Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts. Marco Mansdörfer
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Название: Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts

Автор: Marco Mansdörfer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht

isbn: 9783811457072

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СКАЧАТЬ Person dient[534]. Art. 12 GG konkretisiert damit das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und zielt auf eine möglichst unreglementierte Berufstätigkeit ab[535].

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      Mit der freien Berufsausübung und dem freien Unternehmertum ist prinzipiell das Ideal von ökonomischem Wettbewerb verbunden, der damit zum Eckpfeiler der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung wird[536]. Einschränkungen der Berufsfreiheit sind im Rahmen einer Globalsteuerung auf der Marktebene bis hin zu einer „gelenkten Marktwirtschaft“[537] zulässig. Grenzen werden erreicht bei einer Steuerung bis auf Branchenebene etwa nach dem Modell der sog. „Planification“[538] und erst recht bei Ansätzen zu einer Mikrosteuerung auf Unternehmensebene – wie zum Beispiel staatlichen Investitionskontrollen – nach dem Modell eines „gemäßigten Sozialismus“.

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      Die Berufsfreiheit schließt freilich nicht aus, dass der Gesetzgeber Berufe rechtlich ordnet und damit fixiert oder vereinheitlicht[539]. Damit wird gewährleistet, dass ein Beruf nur von Personen wahrgenommen werden kann, die die notwendigen Voraussetzungen dieses Berufs erfüllen, und andere von der Ausübung dieses Berufes ausgeschlossen werden[540]. Die abwehrrechtlichen Wirkungen der Berufsfreiheit wiegen umso stärker, je schwerer die hoheitlichen Eingriffe wirken. Eingriffe dürfen grundsätzlich nicht weiter gehen, als es die sie legitimierenden öffentlichen Interessen erfordern[541].

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      Auch die Berufsfreiheit, die damit sowohl individuelle Rechte als auch den Wettbewerb einzelner als Gesamtpfeiler der wirtschaftlichen Gesamtleistung sichert, muss von der Gemeinschaft weitestgehend durchgesetzt werden. Anknüpfungspunkt sind dabei die elementaren Voraussetzungen der freien Berufswahl und -ausübung als Elemente der allgemeinen Handlungsfreiheit[542]. Das Modell des homo oeconomicus spezifiziert diese Voraussetzungen insbesondere auf den Schutz der Freiheit der Willensbildung und die Sicherung der individuellen Orientierung im Wirtschaftsleben, soweit dies zur individuellen Präferenzbildung und -verfolgung notwendig ist[543]. Wird in diese Freiheiten eingegriffen erscheint umgekehrt eine Individualfreiheiten beschränkende Sanktion als verhältnismäßige Reaktion auf diesen Rechtsbruch. Das Strafrecht ist freilich auf einen elementaren Schutz dieser Freiheit beschränkt und darf nicht zu einer – durch ein auswucherndes Verwaltungssanktionenrecht gesicherten – Bestandsgarantie ganz bestimmter Zustände hypertrophieren. Gerade in Zeiten eines erheblichen Strukturwandels sichert die Berufsfreiheit gesellschaftliche Flexibilität, die nicht durch übermäßige Reglementierungen eingeengt werden darf[544].

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      Erhebliche Bedeutung für die Ordnung des Wirtschaftslebens hat die Verbürgung der allgemeinen Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG[545]. Sie beinhaltet eine Reihe konkreter Forderungen, auf die sich natürliche Personen sowie Körperschaften des Privatrechts und Personengesellschaften berufen können: Die Freiheit der wirtschaftlichen Tätigkeit verpflichtet die Politik zunächst, Unternehmens- und Gewerbefreiheit zu achten. Freies Unternehmertum und die dafür typische Unternehmerinitiative dürfen daher nicht völlig beseitigt und durch ein dirigistisches Wirtschaftssystem ersetzt werden[546]. Entsprechendes gilt für das Postulat eines freien Marktes, eines geordneten, aber freien Wettbewerbs und der Vertragsfreiheit im Sinne einer grundsätzlichen Abschlussfreiheit und Freiheit der inhaltlichen Gestaltung[547]. Art. 2 Abs. 1 GG verbietet damit eine lenkende Wirtschaftspolitik, die unternehmerische Freiheit in einem bestimmten Sektor in ihrem Kern unmöglich macht. Der Markt soll als Institution im Sinne einer Matrix und eines Mediums für individuelles Wirtschaften dienen[548]. Daraus folgt die Anerkennung der Wettbewerbsfreiheit als Element der allgemeinen Handlungsfreiheit[549].

