Название: BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil
Автор: Harm Peter Westermann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Schwerpunkte Pflichtfach
isbn: 9783811453562
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Auch ein deliktischer Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 scheidet aus, da die Haftungsmilderung aus § 690 auf den deliktischen Anspruch durchschlägt. Ansonsten würde die Haftungsprivilegierung regelmäßig leerlaufen.[43]
Teil I Grundlagen › § 3 Schuldrechtliche Pflichten – Einteilung und Abgrenzungen › III. „Schulden“ und „Haften“
1. Begrifflichkeiten
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Wenn wir davon sprechen, dass jemand etwas schuldet, ist damit gemeint, dass er rechtlich zu etwas verpflichtet ist. Mit „Schulden“ – als Infinitiv – ist also die Leistungspflicht des Schuldners gemeint, die mit dem Anspruch des Gläubigers korreliert.[44] Wenn die Rede davon ist, dass jemand „haftet“, bedeutet das im technischen Sinne, dass derjenige die zwangsweise Durchsetzung einer Leistungspflicht dulden muss.[45] Nicht immer werden die Begriffe aber so klar auseinandergehalten. Manchmal verwendet auch das Gesetz das Wort „haften“ im Sinne von „schulden“, so beispielsweise in § 840 Abs. 1. Oft wird mit „haften“ auch das Einstehen für bestimmte Schäden bezeichnet, so etwa auf Baustellenschildern „Eltern haften für ihre Kinder“. Allerdings führt das Aufstellen eines solchen Hinweisschildes weder dazu, dass sich der Baustellenbetreiber seinen Pflichten zur ordnungsgemäßen Absicherung der Baustelle entziehen kann, noch begründet das Schild eine Art Gefährdungshaftung der Eltern für alles, was ihr Kind auf der Baustelle „anstellt“. Eine Haftung der Eltern kann sich allenfalls aus § 832 ergeben, wenn sie ihren Aufsichtspflichten nicht ausreichend nachgekommen sind. Sie haften dann für eigenes Verschulden, nicht jedoch für das ihrer Kinder.[46]
2. Unbeschränkte Vermögenshaftung des Schuldners als Regelfall
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Im Grundsatz gilt: Wer schuldet, haftet mit seinem gesamten Vermögen (Grundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung). Das ist insofern human, als der Schuldner nicht mit seiner Person haftet: Zumindest wird er nicht versklavt oder getötet, wenn er nicht leistet. Das war nicht immer so. Aber auch heute noch muss der Schuldner dulden, dass der Gläubiger seinen Anspruch zwangsweise durchsetzt. Allerdings darf der Gläubiger grundsätzlich nicht selbst Zwang anwenden, sondern muss sich der Hilfe staatlicher Organe bedienen. Darin zeigt sich das Gewaltmonopol des Staates, das eine zentrale rechtsstaatliche Errungenschaft ist. Wenn ich beispielsweise ein Fahrrad kaufe, schulde ich dem Verkäufer Kaufpreiszahlung (§ 433 Abs. 2). Leiste ich nicht, kann sich der Verkäufer im Wege der Leistungsklage ein Urteil gegen mich beschaffen. Dabei wird das Urteil im Tenor aussprechen, dass ich dazu verurteilt werde, den Kaufpreis an den Verkäufer zu zahlen und dass das Urteil (vorläufig) vollstreckbar ist. Wenn ich immer noch nicht zahle, kann der Käufer mit Hilfe des Urteils die Zwangsvollstreckung in mein Vermögen betreiben. Er kann beispielsweise Gegenstände pfänden lassen, die in meinem Gewahrsam sind (§ 808 ZPO), sie versteigern lassen (§ 814 ZPO) und den Erlös zu seiner Befriedigung verwenden.
