfalls laufen wir Gefahr, genau die Systeme zu reproduzieren, die wir eigentlich ändern wollen.
7 Menschen sind soziale Geschöpfe, die sich viele Bedürfnisse in Gegenseitigkeit erfüllen. Im Laufe der Evolution lebten wir in kleinen Gruppen, die gemeinsam dafür sorgten, die Bedürfnisse der Sippe nach Schutzraum, Nahrung und Sicherheit zu erfüllen. Diese Ursprünge drücken sich auf vielfältige Weise aus. Während eines Menschenlebens verändert sich das Bedürfnis nach sozialer Verbundenheit im Laufe der Zeit. Es ist wissenschaftlich klar belegt, dass Menschen nach der Geburt und in den ersten Lebensjahren ein physiologisches Bedürfnis nach Verbundenheit haben (sichere, gesunde menschliche Berührung und soziale Interaktion). Das Wachstum und die Entwicklung des menschlichen Gehirns und des Nervensystems hängen davon ab, dass wir kontinuierlichen Kontakt und soziale Interaktionen mit gesunden, gut regulierten Erwachsenen haben.Wenn wir älter werden, wird soziale Verbundenheit relevant für die Entwicklung von Empathie und emotionaler Intelligenz. Im Jugendalter zeigt sich dies psychologisch in der Herausbildung der Identität und der Entwicklung von Ich-Stärke sowie auch biologisch im Fortpflanzungstrieb. Im Erwachsenenalter bleibt die Relevanz des Bedürfnisses nach sozialer Verbundenheit in dieser Form bestehen (ergänzt durch die spirituelle Ebene, die Erkundung von Bewusstsein und der Subjekt-Objekt-Dualität) und führt zudem zu der Strategie zusammenzuarbeiten, um sich miteinander und gegenseitig weitere Bedürfnisse zu erfüllen, falls gewollt oder notwendig.
8 Als soziale Wesen haben wir feine Antennen für das, was unsere Nervensysteme uns über andere Menschen und über unsere Umgebung mitteilen. Soziale Interaktion kann das Nervensystem beruhigen oder aktivieren, je nach den Umständen und dem inneren Zustand der Beteiligten.
9 Schlüsselaspekte unserer Kommunikation werden vom vagalen System gesteuert (eine Nervenkonstellation, die den Vagus und den Trigeminus umfasst). Das Innenohr filtert irrelevante Geräusche heraus und stellt sich auf die menschliche Stimme ein; die Gesichtsmuskeln bringen Emotionen und andere Signale zum Ausdruck; der Kehlkopf steuert den Ton der Stimme und die Artikulation beim Sprechen. All das ist Teil des menschlichen Social Engagement System (SES), dem dritten Zweig des autonomen Nervensystem, einzigartig in seiner evolutionären Entwicklungsgeschichte wie auch in seiner neuronalen Architektur (siehe die beiden folgenden Anmerkungen).Diese Konzepte stammen aus der bahnbrechenden Polyvagal-Theorie von Stephen Porges. Siehe Porges, Stephen W.: Die Polyvagal-Theorie. Neurophysiologische Grundlagen der Therapie. Emotionen, Bindung, Kommunikation und ihre Entstehung, Paderborn: Junfermann 2010 (orig. The Polyvagal Theory. Neurophysiological Foundations of Emotions, Attachment, Communication, and Self-Regulation, New York: W. W. Norton 2011).
10 Vgl. Porges, Stephen W.: »Neuroception: A Subconscious System for Detecting Threats and Safety«, Zero to Three 24 (5), 2004, S. 19–24. Siehe auch die vorangegangene und die folgende Anmerkung.
