Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts. Marco Mansdörfer
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts - Marco Mansdörfer страница 49

Название: Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts

Автор: Marco Mansdörfer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht

isbn: 9783811457072

isbn:

СКАЧАТЬ der Theorie der Verfügungsrechte lassen sich wiederum verschiedene Prinzipien ableiten, die der Staat bei der Aufgabenwahrnehmung zu beachten hat: Als erstes wichtiges Prinzip wird zunächst die Durchsetzbarkeit der Verfügungsrechte betont. Dazu gehören etwa im Prozess eine angemessene Ausgestaltung des Beweisrechts[620], die Verfügbarkeit staatlicher Hilfe[621] oder der Schutz von Verfügungsrechten durch die Androhung von Strafen[622]. Als zweites wesentliches Prinzip für eine effiziente Verteilung von Verfügungsrechten ist sodann die Zurechnung der Handlungsfolgen zum Verfügenden, um so einen Gleichlauf von Verfügung und Haftung herzustellen[623]. Strafrechtstheoretisch lässt sich so allgemein und systemimmanent nochmals die grundlegende Bedeutung der Zurechnungslehre im Wirtschaftsstrafrecht begründen[624]. Wirtschaftsstrafrechtliche Haftung gründet demnach nicht im zurechenbaren Herbeiführen eines Erfolges, sondern ganz elementar in einer von der Rechtsordnung so nicht für zulässig erklärten Nutzung eines Gutes bzw. im Missbrauch von Verfügungsrechten.

      275

      Entscheidendes Mittel zur Gewährleistung des richtigen Einsatzes von Arbeit und Eigentum ist nach den Vorgaben des Grundgesetzes die individuelle Handlungsfreiheit in Form einer freien Entscheidungsfindung[625]. Diese freie Entscheidungsfindung in ihren wesentlichen Grundzügen gewährleistet der Staat durch das Institut der Privatautonomie.

      276

      Der Theorienstrang innerhalb des neuen Institutionalismus, der die nähere Ausgestaltung der Voraussetzungen für die Ausübung des autonom gebildeten Willens zum Gegenstand hat, ist die sog. Transaktionskostentheorie. Sie untersucht die Kosten für die Anbahnung oder den Abschluss von Verträgen und ist damit das wirtschaftswissenschaftliche Pendant der allgemeinen Lehre von der Privatautonomie: Zwar hat jeder das Recht, Verträge abzuschließen; mit jedem Vertragsschluss sind aus ökonomischer Sicht aber Kosten verbunden. Die Transaktionskosten bestehen aus den Kosten der Definition, Übertragung und Messung wirtschaftlicher Ressourcen oder Rechtstitel sowie den Kosten der Ausübung und Durchsetzung dieser Rechte[626]. Bei der Übertragung von Verfügungsrechten bestehen die Transaktionskosten in der Information, Verhandlung und Rechtsdurchsetzung[627]. Im Extremfall können Transaktionskosten so hoch sein, dass sie jeden Tausch verhindern[628].

      277

      Die Art. 2, 12, 9 GG garantieren dem Einzelnen die Grundvoraussetzungen für Markttransaktionen und jenseits der Individualebene ein grundsätzlich freies Wirtschaftssystem[629]. Diese Freiheiten wurden nie absolut, sondern immer in einem auf Ausgleich bedachten System konfligierender Individualinteressen gedacht. So wurden etwa dem Postulat einer absoluten Vertragsfreiheit schon relativ früh Einschränkungen durch die Gewerbefreiheit entgegen gehalten. Konkurrenzklauseln in Verträgen wurde demnach die Anwendung versagt, sofern sie in einem unzulässigen Maß den Wettbewerb beeinträchtigten[630].

      278

      Solche Verbote können dann wirksam durchgesetzt werden, wenn sie mit Transaktionskosten verbunden werden. Die Kosten der regelverletzenden Handlung halten sich in Grenzen, wenn die Sanktion lediglich in einer zivilrechtlichen, durch den Schaden der Handlung in der Höhe begrenzten Ausgleichspflicht nach dem Recht der unerlaubten Handlung besteht. Die Kosten sind höher, wenn eine durch einen Bußgeldtatbestand belegte wichtige Ordnungsregel verletzt wird – z. B. Bußgelder in Millionenhöhe bei Verstößen gegen die Wettbewerbsordnung. Noch höhere Kosten – nämlich Freiheitsstrafen – müssen einkalkuliert werden, wenn die Handlung konkrete, individuelle Rechtsgüter verletzt und etwa die Tatbestände der §§ 240, 263 StGB erfüllt.

