Название: Sag mir, was du wirklich meinst
Автор: Oren Jay Sofer
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783867813693
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Vor einigen Jahren musste ich dies auf schmerzvolle Weise erfahren. Ich war auf der Abschiedsparty für meine Freundin Evan, die gerade ein Jahr ehrenamtliche Arbeit in einem Meditationszentrum beendet hatte. Wir hatten geplant, nach der Party an der kalifornischen Küste entlang nach Norden zu fahren, und ich hatte einen Termin ausgemacht, um für diesen Ausflug ein Radio ins Auto einbauen zu lassen. Auf klassisch romantische Weise wollte ich, dass alles perfekt war.
Je näher unsere Abfahrt rückte, desto mehr geriet ich in Sorge, den Termin zu verpassen. Ohne große Abschiedsworte verkündete ich schließlich, dass wir bald aufbrechen müssten. Um uns nicht in Verlegenheit zu bringen, kam Evan meiner Aufforderung nach, aber als wir an der Autowerkstatt ankamen, war sie in Tränen aufgelöst. Sie war aufgebracht, dass ich ein für sie bedeutsames Erlebnis vorzeitig beendet hatte und dass sie sich nicht dagegen gewehrt hatte. In meiner Fixierung darauf, den »perfekten Ausflug« zu organisieren, hatte ich gar nicht mitgekriegt, dass sie bereits eine sehr schöne Zeit hatte.
Ich dachte viel über diesen Vorfall nach, über die unbeabsichtigten, schmerzhaften Konsequenzen dessen, dass ich meine Präsenz verloren hatte.13 Im Großen und Ganzen betrachtet, ist es natürlich ein relativ harmloses Beispiel. Dennoch: Da ich nun um den Preis der Eile weiß, bin ich wachsamer. Dieser innere Druck ist ein Signal, das mir sagt: »Pass auf – du verlierst gerade deine Präsenz!« Er dient mir als Erinnerung daran, auch in solchen Situationen ganz hier zu sein.
So gut wie alles in unserer Zivilisation zieht uns von der Präsenz ab. Der Druck, in der modernen Gesellschaft seinen Lebensunterhalt verdienen zu müssen, fordert außerordentlich viel Zeit und Energie ein – eine Forderung, die nur wenig Raum lässt, um achtsames Gewahrsein zu kultivieren.
Unsere schnelllebige Touchscreen-Kultur bombardiert uns jeden Tag mit Botschaften, die in die Zukunft weisen, versucht uns zu überzeugen, dass unser Glück im schnellen Vergnügen, in einem neuen Gerät oder in der nächsten aufregenden Erfahrung wartet. Unsere Newsfeeds sind mit Algorithmen programmiert, die uns maximal in den Bann ziehen sollen, was zu noch mehr Ablenkung führt. In diesem Blitzlichtgewitter aus Information und Konsum nimmt die Interaktion von Angesicht zu Angesicht einen immer kleiner werdenden Teil des Lebens ein. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie viele Leute in der Öffentlichkeit auf ihre Handyscreens starren, sogar in Parks oder Restaurants? Doch egal, wie lange wir uns im Internet die Zeit vertreiben oder uns in Gedanken verlieren, wir alle kommen irgendwann wieder in die Präsenz zurück, hierher, in unseren Körper.
Präsenz erkennen
Unser natürlicher Seinszustand ist der einer entspannten, offenen Wachheit, gekennzeichnet durch Zufriedenheit und Wohlbefinden. Dies ist so in uns angelegt. Evolutionär bedingt haben wir die Anlagen dazu, auf zutiefst eingestimmte Weise zu leben. Selbst in unserer modernen Welt mit all ihrer Eile und ihren Ablenkungen muss Präsenz kein bloßer Zufall sein. Wir können unsere Fähigkeit stärken, in diesem ausgeglichenen Zustand zu ruhen, es zu bemerken, wenn wir ihn verlassen haben, und immer wieder zu ihm zurückzukehren.
Übung: Sich orientieren
Nutzen Sie die folgende einfache Übung, um in einen Zustand natürlicher Präsenz zurückzukehren.
Nehmen Sie sich einige Minuten Zeit, um sich in Ihrer Umgebung umzuschauen. Lassen Sie Ihre Augen umherwandern, und seien Sie neugierig, was Sie sehen. Entdecken Sie etwas Neues oder anderes? Lassen Sie Kopf und Nacken mit der Bewegung mitgehen, während Sie sich umsehen.
Nehmen Sie das Sehen als reine Erfahrung wahr: Formen, Farben, Licht, Linien. Was zieht Ihren Blick von ganz allein an? Falls es etwas gibt, was Sie interessiert, lassen Sie Ihren Blick dort verweilen. Führen Sie diese Erkundung in Ihrem eigenen Tempo fort.
