Название: Öffentliches Wirtschaftsrecht
Автор: Stefan Storr
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Schwerpunktbereich
isbn: 9783811495876
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bb) Anspruch auf diskriminierungsfreie Verfahrensgestaltung
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Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG, aber auch aus der Teilhabefunktion des Art. 12 GG lässt sich ein Anspruch auf diskriminierungsfreie Beteiligung an Verwaltungsverfahren zur Entscheidung von Knappheits- und damit auch Konkurrenzsituationen ableiten. Dies wird bei so unterschiedlichen Konstellationen relevant wie der Zulassung zu Märkten im Gewerberecht, im Telekommunikationsrecht aber auch der Subventionsvergabe und verpflichtet den Gesetzgeber zur Einführung entsprechender Verfahrensvorschriften. Sofern der Vorbehalt des Gesetzes eine solche Konkretisierung nicht verlangt, wird man jedenfalls aus der prozeduralen Dimension des Grundrechtsschutzes eine Pflicht zur Aufstellung und Veröffentlichung von Verfahrensgrundsätzen durch die Verwaltung ableiten können[523].
Dabei darf nicht übersehen werden, dass dieser grundrechtliche Anspruch häufig von unionsrechtlichen Diskriminierungsverboten überlagert wird, insbesondere bei Wirtschaftssubventionen sowie im europäisierten Regulierungsrecht. Dort ergibt sich ein durchaus konkreterer Anspruch auf diskriminierungsfreie Verfahrensgestaltung zB aus den TK-Richtlinien und den einfachgesetzlichen Umsetzungsvorschriften des TKG[524]. Am weitesten ausdifferenziert wurden diese Grundsätze in den Vergaberichtlinien. Aber auch im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten begründet der EuGH entsprechende Anforderungen (s. Rn 50).
cc) Materielle Konzeptpflichten
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Aus Art. 3 GG lassen sich – jedenfalls außerhalb des Steuerrechts und seinem Gebot der Lastengleichheit – kaum materielle Maßstäbe für Ansprüche gegen die Verwaltung ableiten, auch nicht im Bereich der Leistungsverwaltung. So sieht man beispielsweise die Grenzen der Gestaltungsbefugnis beim Anspruch auf Zugang zu kommunalen Einrichtungen allein im Willkürverbot[525]; erst recht wird im Subventionsrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG (in Verbindung mit Verwaltungsvorschriften oder entsprechender Verwaltungspraxis) zwar ein Anspruch auf Subventionierung abgeleitet (s. näher Rn 795), aber kein Anspruch auf die Aufstellung eines „Vergabekonzepts“, also darauf, dass die Behörde die hierbei anzulegenden Kriterien vorab, etwa in Verwaltungsvorschriften festlegt. Die Rechtsprechung hält eine Konkretisierung von Auswahlkriterien und Verfahren zwar für „begrüßenswert“[526], verneint aber eine entsprechende Rechtspflicht zur abstrakten Festlegung von „Vergabekriterien“. Allerdings wird dies den Anforderungen an Transparenz und Diskriminierungsfreiheit sowie dem Kohärenzgebot kaum gerecht; letztlich reduziert sich auch die gerichtliche Kontrolldichte, so dass neben Art. 3 und 12 GG auch Art. 19 Abs. 4 GG relevant wird[527]. Über diese aus Art. 3 GG abgeleiteten Konzeptpflichten geht das europäisch determinierte Regulierungsrecht hinaus. Nach § 2 Abs. 3 Nr 1 TKG soll durch die Regulierungskonzepte die Vorhersehbarkeit (und damit die Rechtssicherheit) der Regulierung erreicht werden (dazu Rn 515).
