Wir verschenken Milliarden. Jörg Alt
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Название: Wir verschenken Milliarden

Автор: Jörg Alt

Издательство: Bookwire

Жанр: Религия: прочее

Серия: Fragen der Zeit

isbn: 9783429062880

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СКАЧАТЬ 24–36 %, so liegt sie bei Vermögen bei nahezu 60 %. Laut der aktuellsten Erhebung (Deutsche Bundesbank, 2016a) beträgt das Netto-Durchschnittsvermögen 214.500 Euro, das Netto-Medianvermögen 60.400 Euro. Daraus errechnet die Bundesbank einen Gini-Koeffizient von 0,76, was Deutschland im Ländervergleich einen zweiten Platz hinter den USA mit 0,8 einbringt. Man sollte aber solche Zahlen nicht isoliert betrachten. Nur ein Beispiel: Zur Zeit der Eurokrise machte die Nachricht Schlagzeilen, dass der ‚Durchschnittsgrieche‘ deutlich vermögender ist als der Deutsche. Das liegt an der Bemessungs- und Vergleichsbasis, etwa dass das Häuschen und die Parzelle des Griechen bewertet wurden, während viele Deutsche in Mietwohnungen leben. Oder dass deutsche Altersversorgungsund Versicherungsansprüche nicht eingeflossen sind.10

      Wie groß die Vermögensungleichheit in Deutschland tatsächlich ist, ist schwer zu sagen. Auf Steuerdaten beruhende Auswertungen existieren kaum. Im Mikrozensus oder in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe sind Haushalte mit hohem Einkommen nicht repräsentativ vertreten. Stichproben bzw. Umfragen, die versuchen, dieses Defizit gezielt auszugleichen, sind noch relativ neu und erlauben noch keine längeren Zeitvergleiche. Auf Interviews beruhende Angaben wiederum haben den Nachteil, dass die Teilnahme freiwillig ist und Angaben fehlen oder vergessen werden können. Sodann beeinflussen die Zusammensetzung des Vermögensportfolios, variierende Markt- und Börsenpreise sowie Währungsschwankungen jegliche Bewertung: Für das Jahr 2014 berichtete etwa der Reichtumsbericht der Credit Suisse, dass die europäischen Vermögen aufgrund des Wechselkurses zwischen Euro und Dollar gesunken sind und allein in Deutschland Werte in Höhe von insgesamt 500 Milliarden Dollar verloren gingen (Credit Suisse, 2015, S. 8). Für das gleiche Jahr meldet das Manager Magazin: „Vor allem dank hoher Unternehmensgewinne und dem anhaltenden Boom am Immobilienmarkt ist das Vermögen der reichsten 100 Deutschen trotz der jüngsten Börsenturbulenzen … um 7 Prozent auf insgesamt 427,7 Milliarden Euro gewachsen. … Um es unter die 100 reichsten Deutschen zu schaffen, war 2015 erstmals ein Vermögen von 1,5 Milliarden Euro nötig. 2005 hatten bereits 800 Millionen genügt“ (Manager Magazin Sonderheft, 2015).

      Wie auch immer: Auch dies wäre hinnehmbar, wenn es gut um die Einkommens- bzw. soziale Mobilität bestellt wäre, d. h., dass sich jemand aus einer einkommensmäßig sozial schlechteren Position verbessern kann. Die Zulassung eines Niedriglohnsektors wurde beispielsweise einst damit begründet, dass er den Einstieg in besser bezahlte Jobs erleichtern würde. Ob dies erreicht wird, ist hoch umstritten. Zahlen legen eher nahe, dass dort Beschäftigte vom insgesamt-durchschnittlich wachsenden Wohlstand in Deutschland dauerhaft abgehängt sind und nicht (angemessen) profitieren. Auch gesellschaftliche Mobilität insgesamt scheint abzunehmen. Die OECD stellt fest, dass zunehmend die Geburt über den Platz eines Kindes bestimmt und die Bedeutung anderer Faktoren (z. B. Bildung) abnimmt (OECD, 2015a + b). Dies stellt die Frage nach der Leistungsfähigkeit der sozialen Umverteilung: Diese, so die OECD in ihren Untersuchungen 2011 und 2015, ist in Deutschland jedoch seit längerem sinkend. Parallel dazu schottet sich das Milieu der Superreichen zunehmend vom Rest der Gesellschaft ab, während sie zugleich durchaus Einfluss auf Entscheidungen nehmen, die alle betreffen und die deshalb demokratischen Aushandlungsprozessen überlassen sein sollten. So droht eine gesellschaftliche Schichtung, Polarisierung und Ungleichgewichtung im gesellschaftlichen Miteinander und damit Gefahr für den sozialen Zusammenhalt und Frieden.

      Höchst bemerkenswert ist noch Folgendes: Nimmt man die Entwicklung der alten Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung, so ist diese von hoher Einkommensmobilität und sinkender Vermögensungleichheit geprägt, ein Trend, der von Piketty auch für andere Staaten im Europa nach dem Zweiten Weltkrieg belegt wird. Verschlechterungen treten nach der Wiedervereinigung ein, die zugleich den Rahmen für ‚Reformen‘ im Sinne von „Thatcherismus“ und „Reaganomics“ bot (Hauser, 2003).

