Freiheit . Martin Laube
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Название: Freiheit 

Автор: Martin Laube

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Themen der Theologie

isbn: 9783846337714

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СКАЧАТЬ Freiheit, wenn er die Unabhängigkeit von Zwängen und Begierden gewinnt und sich einordnet in die über ihn verfügten Gegebenheiten. Paulus jedoch rekurriert nie auf Freiheitskonzeptionen, die ursprünglich mit der menschlichen Natur verknüpft sind. Seinem Freiheitsverständnis liegt ein Befreiungsgeschehen zugrunde, das mit Jesus Christus verbunden wird und in ihm gründet (vgl. Betz 1994: 116,119). In |44|diesem Befreiungsgeschehen vollzieht sich ein Übergang von der »Knechtschaft« (δουλεία) zur »Freiheit« (ἐλευθερία). Diese Knechtschaft wiederum wird in Verbindung gebracht mit der Sünde, dem Gesetz und der Vergänglichkeit, mit dämonisierten Mächten, ja sie wird in Röm 5,12–21 mit der Schöpfungsgeschichte verknüpft, und dies zeugt insgesamt nicht von einem optimistischen Weltbild (vgl. Betz 1994: 118). Der Gebrauch des Verbs ἐλευθεροῦν (»befreien«) und des Substantivs ἀπελεύθερος (»der Freigelassene«) hat im Blick auf dieses Befreiungsgeschehen einen programmatischen Charakter (vgl. Schnelle 2003: 624). Erstmals in Gal 5,1 und geradezu in formelhafter Verdichtung schreibt Paulus: »Zur Freiheit hat uns Christus befreit.« Dieser Freiheit steht das Joch der Knechtschaft gegenüber, das die galatischen Christen in diesem Befreiungsgeschehen abgelegt haben. Röm 6,18.22 spricht im Blick auf die Christen von einer Befreiung von der Sünde und Röm 8,2 von einer Befreiung von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Röm 8,21 weitet das Befreiungsgeschehen sogar auf die gesamte Schöpfung aus, die von der »Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes« befreit worden ist. Auch in dem Adjektiv ἀπελεύθερος (»frei«) in 1Kor 7,22 kommt dieses Befreiungsgeschehen zum Ausdruck, da der Sklave als ein Freigelassener des Herrn angesprochen wird. Allerdings fällt bei fast allen angeführten Belegen auf, dass sie diese Freiheit in der Paradoxie einer neuen Bindung nennen, die in einer Knechtschaft zur Gerechtigkeit (vgl. Röm 6,18) oder für Gott (vgl. Röm 6,22), für Christus (vgl. 1Kor 7,22) oder für die Liebe (vgl. Gal 5,13) besteht. Es gehört folglich zur Struktur des paulinischen Freiheitsverständnisses, das Befreiungsgeschehen in paradoxaler Weise mit einer neuen Knechtschaft zu verbinden, so dass der ἐλεύθερος gleichzeitig wieder ein δοῦλος Χριστοῦ (»Sklave Christi«) ist (vgl. 1Kor 7,22).

      Dieses Befreiungsgeschehen wurzelt in dem sieghaften Ereignis von Tod und Auferstehung Jesu, dessen Ertrag als Erlösung, Befreiung oder Loskauf in der Taufe übereignet wird. Einerseits spricht Paulus von einer Befreiung von den als unheilvollen Mächten vorgestellten Gegebenheiten Tod, Sünde und Gesetz (vgl. Röm 5–7), andererseits aber eröffnet diese Befreiung eine neue Gemeinschaft, die kategorial von der Vergangenheit geschieden ist und als neue |45|Schöpfung vorgestellt wird (vgl. 2Kor 5,17; Gal 6,15). Kennzeichen der Neuheit ist u.a., dass in dieser Christusgemeinschaft der soziale Gegensatz von Freien und Sklaven aufgehoben ist (vgl. Gal 3,28; 1Kor 7,22; 12,13).

      3.1. Die Korintherbriefe: Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit

      In den Briefen an die Gemeinde in Korinth integriert Paulus erstmals und möglicherweise angeregt durch die Vorkommnisse und Bewegungen innerhalb der Gemeinde die Freiheitsthematik in seine Ausführungen. Die Entdifferenzierungsformel in 1Kor 7,19; Gal 3,28; 5,6; 6,15 (vgl. Vollenweider 1997: 503), die ein emanzipatorisches Denken für Sklaven gegenüber Freien, Frauen gegenüber Männern und Heiden gegenüber Juden anregen konnte, stellte die Frage nach der sozialen Wirklichkeit dieser neu gewonnenen Freiheit in Christus. Ein Reflex dieser Diskussion spiegelt sich auch in dem zweimal zitierten Schlagwort »alles ist (mir) erlaubt«, das von Paulus sogleich mit dem Zusatz, »aber nicht alles dient zum Guten« kommentiert wird (1Kor 6,12; 10,23). Es ist vom Kontext beider Stellen her nicht deutlich, auf welche Verhaltensweisen in Korinth dieses Schlagwort appliziert wurde. Jedenfalls war es eine Übertreibung der älteren Forschung, von diesem Schlagwort aus die korinthischen Christinnen und Christen zu Libertinisten im Sinne des griechischen »Tun, wie ich will« oder zu Gnostikern mit absolut weltlicher Indifferenz zu erklären. Wohl aber stellte sich von der Entdifferenzierungsformel her die Frage, welche Auswirkungen die Freiheit etwa für die christlichen Sklaven innerhalb der Gemeinde haben konnte und wie sie auf bestehende Normen im sozialen Zusammenleben (vgl. 1Kor 10,29) wirkte.

