Название: Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts
Автор: Marco Mansdörfer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht
isbn: 9783811457072
isbn:
292
Da eine freie und unkontrollierte Wirtschaft zu starken Schwankungen bei den Preisen und der Beschäftigung neigt[669], muss der Staat gesamtwirtschaftlich eine die Verhältnisse stabilisierende Wirtschaftspolitik betreiben. Inhaltlich wird der Staat auf ein stabiles Preisniveau, einen hohen Beschäftigungsstand, eine gesunde Außenwirtschaft sowie ein stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum verpflichtet[670]. Zu den stabilisierenden Eingriffen des Staates in den Wirtschaftsprozess gehört neben einer aktiven Konjunkturpolitik vor allem eine aktive Strukturpolitik zur Lösung strukturell bedingter Fehlentwicklungen der Volkswirtschaft. In der Sache unterstützt regionale Strukturpolitik durch Maßnahmen der Investitionsförderung die Ansiedlung von Industrien in Fördergebieten. Sektorale Strukturpolitik soll dagegen aus politischen Gründen einzelne Wirtschaftszweige erhalten, Anpassungen an den Strukturwandel erleichtern oder zukunftsträchtige Technologien und Märkte bewusst fördern. Dazu werden unter anderem wiederum Subventionen und Steuererleichterungen eingesetzt. Das Erschleichen solcher Leistungen wird hinreichend durch die Tatbestände des Subventionsbetrugs oder durch Steuerstraftatbestände erfüllt. Ein Bedürfnis nach speziellen strafrechtlichen Normen zur Unterstützung globalsteuernder staatlicher Maßnahmen zur Stabilisierung der Gesamtwirtschaft besteht nach der hier vertretenen Auffassung grundsätzlich nicht[671].
Teil 1 Grundlagen zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts › D › III. Zusammenfassung und erster Ausblick auf die Folgen für das Wirtschaftsstrafrecht
1. Marktwirtschaftliche Grundausrichtung der in internationale Zusammenhänge eingebundenen Wirtschaftsverfassung
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Die geltende Wirtschaftsordnung vollzieht sich juristisch auf einem Mehrebenensystem, das sich aus dem Wirtschaftsvölkerrecht, dem Recht regionaler Organisationen wie der EU, der Normsetzung durch Private sowie nationalem Verfassungsrecht zusammensetzt. Wirtschaftstheoretisch ist die Wirtschaftsordnung gleichwohl ohne grundlegende Friktionen und trotz ihrer globalen Integration verhältnismäßig harmonisch[672]:
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Der Sozialschutz spielt in internationalen Wirtschaftsrechtsquellen gegenwärtig eine nur marginale Rolle und beschränkt sich auf allgemein gehaltene Absichtserklärungen und unverbindliche Bekenntnisse zu sozialer Gerechtigkeit und sozialem Fortschritt[673]. Die Notwendigkeit universeller Sozialstandards wurde zwar im Rahmen der WTO mehrfach diskutiert, ein Konsens über die Aufnahme verbindlicher Sozialklauseln oder sozialer Arbeitsstandards – insbesondere zum Schutz vor internationalem Sozialdumping – konnte bislang allerdings nicht erreicht werden[674].
Auf europäischer wie nationaler Ebene wird die ökonomische Rahmenordnung grundsätzlich als sozial korrigierte Marktwirtschaft ausgestaltet[675]. Die soziale Korrektur der Marktwirtschaft führt zu einem erheblichen Schutzniveau der Interessen sozialer Bezugsgruppen eines Unternehmens (Stakeholder) gegenüber den Interessen der Unternehmenseigentümer[676].
Elementare Aufgabe der Ordnungspolitik ist es, den Wettbewerb sinnvoll zu begrenzen und auf diese Weise Raum für eine individuelle Selbstbegrenzung zu schaffen[677]. Gesamtgesellschaftlich ist dieser Rahmen geprägt durch die Spielregeln eines Diskurses mit einer kritischen Öffentlichkeit und mitverantwortlichen Wirtschaftssubjekten, sodass eine der offenen Gesellschaftsordnung spezifische Marktwirtschaft entwickelt werden kann[678].
2. Wirtschaftsverfassung als Freiheitsverfassung für einen homo oeconomicus mit sozialen Bindungen
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Das Bild des homo oeconomicus wird auf diese Weise zur Grundlage einer liberalen Staatsvision. Die Grundausrichtung der verfassungsmäßigen Ordnung reintegriert dieses Bild jedoch in umfassendere gesellschaftliche Zusammenhänge[679]: Zunächst korrigiert sie die Beschränkung der Rationalitätsannahme und der Eigennutzprämisse auf ökonomische Zusammenhänge. Der Einzelne wird damit zu einer Person mit weitergehenden sozialen und kulturellen Bindungen. Darüber hinaus gibt die Verfassung die grundlegende Wertordnung vor, die Rationalität und Eigennutz des Einzelnen begrenzen[680]. Beispiele dafür sind soziale oder ökologische Verpflichtungen des Einzelnen. Wirtschaftswissenschaftlicher Maßstab der Leistungsfähigkeit einer Gesamtordnung ist das in einer Wirtschaftsordnung mögliche Maß an Produktivität. Die Gesamtordnung hat sich danach an dem Ziel zu orientieren, ein möglichst ergiebiges Verhältnis zwischen dem Einsatz an produktiven Faktoren und dem dadurch erzielten Produktionsergebnis zu erzielen[681]. Mit ihren Vorgaben für das einfache Recht determiniert die Verfassung die rechtlichen Beschränkungen individueller Freiheiten. Ökonomisch betrachtet sollen diese Beschränkungen möglichst vielfältige Tauschmöglichkeiten und damit eine prosperierende wirtschaftliche Entwicklung ermöglichen[682]. Die politischen Institutionen selbst werden von dieser Maxime dagegen weitgehend ausgenommen[683].
3. Zulässigkeit der Organisation von individuellem Verhalten in Unternehmen bei weitgehender Indifferenz gegenüber konkreten Einzelausgestaltungen
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Die Möglichkeit, individuelles Handeln in der Form von Unternehmen zu gestalten, wird von der Wirtschaftsverfassung grundsätzlich anerkannt. Das Unternehmen an sich wird institutionell und als offenes und dynamisches Sozialsystem behandelt. Konkrete Einzelvorgaben werden aber nicht normiert. So bleibt etwa die Frage, inwieweit Belange der Stakeholder in der Unternehmensverfassung zu berücksichtigen sind, auf einer ersten Stufe der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und auf einer zweiten Stufe der Umsetzungskompetenz der Unternehmensführung vorbehalten[684]. Eine prinzipielle Vorrangstellung der Shareholder gegenüber den anderen Bezugsgruppen eines Unternehmens folgt lediglich indirekt aus der Verpflichtung der Exekutive und der Legislative auf eine sozial korrigierte Marktwirtschaft[685]. Die Interessen der Fremdkapitalgeber stehen grundsätzlich im selben Maß unter dem Schutz des Eigentums wie diejenigen der rechtlichen Eigentümer einer Unternehmung. Die Vorgaben sind insgesamt weit genug, um das je nach Betätigungsfeld der Unternehmung erforderliche Maß an Eigenkomplexität und Offenheit der Unternehmung sowie die notwendigen Handlungsspielräume der in der Unternehmung tätigen Einzelnen zu gewährleisten.
4. Folgen für das Wirtschaftsstrafrecht
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