Die Spur des Wolfes. Günter Huth
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Название: Die Spur des Wolfes

Автор: Günter Huth

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783429062552

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СКАЧАТЬ an. Er atmete tief durch. Als Wolfgang etwas entgegnen wollte, hob er abwehrend die Hand. „Letzte Woche habe ich eine neue Diagnose bekommen. Der Krebs ist stark fortgeschritten und hat überall im Körper gestreut. Die Ärzte geben mir noch ein halbes Jahr. Aber das ist in Ordnung so. Die Quälerei muss dann mal ein Ende haben.“

      Wolfgang Hasenstamm sah seinen Vater durchdringend an. Der fuhr entschlossen fort: „Bevor ich den Abgang mache, will ich allerdings noch meine Schuld bei dir abtragen. Mir ist klar, wie sehr du hier, hinter diesen Gittern, leidest.“ Noch immer schwieg Wolfgang und ließ seinen Vater nicht aus den Augen. Der sah sich vorsichtig im Raum um, ob sie besonders beobachtet wurden. Als er feststellte, dass dies nicht der Fall war, nahm er mit noch leiserer Stimme seinen Gesprächsfaden wieder auf. „Ich möchte dir die Gelegenheit geben, von hier abzuhauen.“

      Wolfgang Hasenstamm zog die Augenbrauen in die Höhe. „Wie soll das gehen?“

      „Hör mir gut zu. Ich war nach der Diagnose bei einem Anwalt, bei dem ich so tat, als wolle ich mich wegen ein paar Erbschaftsfragen erkundigen. Dabei habe ich auch erwähnt, dass du im Knast sitzt, und gefragt, ob es da mit der Vererberei Probleme gäbe und ihn so nebenbei gefragt, ob mein Sohn bei meiner Beerdigung dabei sein kann, auch wenn er im Gefängnis sitzt. Der hat dann in seinen schlauen Büchern nachgeschaut und mir gesagt, dass Strafgefangenen bei familiären Angelegenheiten, wozu auch die Beerdigung naher Angehöriger zählt, ein bewachter Ausgang genehmigt werden kann.“ In den Augen des Alten blitzte ein Stück weit die alte Bauernschläue auf. In seinem Blick lag die Frage, ob Wolfgang ihn auch richtig verstanden hatte.

      „Du meinst …?“

      Richard Hasenstamm nickte. „Ich kann dir nur die Gelegenheit verschaffen, was du daraus machst, ist deine Sache.“

      Für einen Moment herrschte zwischen den beiden Schweigen. Wolfgang musste diese Nachricht erst einmal verdauen. Schließlich fuhr der Alte nüchtern fort: „Da ich nicht elendig verrecken will, werde ich den Termin meines Ablebens selbst bestimmen. Du wirst ihn erfahren, dafür werde ich sorgen. Das gibt dir die Möglichkeit, deine Flucht etwas zu planen.“

      Wolfgang Hasenstamm sah seinen Vater ablehnend an. „Das will ich nicht!“

      „Aber ich“, gab Richard Hasenstamm hart zurück. Es war klar, dass er keinen Widerspruch dulden würde. „Das ist allein meine Entscheidung!“ Seine Stimme hatte sich etwas erhoben, was einen Vollzugsbeamten veranlasste herüberzusehen. Da aber nichts Außergewöhnliches geschah, döste er weiter vor sich hin. Wolfgang war klar, dass der Entschluss seines Vaters feststand. Nach einem tiefen Atemzug fuhr der Senior fort: „Dies ist mein letzter Besuch. Wenn du von meinem Tod erfährst, kannst du davon ausgehen, dass ich an dem uns bekannten Platz entsprechende Ausrüstung versteckt habe. Damit bist du fürs Erste versorgt.“ Wieder trat ein längeres Schweigen ein. „Am besten, du verschwindest ins Ausland. In einigen Jahren ist Gras über die Geschichte gewachsen und sie werden die Nachforschungen einstellen.“ Der alte Hasenstamm sah auf seine Armbanduhr. Die Besuchszeit war bald abgelaufen. „Da ist noch etwas, das du wissen sollst. Es geht um den Grauen. Sie haben ihn ja nie erwischt. Irgendwann haben sie davon gesprochen, dass er von einem Wolfsforscher eingefangen wurde. Der unterhält im Spessart ein Gehege mit einem Wolfsrudel. Angeblich soll der Graue jetzt in der Forschungsstation leben.“ Er nannte ihm die Örtlichkeit. „Aber, wie gesagt, das ist ein Gerücht.“

      Die Besuchszeit war abgelaufen. Vater und Sohn verabschiedeten sich voneinander. Sie waren es nicht gewohnt, großes Aufheben zu machen. Ein kräftiger Händedruck, ein längerer Blick, dann verließ der Alte den Besuchsraum. Wolfgang sah ihm einen Moment hinterher, dann ließ er sich auf seine Zelle bringen. Dieses Gespräch hatte ihn enorm aufgewühlt, auch wenn er sich äußerlich nichts anmerken ließ.