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      Da nahezu jedes Handeln der öffentlichen Gewalt wirtschaftliche Auswirkungen haben kann, müssen bereits bei der Beurteilung, ob eine Maßnahme in die allgemeine Handlungsfreiheit eingreift, die individuellen Freiheiten und Zuständigkeiten gegeneinander abgeschichtet werden[550]. In der Frage, ob Eingriffe in die individuelle Wirtschaftsfreiheit gerechtfertigt sind, steht der öffentlichen Gewalt andererseits gerade bei wirtschaftspolitischen Interventionen ein breiter Beurteilungsspielraum zu[551].

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      Nach der Rechtsprechung des BVerfG kann aus dem von Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten status positivus auch die Pflicht des Staates folgen, qualifizierte Störungen der Vertragsparität zu beseitigen[552]. Dies impliziert einen Anspruch auf strafrechtlichen Schutz, wenn die Ausübung dieser Freiheit etwa durch die Androhung von Gewalt oder besonders empfindlichen Übeln gestört werden soll. Der Umstand, dass das Grundgesetz damit von einem Modell des Marktes ausgeht, der durch Einzelhandeln entsteht und gewährleistet wird, hat für das Strafrecht erhebliche Bedeutung. Eine verfassungskonforme Interpretation der Tatbestände, die im Ergebnis den Schutz des Wettbewerbs bezwecken, ist an diese Ableitungszusammenhänge gebunden[553]. Beispielhaft soll so das durch Sanktionen gesicherte Verbot der Bildung privater Kartelle erklärt und legitimiert werden: Kartellverbote stellen entsprechend den vorgestellten Grundsätzen Verbote des freiwilligen Verzichts auf die eigene Wettbewerbsfreiheit dar. Dieser Verzicht kann zumindest partiell zu einer Störung der Marktmechanismen und damit zu Freiheitsbeeinträchtigungen Dritter führen[554]. Wegen dieser Störung Dritter ist der Verzicht auf die eigene Freiheit nicht nur unzulässig, sondern kann in schweren Fällen seinerseits mit Freiheitsbeeinträchtigungen sanktioniert werden.

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      Die Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 GG ergänzt die anderen Freiheiten, indem sie allen Deutschen das Recht gewährt, die verbürgten individuellen ökonomischen Freiheiten auch durch eine Assoziierung mit anderen und mittels einer bestehenden Vereinigung oder Gesellschaft wahrzunehmen[555]. Sie verbürgt damit im Gegensatz zu ständischen Korporationsgedanken älterer Sozialordnungen ein liberales Assoziationsprinzip und rezipiert damit auch die Vorstellung des an die Gemeinschaft gebundenen und auf die Gemeinschaft bezogenen Individuums[556].

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      Art. 9 GG im Zusammenwirken mit den infrage kommenden „Inhaltsrechten“ setzt voraus, dass sich außenrechtliche Freiheitsgewähr, binnenrechtliche Organisation und Willensbildung der Vereinigung strukturell entsprechen. Wer die Unternehmer- und Berufsfreiheit und die Garantie des unternehmerisch genutzten Eigentums für sich in Anspruch nimmt, soll sich im Ansatz auch nach diesen Grundsätzen organisieren[557]. Ein Antrag auf Mitgliedschaft in einer Vereinigung darf daher nicht willkürlich versagt werden, wenn der Verein eine überragende Machtstellung hat und ein besonderes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht[558]. Die innere Struktur der Vereinigung muss plural organisiert sein; sie ist auch einer gesetzlichen Regelung zugänglich, die jedoch inhaltlich die Vereinigungsfreiheit zur Schranken-Schranke hat. Wie weit die gesetzlichen Regelungen reichen können, bestimmt sich folgerichtig nach dem inneren Grund der Vereinigung. Ist die Vereinigung – zum Beispiel eine Aktiengesellschaft – von ökonomischen Interessen dominiert, können die Mitgliedschaftsrechte anstatt von Art. 9 GG durch die Grundrechte der Art. 2, 3, 12 und 14 GG und allgemeine Verfassungsprinzipien, wie etwa die Prinzipien der Rechts- und Sozialstaatlichkeit, bestimmt sein[559].

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      Der verbürgte Schutz erfasst nicht nur den Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigung, sondern alle zum Erhalt und zur Sicherung der Vereinigung notwendigen Tätigkeiten. Dazu kommt das Recht, die in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch eine spezifisch koalitionsmäßige СКАЧАТЬ