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Außerdem verlangt die Rechtsprechung bisweilen ein „Eingriffskonzept“, sofern – wie regelmäßig auch im öffentlichen Wirtschaftsrecht – ein Einschreiten im Ermessen der Behörde steht. Art. 3 Abs. 1 GG beschränkt als gesetzliche Ermessensgrenze die Handlungsmöglichkeiten der Behörden hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“. Liegt eine Vielzahl von Verstößen vor, ist es ihr verwehrt willkürlich vorzugehen oder sich gar darauf zu beschränken, einen Einzelfall herauszugreifen[528]. Auch wenn sie nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zwischen mehreren Rechtsfolgen wählen kann, gebietet Art. 3 Abs. 1 GG, das Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichmäßig auszuüben. Hierauf muss die Begründung der Entscheidung eingehen[529]. Teilweise verlangen die Gerichte aber weitergehend, dass bereits im Vorfeld „ein im Lichte der Anforderungen der Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG tragfähiges Konzept entwickelt wird, aus dem sich entnehmen lässt, unter welchen Voraussetzungen und in welcher zeitlichen Reihenfolge“ gegen Gewerbetreibende vorgegangen wird; ein solches Eingriffskonzept kann sich zB an Marktpräsenz, Umsatz oder Gewinn orientieren[530]. Einen „Gleichheitsanspruch auf Fehlerwiederholung“, dh eine Selbstbindung an eine rechtswidrige Verwaltungspraxis kann es allerdings nicht geben[531].
a) Die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG)
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Nach der Rechtsprechung des BVerfG und der hM schützt das Grundrecht des Art. 13 GG auch Betriebs- und Geschäftsräume, allerdings in abgeschwächter Form. Relevant wird dies im Zusammenhang mit den behördlichen Betretungsrechten, wie sie § 29 GewO (s. Rn 336) und vergleichbare Vorschriften vorsehen. Im Interesse eines wirksamen Schutzes hat das Bundesverfassungsgericht den Schutzbereich des Art. 13 GG auf Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume erstreckt[532]; dennoch werden an die Zulässigkeit von Eingriffen und Beschränkungen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG je nach der Nähe der Örtlichkeiten zur räumlichen Privatsphäre unterschiedlich hohe Anforderungen gestellt. Behördliche Befugnisse zum Betreten von Betriebsräumen fallen daher zwar in den Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG, sind aber nach der Rechtsprechung dann kein Fall des Art. 13 Abs. 7 GG[533], wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, das Betreten einem erlaubten Zweck dient und für dessen Erreichung erforderlich ist, das Gesetz Zweck, Gegenstand und Umfang des Betretens erkennen lässt und das Betreten auf Zeiten beschränkt wird, in denen die Räume normalerweise für die betriebliche Nutzung zur Verfügung stehen[534]. Die Betretungsrechte bedürfen jedoch einer gesetzlichen Grundlage und sind aus verfassungsrechtlichen Gründen eng auszulegen[535].
Insoweit hat das BVerfG in seiner Kammerentscheidung zu § 17 Abs. 2 HwO den Grundrechtsschutz verstärkt. Auf Grundlage von § 17 Abs. 2 HwO dürfen die Handwerkskammern die Geschäftsräume nur zur Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen betreten. „Einzutragende“ Gewerbetreibende sind ausschließlich diejenigen, deren Eintragung in die Handwerksrolle auch tatsächlich in Betracht kommt, weil sie sämtliche Eintragungsvoraussetzungen erfüllen können. Steht also fest, dass eine Eintragung nicht in Betracht kommt, weil der Gewerbetreibende beispielsweise die persönlichen Voraussetzungen nicht erfüllt und auch keinen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach §§ 8, 9 HwO gestellt hat, so besteht auch kein Betretungsrecht nach dem „zu dem in Absatz 1 bezeichneten Zweck“[536].
b) Kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG)
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Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG und die entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Regelungen gewährleisten das Recht der Gemeinden, sämtliche Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Nach dem Grundsatz der Allzuständigkeit besteht eine Vermutung für die Aufgabenzuständigkeit der Gemeinde[537]. Im Rahmen der Erfüllung dieser Aufgaben darf sich die Gemeinde daher auch wirtschaftlich und mit Gewinnerzielungsabsicht[538] betätigen (dazu unten Rn СКАЧАТЬ