Oh mein Gott!. Christian Schwab
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Название: Oh mein Gott!

Автор: Christian Schwab

Издательство: Bookwire

Жанр: Религия: прочее

Серия:

isbn: 9783990012567

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СКАЧАТЬ streng wird es bei mir eher nicht werden. Beachten muss ich zunächst die Sonnenuntergangszeiten. Der Sabbat dauert von Freitagabend bis zum Samstag. Von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang. In dieser Zeit werde ich weder Fernseher noch Smartphone einschalten. Kein WLAN am Sabbat, der Draht zu Gott muss reichen. Das Thema Autofahren werde ich folgendermaßen lösen: Ich fahre am Freitagvormittag mit meiner Familie nach Eggenfelden, da ist noch kein Sabbat. Problematischer ist die Rückfahrt, da ich vor Sabbatende wieder in Wien sein muss. Mitfahren ist ja erlaubt, also wird meine Freundin Heidi den 300 Kilometer langen Rückweg übernehmen.

      Den Synagogenbesuch lasse ich aus, weil keine in der Nähe ist. Allerdings habe ich meine Kippa und Tora dabei und werde zu Sabbatbeginn eine Stunde in der Tora lesen. Zeit für Gott ist also eingeplant, genauso wie für die Familie.

      Die erste Hürde muss ich bereits bei der Begegnung mit meiner Familie überwinden, als meine Schwester sagt: »Setzt euch zum Essen! Ich habe einen Schweinsbraten gemacht.« Gott stellt mich also auf die Probe, jetzt muss er mir auch beistehen. Es gilt, den eingeschlagenen Weg nicht zu verlassen.

      »Elke, Schweinefleisch ist für mich tabu.« Ich beginne meiner Familie von meinem Experiment zu erzählen. Meine Mama schaut mich verdutzt an und sagt: »Du warst schon immer etwas verrückt, aber jetzt hat’s dich erwischt.« Darauf habe ich die passende Antwort. »Im Gegenteil. Ich bin jetzt zum ersten Mal koscher.« Für mich werden also nur Kraut und Knödel serviert und mein Dasein als Jude wird von meiner Familie nicht nur akzeptiert, sie beginnt sich sogar dafür zu interessieren. Ich bin selbst überrascht, was ich alles vom Judentum mitgenommen habe, als ich von den ersten Tagen erzähle. Übernachten werde ich mit Freundin und meiner kleinen Tochter in einem Hotel, wir sind pünktlich zu Sabbatbeginn um 16:30 Uhr im Zimmer. Ich brauche oft tagelang keinen Fernseher, aber hier im Hotelzimmer würde ich gerne sofort zur Fernbedienung greifen und alle Kanäle rauf- und runterzappen. Doch der Versuchung kann ich ebenso widerstehen wie zuvor dem Schweinsbraten. Stattdessen widme ich mich der Tora und beginne im ersten von insgesamt fünf Büchern Moses zu lesen, der Genesis, die Schöpfungsgeschichte. Bald bin ich vertieft, und wenn nicht die Evita-Premiere rufen würde, ich würde wohl länger als die eingeplante Stunde in der Tora verweilen.

      Mein Smartphone habe ich bereits eine Stunde vor Sabbatbeginn ausgeschaltet. Es war ein nahezu feierlicher Akt. Während ich also keine Anrufe entgegennehmen oder Nachrichten verschicken muss, bemerke ich, wie ich mich durch mein Smartphone oft mit vielen Leuten beschäftige, nur nicht mit denen, die gerade da sind.

      Doch an diesem Abend kann ich mich ganz auf die anwesenden Menschen konzentrieren und vor allem auch auf das Stück. Dem Sabbat sei Dank. Evita wird ein Erfolg, die Premiere wird bejubelt und beklatscht, ich freue mich für meine Schwester, die ich nach dem Stück im Theatercafé umarme. Ich stoße mit ihr mit einem Weißbier an. Dann fällt mir ein: Ob Alkohol am Sabbat erlaubt ist oder nicht, habe ich gar nicht gefragt. Glauben heißt bekanntlich nicht wissen, und weil ich es nicht weiß, glaube ich einmal, dass ein Bier am Sabbat erlaubt ist. Auf alle Fälle hier in Bayern. Der nächste Tag wird genauso eingehalten, wie ich ihn geplant habe, und so ziehe ich am Samstagabend Bilanz über meinen ersten Sabbat. Er war tatsächlich richtig erholsam, quasi ein 24-Stunden-Urlaub mit Tora lesen. Hat es was mit dem Judentum zu tun, oder habe ich nur gut abschalten können, weil auch mein Smartphone abgeschaltet war? Um die Antwort dafür zu bekommen, habe ich noch drei Sabbats Zeit. Meine Vorfreude auf den nächsten ist jetzt schon groß.

      Synagoge statt Streif

       Mein Tora-Wunder

      Meinen dritten Sabbat möchte ich, nachdem ich den zweiten einfach mit Lesen in der Tora und sonstigem Nichtstun verbracht habe, so streng wie möglich begehen. Wir verzichten in unserer Wohnung komplett auf elektrisches Licht und benützen keine elektrischen Geräte wie die Waschmaschine oder den Geschirrspüler. Ausnahme: Eine Herdplatte darf für den Brei von Ivy aktiviert werden, sonst wäre es wohl rasch vorbei mit der Ruhe am Sabbat. Smartphone und Internet sind sowieso tabu, das ist nach zwei Sabbats schon zur Selbstverständlichkeit geworden. Ich ärgere mich, dass zu wenig Zeit war, um ihn noch ordentlicher vorzubereiten oder zumindest pünktlich zu starten.