11 Ursprünglich hat man zwei Äste des autonomen Nervensystems unterschieden: den sympathischen Zweig, der für die grundlegende physiologische Homöostase und den Kampf-oder-Flucht-Mechanismus verantwortlich ist, und den parasympathischen Zweig, verantwortlich für die Körperfunktionen des Ausruhens und Verdauens. Sympathische Aktivierung leitet Energie in den Körper, um ihn handlungsfähig zu machen, reguliert Funktionen wie den Herzschlag und bereitet ihn darauf vor, Gefahren zu begegnen. Der parasympathische Zweig bremst den Fluss dieser Energie und unterstützt uns, uns zu entspannen, abzuschalten und die Erregung der sympathischen Aktivierung zu drosseln. (Porges’ Polyvagal-Theorie geht von einem dritten Zweig des autonomen Nervensystems aus: dem »Social Engagement System«, das ebenfalls zum Parasympathikus zählt.)
2
Die Kraft der Achtsamkeit
»Es ist etwas Mysteriöses und Heiliges daran, lebendig zu sein. Es ist ein Gewahrsein über etwas, was zu wichtig ist, um es zu vergessen.«
Christina Feldman
Mein Vater wuchs in den Vierzigerjahren in einer Hütte auf, die aus einem einzigen Raum bestand. In Palästina, damals unter britischem Mandat, züchtete seine Mutter Hühner, Ziegen und Hasen, während sein Vater Wände verputzte und einen Kiosk betrieb, in dem Zeitschriften, Süßigkeiten und frischer Saft angeboten wurden. Sie beide waren als Jugendliche in der Hoffnung auf ein besseres Leben aus Belarus und Polen gekommen. Als ältestes von drei Kindern wurde mein Vater mit dreizehn Jahren in einen Kibbuz geschickt, damit es in der Familie »ein Maul weniger zu stopfen« gab.
Erst kürzlich erzählte er mir, wie er in den ersten Wochen, die er im Kibbuz verbrachte, jeden Abend in seinem Zimmer stand und zusah, wie die Sonne über den Feldern unterging. Er erzählte, wie schön diese Sonnenuntergänge gewesen seien und wie friedlich er sich dabei gefühlt habe. »Ein paar Monate später schaute ich zufällig auf, als ich gerade in meinem Zimmer war, und stellte fest, dass die Sonne unterging. Ich hatte aufgehört, sie wahrzunehmen.« Er hielt inne und wurde still. »Das beschäftigt mich seither. Wie kommt es, dass ich aufgehört hatte, den Sonnenuntergang wahrzunehmen?«
Einen Großteil unserer Zeit sind wir nicht wirklich hier; wir sind nicht mit unseren Sinnen und der unmittelbaren Erfahrung unserer Lebendigkeit verbunden. Unsere Aufmerksamkeit ist woanders, wir denken an die Vergangenheit oder die Zukunft – planen, machen uns Sorgen, erinnern uns, bedauern. Die Geschichte meines Vaters erzählt von einem Schlüsselmoment, den wir in ähnlicher Form alle immer wieder erleben – wenn wir bemerken, dass wir nicht in voller Bewusstheit leben, was machen wir dann damit?
Den Boden für die zwischenmenschliche Verbindung bereiten
Achtsamkeit gibt uns unser Leben zurück. Sie lässt uns die Schönheit eines Sonnenuntergangs genießen, das Wunder eines alten Baums oder das Mysterium und das Glück, das in der Nähe zu einem anderen Menschen liegt. In solchen Erlebnissen sind wir mit ganzem Herzen anwesend. Die Kraft ihrer Intensität erzeugt einen Zustand natürlichen Gewahrseins, in dem wir ganz tief da sind, verbunden mit uns selbst und unserem Umfeld.
Dieser Zustand achtsamer Präsenz steht uns jederzeit offen. Er bereichert alltägliche Erlebnisse, sei es die Zubereitung einer Mahlzeit, ein Gespräch mit einem Familienmitglied oder das Gefühl von Morgenluft auf der Haut. Er lässt uns das Leben wertschätzen und die schwierigen Zeiten leichter durchstehen.
Wie ich bereits sagte, spielt achtsame Präsenz auch in der Kommunikation eine wichtige СКАЧАТЬ