      Einige Monate später bekam er von seinem Vater einen Brief. In dem Schreiben berichtete er seinem Sohn, neben anderen Nebensächlichkeiten, von den Planungen für den siebzigsten Geburtstag seiner Tante am 15. Juni. Wolfgang Hasenstamm war klar, was das bedeutete. Seine Tante hatte im März Geburtstag. Am 15. Juni wurde Wolfgang Hasenstamm zur Anstaltsleitung gerufen und man teilte ihm mit, dass sich sein Vater das Leben genommen habe. Der alte Mann hatte seinen Entschluss also in die Tat umgesetzt. Wenige Tage später stellte Wolfgang Hasenstamm über seinen Anwalt den Antrag auf bewachte Ausführung, um an der Beerdigung seines Vaters teilnehmen zu können.

      Das Geräusch der Rotorblätter des näher kommenden Hubschraubers alarmierte den flüchtigen Strafgefangenen. Hasenstamm blieb stehen und lauschte. Wie es sich anhörte, flog der Helikopter mit mäßiger Geschwindigkeit und ziemlich dicht über den Baumwipfeln. Er war zwar noch ein ganzes Stück entfernt, aber Hasenstamm hatte keinen Zweifel daran, nach wem sie suchten. Vermutlich hatte der Heli eine Wärmebildkamera an Bord, sonst würde er nicht so dicht über dem Blätterdach fliegen, das ja keinen freien Blick auf den Waldboden zuließ. Hasenstamm sah sich um. Vor ihm befand sich eine Tannenkultur. Diese Wärmebildgeräte reagierten, wie er sich in der Gefangenenbibliothek angelesen hatte, auf alle warmen Körper, die sich von der Umgebungstemperatur abhoben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit nutzten auch Wildtiere diese Kultur hier als Tageseinstand. Wenn er Glück hatte, würde die Kamera mehrere Objekte aufzeichnen, was hoffentlich bei den Piloten für Verwirrung sorgte. Schnell überwand er die Distanz zu dem Unterschlupf und drang zwischen die Stämme ein. Nach etwa hundert Metern hielt er inne und kauerte sich auf den Waldboden zusammen. So würde sich auf dem Display nicht die typische Kontur eines menschlichen Körpers abzeichnen. Ab da erstarrte er zur Bewegungslosigkeit und lauschte in den Himmel. Der Hubschrauber kam näher. Plötzlich veränderte sich das Geräusch des Rotors nicht mehr. Offenbar stand der Heli auf der Stelle. Sicher war aber nicht er gemeint, denn dafür war der Helikopter noch zu weit entfernt. Es dauerte eine gute Minute, dann nahm das Fluggerät wieder Fahrt auf und … entfernte sich langsam von Wolfgangs Standort. Er atmete tief durch. Als das Geräusch verklungen war, verließ Hasenstamm die Deckung und marschierte weiter. Sobald er sein Ziel erreicht hatte, musste er sich wegen einer Bedrohung aus der Luft keine Gedanken mehr machen.

      Der Eingang zum Schacht an dem felsigen Steilhang war so gut hinter Brombeersträuchern und anderem Unterwuchs verborgen, dass Hasenstamm zuerst an ihm vorüberlief. Es war ja einige Jahre her, seitdem er ihn das letzte Mal gesehen hatte. Die Natur rund um den Eingang hatte sich mittlerweile stark verändert. Hasenstamm drängte sich zwischen die Sträucher, bis er vor einem verrosteten Gittertor stand, das die Mine verschloss. Vor ihm befand sich einer jener alten Bergwerksstollen, in denen bis Anfang der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts Schwerspat abgebaut wurde. Rund um Partenstein gab es eine ganze Anzahl dieser Gruben, die allerdings alle 1948 wegen mangelnder Ergiebigkeit geschlossen wurden. Damals fanden in diesen Gruben zahlreiche Spessartbewohner Arbeit und Lohn. Jetzt das ideale Versteck für einen flüchtigen Sträfling. Dieser und andere Stollen dienten viele Jahre als Verstecke für seinen Vater und ihn, wenn sie sich nach ihren Streifzügen einige Zeit unsichtbar machen mussten. Selbst bei den Einheimischen waren diese Schächte weitgehend in Vergessenheit geraten. Nur noch die Alten erinnerten sich an sie.

      Wolfgang Hasenstamm besah sich das Vorhängeschloss der Gittertür. Auf den ersten Blick wirkte es verrostet und nicht mehr funktionstüchtig. Als er allerdings mit der Fingerspitze über das Schloss fuhr, blieb ein feiner Ölfilm daran haften. Sein Vater hatte also Wort gehalten. Hasenstamm sah sich aufmerksam um. Die alte Eiche mit der Spechthöhle, in der sie schon früher den Schlüssel verwahrt hatten, stand noch immer. Wolfgang griff hinein und fühlte eine Plastiktüte, darin der Schlüssel. Der Mechanismus des Schlosses funktionierte einwandfrei. Sogar die Scharniere des Gitters waren geschmiert und gaben kein Geräusch von sich, als er es öffnete. Er trat ein und schloss hinter sich wieder ab. Das Tageslicht reichte nur einige Schritte in den Schacht, dann gähnte vor ihm die Finsternis. Hier sollte in einer Nische eine Taschenlampe bereitliegen. So hatten sie es jedenfalls früher gehalten. Ohne Probleme ertastete er einen weiteren Plastikbeutel. Ihm entfuhr ein anerkennendes Brummen, als er eine moderne Stirnlampe auswickelte. Er zog sie sich über den Kopf und schaltete sie mit einem Knopfdruck ein. Das grelle Licht СКАЧАТЬ