Der christliche Sonntag. Annika Bender
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Название: Der christliche Sonntag

Автор: Annika Bender

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Erfurter Theologische Studien

isbn: 9783429064150

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СКАЧАТЬ einen hohen Stellenwert beimisst. Es geht darum, „wie der Vollzug von Glaube, Hoffnung und Liebe in den jeweiligen gesellschaftlichen und biographischen Kontexten von Menschen Gestalt gewinnt und wie jener Vollzug diese Kontexte verändert.“55 Nicht nur aus dem Kontext ist eine Veränderung der Theologie zu erwarten, sondern auch der Kontext verändert sich durch den Glaubensvollzug56. Methodisch arbeitet die Kontextuelle Theologie stark interdisziplinär57.

      Aufgabe liturgiewissenschaftlicher Forschung der Gegenwart ist zunehmend die Bestimmung des Verhältnisses von Liturgie und Gottesdienst feiernder Gemeinde. Dabei sind theologische Kriterien wie auch die Lebensrealität der Gemeinde von Bedeutung58. Sich ausschließlich auf innertheologische Maßstäbe zu beziehen, kann nicht genügen, wenn man den Sonntagsgottesdienst in seinen vielen theologischen Facetten bedenken will59. Der Gottesdienst feiernde Mensch steht immer zugleich in einem außergottesdienstlichen Lebenskontext, der seinen Verstehens- und Sinndeutungshorizont beeinflusst. Kontextuelle, also soziologische und kulturwissenschaftliche Erkenntnisse über Individuum und Gesellschaft, sind von daher unverzichtbar. Sie ermöglichen, theologische Denkmuster auf ihre Realitätstauglichkeit hin zu überprüfen und gesellschaftliche Entwicklungen theologisch einzuordnen60. Gegenwartsbezogene Liturgiewissenschaft, die das negiert, verliert an Plausibilität. Veränderte gesellschaftliche Bedingungen stehen in einer Wechselbeziehung mit der Theologie des Sonntags. Die Bedeutung der Sonntagsliturgie für die christliche Gemeinschaft und darüber hinaus kann nur auf der Grundlage einer präzisen Beschreibung der Bedingungen des religiösen Lebens in der Gegenwart vermittelt werden. Ziel ist eine Theologie des Sonntags, die den gesellschaftlichen und religiösen Kontext als fundamental erachtet und ihre gesellschaftliche Vermittelbarkeit aus der liturgietheologischen Reflexion und der soziologischen Analyse ableitet, also aktiv kontextualisierend ist61. Aus der Gestaltung des Lebenshorizonts der Menschen leiten sich zentrale Fragen ab62. In diesem Fall sind sie zum einen um die Frage angeordnet, unter welchen Voraussetzungen Menschen in der Gegenwart religiös praktizierend sind und wie sich das religiöse Leben gestaltet. Zum anderen wirken sich insbesondere veränderte Zeitstrukturen auf die Gestaltung des persönlichen Lebens aus, Erholungskonstanten wie Wochenende und Urlaub sind Veränderungen unterworfen63. Das muss liturgiewissenschaftlich unter Bezugnahme der Erkenntnisse von Partnerdisziplinen aufgenommen und theologisch reflektiert werden. Im Kern geht es dabei um die Ermöglichung der Beziehung zwischen Gott und Mensch. Dabei wird nicht nur nach der Bedeutung der christlichen Botschaft für das kulturelle Leben gefragt, sondern auch nach grundlegenden Voraussetzungen für die Weitergabe des Evangeliums in einer entsprechenden Kultur64.

      Sowohl die kirchlichen als auch die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Feier der Liturgie haben sich in Europa grundlegend verändert. Dementsprechend rücken auch für die Liturgiewissenschaft veränderte und neue Akzente in den Vordergrund. Die Grundlagen religiöser Praxis, die Diskrepanzen zwischen der Glaubensrealität und kirchlichen Vorgaben und die Frage nach der kultur- und identitätsstiftenden Kraft der christlichen Liturgie müssen weiter thematisiert werden65. Für die Frage nach der Zukunft des Sonntagsgottesdienstes heißt das, darzustellen, unter welchen Voraussetzungen er gefeiert wird, welche Impulse aus seiner Theologie für die christliche Identität abzuleiten sind und welche Bedeutung ihm aufgrund der gegenseitigen Einflussnahme dieser beiden Größen in Zukunft zukommen kann.

      Ziel der Arbeit ist es, den Beitrag der Sonntagsliturgie für die Identität der christlichen Gemeinschaft aufzuzeigen und ihre Bedeutung für das Zusammenleben von Menschen darzustellen. Dabei sollen Erkenntnisse aus nichttheologischen Partnerdisziplinen in die liturgiewissenschaftliche Diskussion einbezogen werden. Sie können dazu beitragen, die theologische und gesellschaftliche Bedeutung des Sonntagsgottesdienstes auf dem Hintergrund der Lebensbedingungen in die Gegenwart zu übersetzen und Perspektiven für die Gestaltung gottesdienstlicher Kultur in der Zukunft zu entwickeln. Am Ende soll sichtbar werden, welche Bedeutung der Sonntag für die christliche Spiritualität besitzt und welche Perspektiven für gelingendes Leben in pluraler Gesellschaft damit verbunden sind. Dahinter steht die These, dass die Feier der Sonntagsliturgie für die christliche Gemeinschaft existenziell ist und zum Gelingen menschlichen Zusammenlebens beiträgt.

