Название: Wir verschenken Milliarden
Автор: Jörg Alt
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
Серия: Fragen der Zeit
isbn: 9783429062880
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Tabelle 2 Jahres-Summe der Einkommen (SdE) in Relation zum Anteil an festgesetzter Einkommensteuer (ESt)
Quelle Einkommensstatistiken des Statistischen Bundesamts
Aber auch hier kommt es auf weitere Details an. Zunächst einmal ergab die bislang einzige Studie, die umfassend auf anonymisierte Einkommensteuerdaten zugreifen konnte, dass die progressive Wirkung der Einkommensteuer zwar tatsächlich gegeben, aber nicht durchgängig ist: Sie hält an bis zu den Top 0,01 % der Einkommensbezieher, während die Belastung für die Top 0,001 % und 0,0001 % wieder sinkt (Bach, Corneo, & Steiner, 2011a, S. 12).
Veröffentlichungen des Bundesamts für Statistik zeigen sodann, dass aufgrund der Abgeltungsteuer auf Kapitalvermögen eine Verschiebung bei den Steuereinnahmen aus den verschiedenen Einkommenskategorien zu beobachten ist: Lag der Anteil an Einkommensteuer auf Kapitaleinkünften 2008 am Einkommensteuer-Gesamteinkommen noch bei 3 %, sank sie nach Einführung der Abgeltungsteuer auf 1 %. Gleichzeitig stieg der Anteil der Einkommensteuereinnahmen auf Arbeitseinkommen von 72 % (2008) auf 74 % (2011).
Sehr niedrige Beträge erwirtschaftet ein weiterer Bereich, der für große Vermögen wichtig ist: der Anteil aus Einkommensteuer auf Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Er liegt konstant bei 2 % – was angesichts der Bedeutung von Immobilien für Großvermögen (siehe 4.3, 10.3) verwundert. Das liegt an hier bestehenden Abschreibungs- und Kosten-Verrechnungsmöglichkeiten, die etwa für Sanierungen geltend gemacht und das zu versteuernde Einkommen senken können, während eine so erfolgende Wertsteigerung der Immobilien unbesteuert bleibt.
Die Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamts erhellen einen weiteren Grund, warum die anonymisierte Auswertung von Steuerdaten wichtig für eine gesellschaftspolitische Diskussion von Reichtum wäre: Während die Einkommensteuerstatistik recht exakte Rückschlüsse über das Einkommen von Personen und Haushalten ermöglicht, fehlt ein entsprechender Datensatz für die Berechnung von Vermögen: Dies war mit der Vermögensteuer noch gegeben, die eine Deklarationspflicht von Vermögen gegenüber den Finanzbehörden enthielt. Seit diese suspendiert wurde, basieren Größenschätzungen von Vermögen in Deutschland auf mehr oder minder intelligentem Raten und Spekulation.
6.2 Vermögensteuern
Neben der Einkommensteuer gibt es sodann eine Kategorie ausdrücklicher Vermögensteuern. Schon Bismarck und sein Finanzminister Miquel waren der Auffassung, dass „fundierte Einkommen“, also Einkommen aufgrund von Vermögensbesitz, aufgrund der Privilegierung derer, die sie überhaupt beziehen können, anders besteuert werden sollten als Einkommen durch Arbeit, denn: Einkommen aus Besitz verschafft zusätzliches Einkommen zur persönlichen Arbeit, sichert besser gegen Krankheit und andere Lebensrisiken und verschafft soziales Prestige und Einfluss. Zu nennen wären hier die Vermögensteuer, die Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie eine als Vermögensteuer ausgestaltete Grundsteuer.
Nur: Die Grundsteuer ist nicht als Vermögensteuer ausgestaltet, die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist voller Optionen, die insbesondere Großvermögen begünstigen, die Vermögensteuer ist seit 1997 ausgesetzt. Entsprechend belegen OECD-Statistiken, dass Deutschland im internationalen Vergleich hier eher wenig einnimmt. Gründe dafür sind vielfältig: Gegen eine höhere Grundsteuer wird angeführt, dass sie auf Mieter überwälzt werden könne, gegen eine ergiebige Erbschaftsteuer, dass sie Jobs vernichten und überhaupt eine ungerechte Doppelbesteuerung sei, da das Vererbte bereits vom Erblasser versteuert wurde, ähnliche Einwände werden gegen eine Besteuerung von „Vermögenssubstanz“ angeführt.
Hier bestehende Defizite werden selbst von deutschen Superreichen anerkannt. Der Hamburger Reeder Krämer meinte etwa: „Die Steuern auf Vermögen in den USA, Frankreich und Japan sind im Vergleich zu Deutschland viermal so hoch, in Großbritannien betragen sie sogar das Fünffache! Wenn wir in Deutschland die Steuern auf Vermögen wieder einführen würden, wie es in Frankreich der Fall ist (2,4 Prozent), so würden brutto für den Staat 43,5 Milliarden Euro Mehreinnahmen fließen“ (Krämer, 2015).
