Название: Wir verschenken Milliarden
Автор: Jörg Alt
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
Серия: Fragen der Zeit
isbn: 9783429062880
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– Spezielle Reichtumsberichte von Banken und Vermögensverwaltern weisen 2013 allein für München 1.113 (Knight Frank, 2014) bzw. 1.805 (Wealth-X & UBS, 2014) „Ultra High Net Worth Individuals“ aus, solche also, die 30 Millionen Dollar und mehr zu ihrer Verfügung haben.
Was Armut betrifft, so ist die Situation in Bayern erwartungsgemäß erheblich entspannter als anderswo in Deutschland. Dennoch gibt es deutliche Unterschiede in der Zustandsbewertung bzw. hinsichtlich Trends und Entwicklungen, je nachdem, ob man eine Regierungsmeinung liest oder jene von Wohlfahrtsverbänden. Dass Armut in Bayern aber ansteigt, geht sowohl aus dem aktuellsten Datenreport der Regierung zur sozialen Lage in Bayern als auch aus Kommentierungen desselben durch die Wohlfahrtsverbände, etwa die AWO, hervor. Dies betrifft sowohl die absolute Anzahl von Menschen mit Armutsrisiko als auch die Armutsgefährdung spezifischer Gruppen, wie etwa Alleinerziehende, alte Menschen oder Haushalte im Niedriglohnsektor.
Selbst in einem reichen Land ist es schwierig für Arme, ihre Situation zu verbessern. Ein wesentlicher Punkt ist beispielsweise, ob jemand sparen und Vermögen, etwa ein Haus, erwerben kann. Hier ergab eine Erhebung im 3. Sozialbericht der Staatsregierung Folgendes:
Tabelle 1 Einkommen und Ausgaben von Haushalten nach Kategorien – unterstes und oberstes Dezil
Dezil | Monatl. Netto-einkommen in Euro | Ausgaben für | |||
Lebenshaltung | Soziale Teilhabe | Geldvermögensbildung | Sonstiges | ||
1. Dezil | 729 | 84,7 | 47,5 | –23,5 | –8,8 |
10. Dezil | 6.221 | 20,2 | 28 | 16,1 | 35,7 |
Quelle Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, 2012, S. 223
Der hohe Anteil an Lebenshaltungskosten für Angehörige am untersten Dezil legt die Frage nahe, ob nicht doch Lebenshaltungskosten, darunter auch Mieten, allzu oft schneller gestiegen sind als Einkommen; und bei den Kosten für soziale Teilhabe wäre zu fragen, inwieweit hier Kinder eine Rolle spielen. Es belegt jedenfalls, dass einkommensschwache Haushalte keine Chance zum Sparen, stattdessen aber eine große Wahrscheinlichkeit zur Verschuldung haben.
Was Staatsschulden betrifft, so ist Bayern in einer mehrfach komfortablen Lage: Nicht nur ist die Pro-Kopf-Verschuldung niedrig, Bayern ist sogar in der Lage, Schulden abzutragen – um einen hohen Preis, wie einige meinen. Kritiker sehen den Preis dafür etwa in der Vernachlässigung von Infrastrukturinvestitionen.
Ein heikler Punkt ist in der Beziehung mit anderen Bundesländern der Länderfinanzausgleich. Ihn gibt es aufgrund der Bestimmung in Artikel 72 Grundgesetz, nach der in ganz Deutschland „gleichwertige Lebensverhältnisse“ herrschen sollen. Dabei geht es nicht nur um Zahlungen von Geld, sondern auch um die Frage, ob hierdurch nicht zusätzlich die Art und Weise bzw. ‚Intensität‘ der Steuererhebung einzelner Bundesländer beeinflusst wird (siehe 8.8.4).
7 Siehe ausführlicher: http://tinyurl.com/tjp-GER-IV
8 Der Gini-Koeffizient ist ein statistisches Maß zur Messung von Ungleichheit, wobei ein Wert nahe 0 die Gleichmäßigkeit einer Verteilung, ein Wert nahe 1 den Konzentrationsgrad angibt. Die Zahlen entstammen der Statistik zur Nettoäquivalenz-Einkommensverteilung auf der Website des Statistischen Bundesamts.
9 Vereinfacht gesagt eine komplexe Messgröße für real verfügbares Einkommen, nach Abzug von Steuern und Abgaben, gewichtet nach Haushaltsgröße und Bedürfnissen.