      Der erste Teil der Arbeit (A) geht deskriptiv-analytisch vor. Grundlegend für die Wahrnehmung der für den Sonntagsgottesdienst bestehenden Herausforderungen ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen religiöse Praxis und Zeitkultur in der Gesellschaft heute gestaltet werden müssen. Dafür sind soziologische Erkenntnisse von Interesse (Kapitel 2). Die Diskussion über Religion innerhalb der Soziologie beschäftigte sich in den letzten Jahren v.a. mit der Frage der Säkularisierung. Die Arbeit nimmt verschiedene Stränge der Diskussion des sog. Säkularisierungsparadigmas auf. Damit wird erkennbar, welche Bedingungen und Faktoren für Religionszugehörigkeit und -praxis heute entscheidend sind. Neuere religionssoziologische Forschungen diagnostizieren veränderte Formen religiöser Praxis. Insbesondere die Analysen der religiösen Praxis der Gegenwart, die die britische Religionssoziologin Grace Davie vorgelegt hat, sind für die Liturgiewissenschaft von Interesse. Ausgangspunkt der von ihr entwickelten Konzepte ist eine differenzierte Wahrnehmung von Säkularisierung in Europa. Sie sollen deswegen vertieft dargestellt werden.

      Ein Blick auf Veränderungen kultureller und sozialer Zeitrhythmen seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist ebenso unverzichtbar. Das betrifft das Zueinander von Wochenende und Freizeit, weil der Sonntag oft als Teil des Wochenendes gedeutet wird; seine christliche Bedeutung wird nur von einem gewissen Teil der Bevölkerung geteilt. Das schließt eine kurze Darstellung der vielfältigen außerkirchlichen gesellschaftlichen Assoziationen, mit denen der Sonntag besetzt sein kann, ein. Sie sollen helfen, Entsprechungen außerkirchlichergesellschaftlicher Sonntagsbedeutungen mit kirchlichen Bedeutungsbesetzungen aufzuzeigen. Möglicherweise gibt es Übereinstimmungen, die kirchlicherseits deutlicher artikuliert werden müssen, um auch von Fernstehenden gesehen zu werden.

      Ferner ist ein kritischer Umgang mit zeitstrukturellen Veränderungen notwendig. Hier liefern die präzisen Analysen des Soziologen Hartmut Rosa wichtige Erkenntnisse für die liturgiewissenschaftliche Reflexion, weil die Theorie der Beschleunigung aller Lebensbereiche große Herausforderungen für die Lebensgestaltung bedeutet, die sich auch auf den Gottesdienst auswirken.

      Diesem ersten diagnostischen Teil schließt sich der Blick auf das kirchliche Verständnis des Sonntags an (B). Im Mittelpunkt des Kapitels steht die Frage, wie sich die katholische Kirche zum Sonntag im Spannungsfeld von kirchlicher Lehre, Theologie und Gesellschaft äußert. Exemplarisch wurden hier drei verschiedene Ebenen ausgewählt. Mehrere kirchliche Verlautbarungen haben sich in den vergangenen Jahren in unterschiedlichen Kontexten mit dem Thema Sonntag und Sonntagsgottesdienst beschäftigt. In ihnen wird auch nach dem Verständnis des darin dargestellten Zusammenhangs von Christentum und Kultur gefragt, um den Sonntag nicht losgelöst von gesellschaftlichen Entwicklungen zu betrachten. Die Verlautbarungen sind einerseits Medien binnenkirchlicher Kommunikation und dienen der Selbstvergewisserung, können aber andererseits als Versuch verstanden werden, auf drängende kirchliche und gesellschaftliche Probleme zu reagieren. Die darin erkennbaren Argumentationen folgen theologischen Prämissen und kirchlichen Interessen. Die in den Verlautbarungen formulierten Zuschreibungen sind in gewisser Weise normativ für die katholische Kirche.

      Von dieser textanalytischen Ebene ausgehend werden zwei Beispiele kirchlichen Engagements für den Sonntag vorgestellt, die sich an unterschiedliche Adressaten richten und unterschiedliche Ziele verfolgen: die Aktionen des „Bonifatiuswerks der deutschen Katholiken e.V.“, die auf eine innerkirchliche Stabilisierung der Sonntagskultur abzielen und die kirchliche Mitwirkung bei den „Allianzen für den freien Sonntag“, die sich für die politische Garantie des arbeitsfreien Sonntags in Europa einsetzen. Auf einer dritten Ebene wird dann schließlich das liturgische Phänomen der „Zwecksonntage“ untersucht, bei denen sich gesellschaftliche Umstände konkret auf die Feier der Liturgie auswirken. Diese Gottesdienste sind liturgiewissenschaftlich mehrheitlich negativ beurteilt worden. Diese Diskussion soll hier berücksichtigt werden. Das Interesse richtet СКАЧАТЬ