Der christliche Sonntag. Annika Bender
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Название: Der christliche Sonntag

Автор: Annika Bender

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Erfurter Theologische Studien

isbn: 9783429064150

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      Es kann hier nicht darum gehen, alle erschienenen Beiträge en détail und systematisch vorzustellen, vielmehr sollen die Hauptlinien neuerer Forschungen zum Thema Sonntag dargestellt werden. Weil die Arbeit vom Ansatz her interdisziplinär geprägt ist, werden nicht nur liturgiewissenschaftliche Publikationen berücksichtigt. Es geht darum, ein möglichst breites Bild sonntäglicher Kultur zu zeichnen und kulturelle Phänomene aufzuspüren. Das ist nur im Dialog mit anderen Disziplinen möglich.

      Dass das Thema „Sonntag“ von breitem gesellschaftlichem Interesse ist, lässt sich an den zahlreichen Beiträgen in großen Tageszeitungen und kirchlichen Zeitungen in den letzten Jahren ablesen. Anlass hierfür waren die Klagen der beiden großen Kirchen und die Urteile der Gerichte zu den verkaufsoffenen Sonntagen9. Die Argumentationen und rechtlichen Begründungen sind in den Beiträgen unterschiedlicher Art, im deutschen Raum stimmen sie weitgehend darin überein, dass die Arbeitsruhe am Sonntag zum Wohl der Allgemeinheit erhalten bleiben soll10.

      Insgesamt lassen sich mit Blick auf wissenschaftliche Publikationen zum Sonntag in den vergangenen Jahren kulturgeschichtliche, ethnologische, sozialwissenschaftliche, liturgiewissenschaftliche und sozialethische Interessen erkennen. Mehrere kulturgeschichtliche Arbeiten zum Sonntag sind zu erwähnen. Zum einen ist hier der Erfolg zweier Ausstellungen zur Kulturgeschichte des Sonntags in den Jahren 2001 und 2002 zu nennen, deren Begleitbände ein buntes Bild vergangener Sonntagskultur zeichnen. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Sonntagskultur in Ost- und Westdeutschland nach 1945 bis in die Gegenwart und den damit verbundenen kulturellen Umbrüchen11. Auf ein älteres Forschungsprojekt zur Sonntagskultur in Österreich geht der mit aktualisierten Beiträgen herausgegebene Band „Der Tag des Herrn. Kulturgeschichte des Sonntags“ zurück. Hier stehen sozialethische, politische, kulturgeschichtliche und rechtshistorische Fragestellungen im Mittelpunkt des Interesses12. Von besonderer Bedeutung sind die Forschungsergebnisse des Schweizer Kulturhistorikers Urs Altermatt, der die Veränderungen der sozialen und kirchlichen Gestalt des katholischen Sonntags eingehend untersucht hat. In seinen Beiträgen verfolgt Altermatt die Verschiebung des Sonntags hin zum Wochenende im Kontext der Modernisierung in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts und der Pluralisierung sonntäglicher Kultur im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts, in der die Arbeitszeit flexibilisiert wird. Altermatt setzt die Erosion des Sonntags mit den Umbrüchen im katholischen Milieu in Verbindung13.

      Dass der Sonntag in vielfältiger Weise Kultur prägend gewesen ist, davon zeugen auch Literatur, Film und Musik. Einige neuere Beiträge versuchen diese Zeugnisse neu zu erschließen14.

      Erwähnenswert sind ebenso neuere ethnologische Arbeiten, die den Sonntagsgottesdienst untersuchen, indem sie die Perspektive der Ritualteilnehmer auf das sonntägliche Gottesdienstgeschehen reflektieren15.

      Die grundlegenden sozialwissenschaftlichen Arbeiten zum Sonntag stammen von Jürgen P. Rinderspacher und Irmgard Herrmann-Stojanow und bieten bis heute das aktuellste Material zum Thema16. Sie beschäftigen sich mit der kulturellen und sozialen Bedeutung des Rhythmus von Arbeitswoche und Wochenende sowie Freizeit und Arbeitnehmerinteressen. Sie versuchen dabei die Frage zu beantworten, welche gesellschaftlichen Konsequenzen sich aus dem Verlust des gemeinsamen Wochenendes ergeben.

      Verhältnismäßig viele Publikationen beschäftigen sich aus kirchenhistorischer, liturgiehistorischer und -theologischer Perspektive mit der Frühgeschichte des christlichen Sonntags. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei v.a. das Verhältnis von jüdischem Sabbat und christlichem Sonntag17.

      Eine herausragende Studie zum Gottes-Gedenken in der jüdischen und der christlichen Liturgie hat Stephan Wahle vorgelegt. Wahle zeigt auf, dass sowohl im jüdischen als auch im christlichen Gottesdienst das Gottes-Gedenken die Mitte bildet, dabei berücksichtigt er auch die jüdische Sabbat- und die christliche Sonntagliturgie18.