      In 1Kor 7 bespricht Paulus das Verhältnis bestehender Lebensformen (Ehe, Ehelosigkeit, Witwenschaft, Mischehe, Jungfräulichkeit) zur Berufung oder zur Christwerdung (vgl. 1Kor 7,17) und er scheint hierbei zumindest teilweise auf Anfragen aus Korinth einzugehen (vgl. 1Kor 7,1a). Die Grundlinie dieses Abschnitts und der Argumentation des Paulus liegt in der wiederholt vorgetragenen Aufforderung, in dem gegenwärtigen sozialen und persönlichen |46|Stand zu bleiben (μένειν/»bleiben in«, vgl. 1Kor 7,8.11.20.24.40). Sie soll nicht nur in Korinth, sondern in allen Gemeinden gelten (vgl. 1Kor 7,17b). Freilich sind die sozialen Gegebenheiten nicht absolut festgeschrieben, denn die individuelle Ausrichtung (vgl. 1Kor 7,7), das Triebleben des Einzelnen (vgl. 1Kor 7,9) oder auch der Wille zur Ehescheidung (vgl. 1Kor 7,15) werden berücksichtigt. In diesen Abschnitt ist eine Stellungnahme zu dem denkbaren Fall eingeflochten, dass ein Christ gewordener Sklave die Freilassung erhalten kann (vgl. 1Kor 7,21–23). Soll er sie ergreifen oder ausschlagen? Μᾶλλον χρῆσαι (»nutze es umso mehr«) – rät Paulus, und das bezieht sich wohl auf die Freiheit und nicht auf den Verbleib in der Sklaverei. In diesem Fall ist die durchaus denkbare Ausnahmesituation der Sklavenfreilassung konstruiert. Sollte sie sich ergeben, so darf der Sklave diese Freiheit ergreifen. Es wäre schwer vorstellbar, dass Paulus selbst unter diesen beschriebenen Voraussetzungen zum Bleiben im Sklavenstand auffordern würde. Gleichwohl gilt grundsätzlich die Anweisung, dass der zur christlichen Gemeinde gehörige Sklave sich aus seinem sozialen Stand nichts machen soll, sondern ihn akzeptieren darf (vgl. 1Kor 7,21a). Zur Begründung der hier gebotenen Optionen führt Paulus die Paradoxie an, dass der im Herrn berufene Sklave ein Freigelassener des Herrn ist gleichwie der als Freier Berufene ein Sklave Christi (vgl. 1Kor 7,22). Freiheit besteht und realisiert sich demnach erst in der Bindung an Christus. Für beide Stände – den Freien und den Sklaven – gilt, dass das Erlösungswerk Christi als ein Loskauf oder ein Befreiungsgeschehen interpretiert wird, das ein Verhältnis der Knechtschaft beendet (vgl. 1Kor 7,23). Diese Unabhängigkeit und Freiheit, die zugleich die neue Bindung an Christus impliziert, ist folglich höher zu bewerten als das emanzipatorische Ideal der faktischen, durch Standesänderung erwirkten Freiheit.

      Noch deutlicher als in diesen Ausführungen zur Sklavenfrage bewegt sich Paulus im Blick auf sein eigenes Apostolat in 1Kor 9 in einem hellenistischen Verständnis von Freiheit. Er ist möglicherweise durch seinen freiwilligen Verzicht auf das Essen von Götzenopferfleisch (vgl. 1Kor 8,13) angeregt, zu diesem Thema, das er in 1Kor 8,1–13 begonnen hat und in 1Kor 10,1–11,1 fortführt, eine exkursartige Bestimmung seiner eigenen apostolischen Freiheit darzulegen.|47| Diese soll freilich der korinthischen Gemeinde für ihren Umgang miteinander als Vorbild dienen (vgl. 1Kor 11,1), insofern sich im Verzicht auf bestimmte Speisen eine Rücksichtnahme auf das Gewissen anderer Gemeindeglieder bekundet. Ausgangspunkt der Darlegungen ist der an sich ungewöhnliche und ihn von anderen Aposteln unterscheidende Verzicht des Paulus auf den apostolischen Unterhalt durch die Gemeinden und auf weitere Rechte (vgl. 1Kor 9,15; vgl. dazu 1Thess 2,9; 2Kor 11,7–10; Phil 4,10–20). Dies geschah, so legt 1Kor 9,19 dar, in einer freiwilligen Entscheidung und in der Absicht, auf diese Weise missionarisch erfolgreicher zu sein. Nur der Freie kann sich aus eigener Entscheidung in eine Bindung begeben (vgl. 1Kor 9,19). Paulus versteht seine Wirksamkeit grundsätzlich aus einer Bindung an Christus heraus, die er sogar als ἀνάγκη (»Zwang«) anspricht (vgl. 1Kor 9,16). Im Rahmen dieser Bindung bewegt sich die Freiheit zum Verzicht auf Unterhalt. Ausgehend von einer differenzierten Entfaltung der apostolischen Freiheit als einer Bindung an Christus wird die den Darlegungen einleitend vorangestellte Frage »Bin ich nicht frei (oder: ein Freier)?« (1Kor 9,1) beantwortet.

      In der Beschreibung dieser Freiheit bewegt Paulus sich mehrfach in großer Nähe zu hellenistischen Freiheitskonzeptionen (vgl. Vollenweider 1989: 199–220). Kennzeichen des wahren Philosophen ist in sokratischer Tradition die finanzielle Unabhängigkeit. Xenophon schreibt über Sokrates: »Wer aber Wert auf den Umgang mit ihm legte, von dem nahm er kein Geld. Dadurch glaubte er unabhängiger zu sein. Er nannte Männer, die aus ihrer Lehrtätigkeit ein Geldgeschäft machten, Verkäufer der Freiheit ihrer СКАЧАТЬ