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In der Zwangsvollstreckung zeigt sich besonders deutlich: Das Privatrecht ist strukturell in gleicher Weise vom Wirken öffentlicher (staatlicher) Gewalt geprägt wie das öffentliche Recht.[47] Die Zwangsvollstreckung, in der staatliche Organe mit Gewalt die Erfüllung schuldrechtlicher Pflichten durchsetzen, prägt auch das Schuldrecht elementar. Wenn es zur Zwangsvollstreckung kommt, liegt das offen zu Tage – man sieht und spürt, wenn der Gerichtsvollzieher einem das Fahrrad wegnimmt. Aber auch wenn es gar nicht erst zur Zwangsvollstreckung kommt, weil der Schuldner ohnehin leistet, spielt die staatliche Gewalt eine entscheidende Rolle für das Verhalten von Schuldner und Gläubiger: Beide wissen um die Möglichkeit, dass Ansprüche gegebenenfalls zwangsweise durchsetzbar sind. Gerade um das zu vermeiden, werden Ansprüche häufig erfüllt. Ohne die Möglichkeit zwangsweiser Durchsetzung wären das Vertrauen und die Sicherheit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs gefährdet. Zugleich prägt die staatliche Vollstreckungsgewalt entscheidend die durch Verträge und auf Märkten permanent erfolgende Verteilung des gesamtgesellschaftlichen Vermögens.[48]
3. Beschränkte Vermögenshaftung des Schuldners in Ausnahmefällen
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In Ausnahmefällen findet keine unbeschränkte Vermögenshaftung statt. Das wichtigste Beispiel ist die Möglichkeit des Erben, seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass zu beschränken (§§ 1975, 2059 Abs. 1).[49]
4. Eigenmächtige Durchsetzung der Haftung in Ausnahmefällen
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Wie soeben erörtert[50] ist der Staat für die Ausübung der Gewalt zuständig, die zur Durchsetzung der Haftung erforderlich ist (staatliches Gewaltmonopol). In Ausnahmefällen gestattet das Gesetz dem Gläubiger aber, Ansprüche eigenmächtig durchzusetzen. Das wichtigste Beispiel ist die Selbsthilfe (§§ 229-231). Danach ist die eigenmächtige Durchsetzung von Forderungen in engen Grenzen zulässig. Wenn A seine wertvolle Uhr an B verkauft hat und im Kieler Hafen kurz vor der Ausfahrt auf einem Segelboot steht und B gegenüber freudig ankündigt, sich jetzt sofort mit der Uhr per Segelboot auf eine einsame Insel abzusetzen, kann B die Uhr eventuell gem. § 229 an sich nehmen. Die Grenzen sind aber eng: Staatliche Hilfe darf nicht rechtzeitig zu erlangen sein und die Durchsetzung des Anspruchs muss ohne die eigenmächtige Durchsetzung zumindest wesentlich erschwert werden können (vgl § 229). Auch darf die Selbsthilfe nicht weitergehen, als zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist (§ 230 Abs. 1). Die Selbsthilfe soll den jeweiligen Anspruch außerdem nur vorläufig sichern: B muss sofort nach der Selbsthilfehandlung staatliche Hilfe in Anspruch nehmen, also die Zwangsvollstreckung erwirken oder den dinglichen Arrest (eine Sicherungsmaßnahme) beantragen (§ 230 Abs. 2). Wenn der Arrestantrag verzögert oder abgelehnt wird, muss B die Uhr sofort zurückgeben (§ 230 Abs. 4). Auch erfolgt die Selbsthilfe insoweit auf eigenes Risiko des Handelnden, als nach § 231 Schadensersatz zu leisten ist, wenn die Selbsthilfe rechtswidrig war – selbst, wenn ein unvermeidbarer Irrtum des Handelnden vorlag.
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Eine elegante Möglichkeit zur eigenmächtigen Durchsetzung von Ansprüchen bietet die Aufrechnung (§ 387). Sie erlaubt es, eine (fällige) Forderung schlicht durch die Erklärung der Aufrechnung durchzusetzen (Durchsetzungsfunktion der Aufrechnung).[51] Dazu muss freilich eine Aufrechnungslage bestehen (§ 387): Man kann eine Forderung nur durch Aufrechnung zum Erlöschen bringen (vgl § 389), wenn der Forderung eine gleichartige Forderung erfüllbar gegenübersteht. Das staatliche Gewaltmonopol wird durch die Aufrechnung nicht gefährdet: Sie erfolgt ja ohne den Einsatz von Gewalt oder Zwang. Wenn der Aufrechnungsgegner sich gegen die Aufrechnung wehren möchte, kann er staatliche Hilfe bei der Durchsetzung seiner Forderung beanspruchen. Dazu muss er lediglich Leistungsklage erheben und sich dabei gegen das Erlöschen seiner Forderung durch die Aufrechnung wenden.
Teil I Grundlagen › § 3 Schuldrechtliche Pflichten – Einteilung und Abgrenzungen › IV. Naturalobligationen
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