6.3 Ungerechtigkeiten bzw. Krise der Sozialversicherung
Ein Fachjournalist wies das Forschungsprojekt darauf hin, dass „die größte Quelle ungleicher, ungerechter Besteuerung die Sozialabgaben für Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung (sind). Sie werden für jeden Euro erhoben, sind wegen der Bemessungsgrenzen de facto degressiv und mehr als ein Drittel des gesamten Volkseinkommens (Selbständige, Beamte, Kapitaleinkünfte und Einkünfte oberhalb der Bemessungsgrenzen) wird gar nicht erfasst!“ Das ist zugegebenermaßen schematisch, aber eben nicht nur. Im Kern stimmen dieser Sicht andere Fachleute und Juristen zu (Borchert, 2014). Da in Deutschland Sozialversicherungspflicht herrscht, müssen tatsächlich die entsprechenden Beiträge der Steuer- und Abgabenlast hinzugerechnet werden, um eine Gesamtbelastung ermitteln zu können. Und in der Tat sind hier einige Personen und Versicherungsarten besser gestellt als andere, auch ein Grund dafür, dass „Arbeit“ in Deutschland im internationalen Vergleich tatsächlich „zu teuer“ ist. Nur: Viele Millionen im Niedriglohnbereich Beschäftigte verdienen zu wenig, als dass sie der Abgabenpflicht unterliegen würden. Hier zahlt der Staat entweder deren Beiträge aus Steuermitteln (bei „Minijobbern“) oder trägt für alle Nicht- oder Unterversicherte entstehende Kosten im Fall von Hilfsbedürftigkeit über die Sozialhilfe.
Bei Geringverdienern, die im gesetzlichen System versichert sind, schlagen Sozialversicherungsbeträge sodann anteilig härter zu Buche als Steuern, wo es für die unteren Einkommensbezieher Freibeträge gibt. Bei den Sozialversicherungsbeiträgen sind ab der Beitragsbemessungsgrenze die oberen Einkommensbezieher entlastet, d. h., deren Beiträge wachsen nicht mehr entsprechend ihrem Einkommen. Hinzu kommt, dass Bezieher hoher Einkommen ab einer Versicherungspflichtgrenze von 56.250 Euro im Jahr in eine private Versicherung wechseln und damit aus dem solidarischen Umlagesystem ausscheiden können. Vor Vereinfachung wird gewarnt: Unter den 8,8 Millionen privat Versicherten sind nicht nur Großverdiener, sondern auch viele Personen im Niedriglohnsektor, etwa Schein-Selbständige, die teilweise aber zu wenig verdienen, um regelmäßig Beiträge zahlen zu können, und die dadurch ihren Versicherungsschutz verlieren.
Ferner wurde das Prinzip der Parität, ursprünglich ein Kerngedanke des deutschen Sozialsystems, für die gesetzliche Krankenversicherung bereits gebrochen: Der Arbeitgeberanteil ist bei 7,3 % eingefroren, Beitragssteigerungen gehen nun voll zu Kosten der Arbeitnehmer.
Vor allem die Rentenversicherung ist seit Jahren in einer Krise, weil gezahlte Beiträge nicht mehr mit den Leistungen Schritt halten können und ein Ausgleich über gezielte Erhöhung indirekter Steuern bzw. jährliche Bundeszuschüsse, schon jetzt der größte Ausgabenposten im Bundeshaushalt, getätigt werden müssen.
6.4 Belastung durch direkte und indirekte Steuern
Während direkte Steuern am ehesten dazu geeignet sind, nach Leistungsfähigkeit zu belasten, ist dies bei indirekten Steuern nicht der Fall: Lebenshaltungskosten müssen von jedem bestritten werden, unabhängig davon, ob er 1.000 oder 10.000 Euro im Monat verdient. Entsprechend liegt die Belastungsquote durch indirekte Steuern im unteren Einkommensbereich bei 14 %, im obersten Einkommensbereich bei bloßen 4 % (Beimann, Kambeck, & al., 2011, S. 10). Zwar versuchte man, ärmere Haushalte durch einen reduzierten Mehrwertsteuersatz auf „existenznotwendige Bedarfe“ (Grundnahrungsmittel!) zu entlasten, aber dieser Ansatz ist untauglich: Zum einen profitieren auch vermögende Haushalte davon, zum Zweiten herrscht beim reduzierten Mehrwertsteuersatz inzwischen СКАЧАТЬ