      Die Forscher in allen drei Ländern dieser Studie beschäftigte die Frage der öffentlichen Schulden, was in Deutschland komplex ist aufgrund gesonderter ‚Verschuldungsmöglichkeiten‘ für Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen. Die Gesamtverschuldung lag 2014 bei 2,05 Billionen Euro. Als besonders problematisch werden dabei die Anstiege infolge der schuldenfinanzierten Kosten der deutschen Wiedervereinigung, der Weltfinanzkrise 2007 und der nachfolgenden Eurokrise gesehen. Natürlich kann es Situationen geben, wo schnell gehandelt werden muss und nicht erst neue „Lastenausgleichsgesetze“ diskutiert werden können. Aber: Muss das so bleiben, vor allem, wenn man fragt, wer denn von diesen Ausgaben am meisten profitiert hat?

      Wenn man etwa nachschaut, wer Anteilseigner der ‚irischen‘ oder ‚griechischen‘ Banken ist, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es letztlich nicht um die Rettung eben dieser Banken ging, sondern um das Vermögen der Anteilseigner und Kredite, die deutsche und andere Großbanken vergeben haben. Das kann natürlich aufs selbe hinauskommen, ändert aber nichts am Faktum, dass private und betriebliche Vermögen auf Kosten des Steuerzahlers gerettet wurden. Eine weitere Ironie ist sodann, dass sich die Regierungen das Geld zur „Banken-“ und „Eurorettung“ genau dort holten: Bei Banken und anderen Institutionen der „Kapitalmärkte“, denen wiederum Zinsen gezahlt werden, die ebenfalls aus Steuergeldern finanziert werden. Schaut man beispielsweise auf die „Bietergruppe Bundesemissionen“ zum Stand 1. Januar 2016, so findet sich dort alles, was im nationalen und internationalen Banken-, Fonds- und Finanzgeschäft Rang und Namen hat. All dies rechtfertigt die Aussage, dass hier eine ‚Umverteilung von unten nach oben‘ stattfindet.

      Aufgrund der Staatsschulden ist im Bundeshaushalt die „Bundesschuld“ der drittgrößte Einzelposten nach den Ausgaben für Verteidigung sowie Arbeit und Soziales, mit (2016) 25,2 Milliarden Euro. Diese Ausgaben werden weiter fällig, bis die Schulden zurückgezahlt und abgetragen sind, wovon noch lange nicht ausgegangen werden kann. Dieses Geld würde anderswo, auch und gerade angesichts der aktuellen Weltkrisen, mit Sicherheit dringender gebraucht und die Absicht, über die „Schuldenbremse“ weitere Verschuldung zu vermeiden, bedeutet im Umkehrschluss, dass anderswo Ausgaben gekürzt werden müssen.

      Freilich ist auch dieser Punkt nicht so einfach, wie es klingt: Wie bei großen privaten und betrieblichen Vermögen ist es auch für Staaten sinnvoll, Schulden zu machen. Mehr noch: Deutschland als Zielland für Auslandskapital und die Bereitschaft von Anlegern, sogar Negativzinsen in Kauf zu nehmen, macht aktuell mit Schulden sogar Gewinn! Das muss aber nicht so bleiben!! Entsprechend teilt dieses Forschungsprojekt die Meinung jener, die Schulden in aktueller Höhe im Hinblick auf künftige Generationen für unverantwortlich halten. In aller Regel nicht thematisiert werden die desaströsen Folgen der Niedrigzinspolitik für die Sparvermögen der Bevölkerung sowie Rücklagen, die für die Alterssicherung benötigt werden – ein weiteres Anzeichen für eine gravierende Nachhaltigkeitslücke, welche die Summe aus expliziten und impliziten (d. h. heute noch nicht sichtbaren) Staatsschulden bezeichnet: Diese liegt aktuell bei 212% des BIP (6,2 Billionen Euro) und wird aufgrund der alternden Gesellschaft deutlich ansteigen (Stiftung Marktwirtschaft, 2016).

      Ungleichheit hat in Deutschland ‚Armutsschwerpunkte‘ im Osten und Norden des Landes, während die südlichen Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern die wohlhabendsten Regionen sind. Auch innerhalb von Bayern gibt es ein Nord-Süd-Gefälle mit München/Oberbayern als herausragendem ‚Reichtums-Hotspot‘. Regierung und Nichtregierungsorganisationen stimmen überein, dass ein großer Teil des Vermögens Immobilien- und Firmenbesitz zuzurechnen ist und dass Vermögen am oberen Ende überproportional zunimmt. Wie groß Reichtum wirklich ist, ist nicht präzise bekannt, da die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die die Bayerische Staatsregierung ihrer Berichterstattung zugrunde legt, Unternehmensvermögen nicht berücksichtigt. Entsprechend gibt es widersprüchliche Angaben über die Anzahl vermögender Personen in Bayern:

      – Laut einer Statistik des Bayerischen Finanzministeriums leben 2013 in Bayern 2.512 „Personen mit bedeutenden Einkünften“, d. h. solche, deren jährliches Einkommen 500.000 Euro oder mehr beträgt (die früheren „DM-Millionäre“) (Bayerischer Landtag Drs. 17/2380, 2014). СКАЧАТЬ