Nehmen Sie wahr, wie Sie sich fühlen, nachdem Sie sich umgeschaut haben. Vielleicht spüren Sie, dass Sie einen spontanen, tiefen Atemzug nehmen, wenn Ihr Körper zur Ruhe kommt. Wenn wir die Augen, den Kopf und den Nacken auf diese Weise einsetzen, wird der ventrale Vagusnerv aktiviert, und den in uns angelegten Schutzmechanismen wird signalisiert, dass wir in der unmittelbaren Umgebung in Sicherheit sind. Probieren Sie diese Orientierungsübung in verschiedenen Situationen aus, und nehmen Sie wahr, welche Auswirkungen sie auf Ihren Geist und Ihren Körper hat.
Aufrichtigkeit: Präsenz bedeutet Authentizität
Wenn wir mit der Präsenz beginnen, bedeutet das nicht, dass wir nur in einer ganz bestimmten Weise empfinden sollen – so wären wir ziemlich eingeschränkt. Präsenz bedeutet, authentisch zu sein. Es ist die Bereitschaft, uns selbst gegenüber aufrichtig zu sein in Hinblick auf das, was wir erleben.
Manchmal sind wir sprichwörtlich »durch den Wind«. Wir reagieren nervös, ärgerlich oder gereizt. Die große Stärke von Achtsamkeit ist, dass es nicht darum geht, eine bestimmte Erfahrung zu machen. Vielmehr ist es die Fähigkeit, unmittelbar zu erkennen und zu fühlen, was vor sich geht, ohne sich in solchen Reaktionen zu verlieren – also nichtreaktiv. Präsenz in ein Gespräch zu bringen bedeutet, erst einmal alles zu akzeptieren, was in unserem Erleben auftaucht: »Das ist die Wahrheit. Das geschieht jetzt gerade.«
Das heißt nicht, dass wir abträgliche Handlungsweisen billigen oder immer alle einer Meinung sind. Es schließt nicht aus, dass wir kraftvoll handeln, und es heißt auch nicht, dass wir unbedingt alles aussprechen, was uns durch den Kopf geht. Es bedeutet lediglich, dass wir die Realität dessen anerkennen, was gerade geschieht. Wenn wir nicht uns selbst gegenüber ehrlich sein können, wie können wir dann erwarten, andere wirklich zu hören, geschweige denn, eine Lösung in einer schwierigen Situation zu finden?
Diese Art von Aufrichtigkeit gibt uns verlässliche Informationen dazu, was in uns und in unserem Umfeld geschieht. Wir lernen, unmittelbaren Zugang zu unseren eigenen Gefühlen und Bedürfnissen zu finden und das Erleben der anderen besser einzuschätzen. Das hilft uns wiederum zu erkennen, was wir sagen müssen, um uns gehört zu fühlen, nach vorn zu schauen oder eine Differenz beizulegen.
Prinzip: Beginnen Sie mit Präsenz. Gehen Sie mit Gewahrsein in das Gespräch hinein, kehren Sie zu diesem Gewahrsein zurück, und versuchen Sie, es aufrechtzuerhalten und sich selbst gegenüber ehrlich zu sein in Hinblick auf das, was Sie gerade erleben.
Die Öllampe: Präsenz und Reaktivität
Eine Zeit lang leitete ich in Oakland Achtsamkeitskurse für Kinder im Grundschulalter. Sie erzählten mir oft Geschichten darüber, wie Achtsamkeit ihnen dabei half, mit heftigen Gefühlen umzugehen. Ein Junge berichtete von einer Situation, in der er so wütend wurde, dass er seine Schwester treten wollte. »Dann erinnerte ich mich an das achtsame Atmen, nahm ein paar Atemzüge und beruhigte mich.«
Wenn die Spannung groß ist, kann Präsenz uns erden. Je vertrauter wir mit dem Gefühl der Präsenz sind, desto eher nehmen wir Anzeichen einer Erregung wahr. Es ist ähnlich wie das Lämpchen im Auto, das auf einen niedrigen Ölstand hinweist. Wenn wir dieses frühe Warnsignal bemerken, können wir uns eine Menge Ärger ersparen. Was passiert, wenn Sie wütend, ängstlich oder verletzt sind? Beschleunigt Ihre Atmung? Pressen Sie den Kiefer zusammen? Wird Ihnen heiß oder kalt? Beginnen Sie, gedanklich abzudriften? Anstatt »Ihre Schwester zu treten«, können Sie Achtsamkeit nutzen, um diese Signale wahrzunehmen, sich innerlich Raum zu schaffen und bewusst zu entscheiden, wie Sie reagieren wollen.