      Die Studie von Andreas Poschmann beschäftigt sich nicht explizit mit dem Sonntag, sondern mit der Erneuerung der Liturgie in der Zeit der Liturgischen Bewegung im Leipziger Oratorium; sie ist hier aber dennoch zu nennen. Sonntäglicher Gottesdienst und Gemeindecaritas waren für die Oratorianer des heiligen Philipp Neri untrennbar miteinander verbunden und führten zu einer Reform der liturgischen Feier. Die Arbeit macht deutlich, wie eng die konkrete Gestalt der liturgischen Feier an die jeweiligen Lebensbedingungen der Menschen gebunden ist19. Die Sonntagsgemeinde wird schließlich als ursprünglicher Ort von Diakonia und Martyria reflektiert20.

      Zwei liturgiewissenschaftliche Sammelbände zum Sonntagsgottesdienst sind in den vergangenen Jahren erschienen. Der Band „Sonntäglich. Zugänge zum Verständnis von Sonntag, Sonntagskultur und Sonntagspredigt“, eine Festschrift für den langjährigen Vorsitzenden der „Arbeitsgemeinschaft für Homiletik“, Ludwig Mödl, beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Kultur, Gottesdienst und Predigt und verfolgt dabei einen sehr breiten Ansatz, der sowohl theologie- und kulturgeschichtlich, als auch soziologisch fundiert ist und neben theologischen Aspekten der Sonntagspredigt auch verschiedene Ausprägungen gegenwärtiger katholischer und evangelischer Sonntagspraxis darstellt und analysiert21.

      Die jüngste Publikation „Normalfall Sonntagsgottesdienst? Gottesdienst und Sonntagskultur im Umbruch“22 fragt aus der Perspektive der Praktischen Theologie nach der Bedeutung des „Normalfalls“ und seiner Normativität. Die Beiträge dokumentieren ein Symposium, das die Gemeinsame Arbeitsstelle für gottesdienstliche Fragen der EKD mit der Liturgischen Konferenz und der Universität Mainz gemeinsam durchgeführt hat. Der Sammelband verzeichnet eine Vielzahl anregender Beiträge zur gegenwärtigen Praxis v.a. des evangelischen Gottesdienstes. Zentral ist die im Titel angedeutete Fragestellung, inwiefern der Sonntagsgottesdienst in der Gegenwart als Normalfall gemeindlicher liturgischer Versammlung verstanden werden kann. Die Beiträge gehen auf kulturelle und kirchensoziologische Hintergründe des evangelisch-lutherischen und des reformierten Gottesdienstes ein und versuchen seine Rolle in gegenwärtigen kirchlichen Umbruchsituationen zu charakterisieren23. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses der konkreten gottesdienstlichen Gestalt steht auch hier die Predigt24. Genauso spielen aber Zeit und Ort sonntäglicher Gottesdienste eine Rolle25. Die Beiträge spiegeln die Vielfalt evangelischer gottesdienstlicher Sonntagspraktiken im Kontext der „Wochenenddramaturgien“ und zeigen Perspektiven für die Qualität kirchlicher und gottesdienstlicher Handlungen auf.

      Der Blick auf Traditionen in den Ostkirchen zeigt die Vielfalt des liturgischen Gedächtnisses am Sonntag26.

      Der Wunsch nach genauer Kenntnis der Lebensbedingungen und -erwartungen der Menschen hat die Kirchen bewogen, ausführliche Milieustudien zu ihren Kirchenmitgliedern in Auftrag zu geben. Verschiedentlich sind daraus Konsequenzen auch für den Sonntagsgottesdienst abgeleitet worden. In den beiden o.g. Sammelbänden finden sich Beiträge, die eine realistische Einschätzung der Gottesdienstsituation ermöglichen und Voraussetzung für theologische Überlegungen bieten. Sie setzen sich mit der Bedeutung von Freizeit, dem Wochenende und in diesem Kontext mit dem Sonntagsgottesdienst auseinander27.

      Mehrere pastoralliturgisch orientierte Publikationen zum Sonntag hat Guido Fuchs vorgelegt. Er setzt sich für eine positive Interpretation der gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen der Sonntagsgottesdienst gefeiert wird, ein und plädiert für einen konstruktiveren Umgang mit der Bedeutung des Wochenendes, ohne dabei die Schwierigkeiten aus dem Blick zu verlieren, die sich daraus für die Feier der Liturgie ergeben. Er fordert stattdessen eine fruchtbare Aufnahme der mit dem Wochenende und den einzelnen Tagen verbundenen Profile durch die und in der Liturgie28.

      Mehrere Publikationen gehen auf die veränderten gesellschaftlichen und religiösen Voraussetzungen, unter denen Feste wie der Sonntag begangen werden, ein und stellen den Sonntag und den Sonntagsgottesdienst als Tag mit theologischer, kultureller und anthropologischer Bedeutungszuschreibung dar. Sie bedenken die vielfältigen gesellschaftlichen Einflüsse auf den Sonntag als arbeitsfreien СКАЧАТЬ