      279

      Wird ein Verhalten mit Sanktionen belegt, steigen also die Transaktionskosten der den Regeln widersprechenden Handlung. Zugleich werden die Kosten (bzw. Nachteile) regelkonformen Verhaltens durch die mit der Sanktion verbundene Normbestätigung gesenkt[631]. Das Strafrecht sichert die Privatautonomie zwar nach der hier verfolgten Konzeption nicht durch eine Einzelnorm im Sinne eines Tatbestands zum Schutz speziell dieser Institution. Dies bedeutet aber nicht, dass die Privatautonomie überhaupt nicht durch das Strafrecht geschützt wäre. Das gesamte Bündel an Einzelsanktionen wirkt insgesamt freiheitserweiternd, indem je nach Einzelfall der Markteintritt des Einzelnen erleichtert wird, Informationen verlässlicher werden oder das Maß zulässigen Zwangs verringert wird und damit die gesamten individuellen Belastungen der eigenen Wirtschaftstätigkeit gesenkt werden.

      280

      Eigentum und Privatautonomie sind zwar zwei notwendige Bedingungen einer jeden liberalen Wirtschaftsordnung. Hinreichend sind die Institutionen einer Wirtschaftsordnung aber erst beschrieben, wenn dazu noch Institutionen zur Koordination des Individualhandelns hinzukommen. Auch hier zeigt sich – wie bei der strafrechtlichen Gewährleistung der Privatautonomie –, dass diese zwar indirekt, aber doch hinreichend durch die strafrechtliche Gewährleistung individueller Freiheiten geschützt werden[632].

      281

      Das elementare[633] Koordinationsmodell jeder liberal orientierten Wirtschaftsordnung ist das eines freien und idealen Marktes: Dieses Modell basiert auf der Annahme der vollkommenen Konkurrenz, des freien Marktein- und -austritts und einer umfassenden Information der Marktakteure über die bestehenden Marktverhältnisse. Entscheidungsträger sind die im Markt handelnden Akteure. Kein Anbieter oder Nachfrager hat eine über sein Angebot bzw. seine Nachfrage hinausreichende Machtposition. Die Güterverteilung erfolgt allein über die durch das Effizienzprinzip gesicherte dezentrale Entscheidungsfindung. Angebot und Nachfrage wirken auf den Preis als dem adaptiven, sich selbst regulierenden System, das Adam Smith als die „unsichtbare Hand“ der Marktwirtschaft beschrieben hat[634]. Die neue Institutionenökonomik hat dieses Modell weiter ausdifferenziert und stärker an die Realität angepasst[635]. Der Markt wird danach zunehmend als Netzwerk sozialer Beziehungen zwischen Einzelpersonen, die potentielle Käufer und Verkäufer sind und die in vertikalen oder horizontalen Geschäftsbeziehungen stehen können, verstanden[636]. Der Markt ist dann in einer Weise zu organisieren, die für Wettbewerb sorgt und Transaktionen ermöglicht[637].

      282

      Das Gegenstück zum Markt bilden idealtypisch Transaktionen durch Anweisungen oder Planung, wie sie vor allem in Unternehmen stattfinden[638]. Im Unternehmen sind die Partner stärker wechselseitig gebunden und alternative (Tausch-)Möglichkeiten sind weiter entfernt[639]. Gemeinsames Kennzeichen beider Organisationsformen ist, dass hier wie dort privates Kollektivhandeln in Gang gesetzt und geleitet werden muss. Dazu müssen Informationen gesammelt und verwertet sowie freiwillige Koalitionen gebildet werden[640]. Die Aufgabe des Staates ist es, ein hinreichendes institutionelles Instrumentarium zu bevorraten, um Privaten die Veranstaltung eines Marktes oder eines Unternehmens zu ermöglichen[641], und zu gewährleisten, dass die einmal aufgestellten Regeln beachtet werden. Das sind zumeist Verfahrensregeln; spezielle strafrechtliche Regeln sind insoweit nicht notwendig. Der Einsatz von Strafe wird regelmäßig erst dann notwendig, wenn Märkte aus anderen Gründen nicht funktionieren und damit ein Marktversagen[642] vorliegt.

      283

      Marktversagen wird oft durch Transaktionskostenprobleme in Form von Informationsbeschränkungen, hohen Markteintrittskosten oder Marktzugangsregulierungen hervorgerufen[643]. Solche Barrieren werden von Marktteilnehmern gerne bewusst provoziert, um sich dadurch der Situation des Wettbewerbs entziehen und eigene Gewinne steigern zu können[644]. Wenn diese Barrieren durch systemfremden Druck oder durch Täuschung durchgesetzt werden sollen, ist eine Schwelle erreicht, die es rechtfertigt, СКАЧАТЬ