10 Zur Bandbreite der Ansätze: Für die OECD siehe etwa OECD 2011a, OECD 2015a, für die Eurozone, basierend auf dem Private Household and Consumer Survey, European Central Bank 2013 oder Vermeulen 2014, für Ergebnisse basierend auf einer ergänzten Stichprobe des SOEP Grabka & Westermeier 2014, oder Bach, Thiemann & Zucco 2015 sowie diverse „Reichtumsberichte“ von Vermögensverwaltern und Banken.
5 Grundlagen der Steuergerechtigkeit11
Traditionell gibt es eine Reihe von international anerkannten Steuerprinzipien (z. B. Einfachheit, Bestimmtheit, Gleichmäßigkeit), die auch die deutsche Steuergesetzgebung beeinflussen (Kabinga, Alt, & al., 2016). Darüber hinaus ist das Grundgesetz eine wichtige Grundlage für die Gestaltung der deutschen Steuer- und Abgabengesetze, etwa Artikel 3 (Gleichheit und Verschiedenheit der Menschen), Artikel 2 (Einschränkung von Persönlichkeitsrechten nur per Gesetz), Artikel 14 (Sozialpflichtigkeit des Eigentums) oder Artikel 20 (Sozialstaatsprinzip). Daraus leiten sich zentrale Besteuerungsprinzipien ab, insbesondere das Legalitätsprinzip und das Prinzip der Leistungsfähigkeit mit seinen Dimensionen der vertikalen und horizontalen Gerechtigkeit, nach der „Gleiches gleich und Ungleiches ungleich“ behandelt wird.
Auf dieser Grundlage erlassen Parlamente und Regierungen Gesetze und Verordnungen, arbeitet die Steuerverwaltung, gründen Gerichte ihre Bewertung von Gesetz und Praxis. Letzteres wiederum kann dazu führen, dass aufgrund einer Entscheidung im Einzelfall geltende Gesetze und Verordnungen für alle angepasst werden müssen. Die Frage ist nun, ob und inwieweit diese Prinzipien innerhalb eines Bundeslands angemessen beachtet werden, aber auch, ob die Prinzipien auf die Bundesrepublik insgesamt gesehen angemessen beachtet werden. Das könnte aber nur eine Überprüfung in allen Bundesländern herausfinden.
Bei der Anwendung von Gesetzen kommt es nicht nur auf deren Wortlaut an. Wie eine Anhörung von Steuerabteilungsleitern großer Wirtschaftsberatungsgesellschaften 2012 vor dem Britischen Unterhaus ergab, verstoßen viele ‚Steueroptimierungsmodelle‘ nicht gegen den Buchstaben, wohl aber gegen den Geist von Gesetzen, wodurch Vorteile erlangt werden, die vom Gesetzgeber so nicht vorgesehen waren. In diesem Fall spricht man von „aggressiver Steuervermeidung.“
11 Siehe ausführlicher: http://tinyurl.com/tjp-GER-III
6 Entwicklungen bei Steuern und Sozialabgaben12
Um Steuergerechtigkeit in Deutschland angemessen beurteilen zu können, darf die Betrachtung nicht auf Steuern beschränkt werden. Vielmehr müssen Zölle, Beiträge, Gebühren, Sozialabgaben sowie andere Abgaben (etwa für kommunale Dienstleistungen) einbezogen werden, um die Steuerlast international vergleichbar zu machen. Der nachfolgende Schwerpunkt liegt jedoch aufgrund seiner Bedeutung und Auswirkung auf Steuern und Sozialabgaben:
6.1 Einkommensteuer
Zwischen 1946 und 2000 lag der Spitzen-Einkommensteuersatz für die Summe der Einkommen (SdE) aus den verschiedenen Einkommensquellen (Arbeit, Immobilien, Gewerbebetriebe …) stets über 50 %, erst 2001 sank er darunter. Heute liegt die ‚Reichensteuer‘, also die Steuer auf Einkommen von 254.447 Euro und mehr, bei 45 %, was sich mit der Solidaritätsabgabe auf 47,48 % summiert.
Dabei ist eine Einkommensquelle, die gerade für Reiche von besonderer Bedeutung ist, von der progressiven Einkommensbesteuerung seit 2009 ausgenommen: die Besteuerung von Einnahmen aus Kapital. Diese werden seit 2009 pauschal mit 25 % besteuert, ein Betrag, den die Banken an die Finanzämter abführen, was als Nebenwirkung hat, dass diese Einnahmen nicht mehr gegenüber dem Finanzamt offengelegt werden müssen. Grund für die Senkung war die Erkenntnis, dass jene, die über viel Geld verfügen, auch die Möglichkeiten haben, es außer Landes zu bringen und der Steuer zu entziehen. Peer Steinbrück brachte es unüberbietbar auf den Punkt: „Besser 25 % von X als 45 % von nix.“
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