      Heidi muss noch einiges erledigen und ist noch nicht zurück. Doch ohne die Frau des Hauses kann der Sabbat nicht begonnen werden, denn 18 Minuten vor Beginn des Sabbats sind die Sabbatkerzen anzuzünden. Grundsätzlich gibt es zwei Kerzen, die jeweils für Mann und Frau stehen, mittlerweile wird für jedes Familienmitglied eine Kerze angezündet. Traditionellerweise zündet die Frau diese Kerzen an, außer ein Mann lebt alleine in einem Singlehaushalt, dann muss natürlich er die Sabbatkerzen anzünden. Heute hätte dieses Ritual um 16:18 Uhr stattfinden sollen, es ist aber nun bereits knapp nach 17 Uhr, als ich die Wohnungsschlüssel höre und Heidi nach Hause kommt. Wenn die Tora wortwörtlich ausgelegt werden würde, dann hätte ich jetzt vielleicht ein ernstes Problem, denn im 2. Buch Mose, im Exodus, steht Folgendes:

      »Und der Ewige sprach zu Moscheh, indem er sagte: Du aber rede zu den Söhnen Jisraels und sprich: Nur meinen Sabbat müsset ihr halten, denn ein Zeichen ist es zwischen mir und euch für eure Geschlechter, dass ihr erkennet, dass ich der Ewige, der euch heiliget. Und haltet Sabbat, denn heilig ist er euch. Wer ihn entweiht, soll getötet werden.«

      Sehr freundlich und großherzig klingt das nicht gerade, aber ich hoffe, Gott sieht über unsere Unpünktlichkeit hinweg oder zumindest gerade nicht auf die Uhr. Die Zeremonie kann beginnen. Heidi zündet die Kerzen an, danach führt sie beide Hände in einer Kreisbewegung zu ihren Augen und hält diese zu. Nun ist es Zeit für sie, den Segensspruch aufzusagen. Leider kann ihn keiner von uns auswendig und ich habe auch vergessen, ihn auszudrucken. Was aber ohnehin sinnlos wäre, weil Heidi die Hände vor ihren Augen hat und ihn nicht lesen könnte. So wünschen wir uns einfach »Good Schabbes«, eine Mischung aus dem englischen Wort für gut und dem jiddischen Wort für Sabbat. Zwei Wörter, die sich die Mitglieder der jüdischen Gemeinde am Sabbat vor allem zur Begrüßung in der Synagoge sagen. Doch die drei Sabbatkerzen sind nicht die einzigen, die meine Freundin anzündet. Es folgen noch einige mehr. Ich bin direkt verwundert, wie viele Kerzen sie bei uns gelagert hat. Sollte dem Flughafen Wien-Schwechat einmal das Licht für eine Landebahn ausgehen, könnten wir mit unseren Kerzen locker aushelfen. Mit jeder Kerze, die brennt, so habe ich das Gefühl, werde ich innerlich ruhiger.

      Jetzt gilt es, sich nur nicht anzustrengen. Es gibt sogar Juden, die das Streichholz beim Kerzenanzünden nicht ausblasen, sondern warten, bis es von selbst erlischt, weil das Ausblasen zu anstrengend sein könnte. Eine Besonderheit bei den orthodoxen Juden ist auch der sogenannte Sabbatlift. Dieser ist so programmiert, dass er automatisch von oben nach unten fährt und in jedem Stockwerk stehen bleibt, damit kein Jude einen Knopf betätigen muss. Diesen Sabbatlift findet man in Krankenhäusern, Wohnhäusern, auch in Synagogen und Hotels, allen voran natürlich in Israel. Im Jahr 2001 wurde dort sogar ein Sabbat-Aufzugsgesetz verabschiedet, das für die Planung und den Bau aller Wohngebäude sowie öffentlicher Gebäude, die über mehr als einen Aufzug verfügen, zur Einrichtung eines Steuermechanismus für Sabbat (Sabbat-Modul) in einem der Aufzüge verpflichtend vorsieht.

      Die Lösung muss manchmal aber gar keine technische sein, sondern kann allzu menschlich ausfallen, indem man einen sogenannten Sabbat-Goi beschäftigt. Als Goi werden alle Nicht-Juden bezeichnet. Und so kann zum Beispiel in einem großen Hotel einfach ein Sabbat-Goi beauftragt werden, die Liftknöpfe für Juden zu drücken. Die Treppe nehmen kommt gar nicht infrage, weil das viel zu anstrengend ist. Für mich persönlich ist es allerdings anstrengender, an all die Regeln zu denken und die Vorbereitungen dafür zu treffen als einfach gar nichts zu tun.

      Eine solche Vorbereitung hätten wir auch für die Sabbat-Mahlzeiten treffen sollen: Drei Mahlzeiten vorkochen und auf eine Wärmeplatte stellen. Bei uns fehlt es gerade an beidem, an den drei Mahlzeiten und an der Wärmeplatte. Aber es fehlt mir nicht an Kreativität, und so wird der gute österreichische Kompromiss gewählt: Es wird einfach nicht warm gegessen, sondern kalt gejausnet. Zumindest habe СКАЧАТЬ