Wir verschenken Milliarden. Jörg Alt
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Название: Wir verschenken Milliarden

Автор: Jörg Alt

Издательство: Bookwire

Жанр: Религия: прочее

Серия: Fragen der Zeit

isbn: 9783429062880

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СКАЧАТЬ Abgaben, nicht auf deren Verwendung oder gar Verschwendung.

      – Da große Betriebsvermögen bzw. Steuerpraktiken großer Konzerne aufgrund von Offshore- und Luxemburg-Leaks bereits im Fokus der Öffentlichkeit stehen, wurde hier kein eigener Schwerpunkt gesetzt. – Auf dem Hintergrund der föderalen Struktur der deutschen Steuerverwaltung lag der Schwerpunkt beispielhaft auf dem Bundesland Bayern.

      – Nicht alle Forschungsdaten konnten zum Publikationszeitpunkt dieses Buchs publikationsfähig für die Projektwebsite aufbereitet werden. – Aktualitätsstand des Buchs ist der 15. August 2016.

      4 Siehe ausführlicher: Alt & al. (2016c) sowie http://tinyurl.com/tjp-GER-II

      5 In den veröffentlichten Texten werden Aussagen formell vermittelter Gesprächspartner aus der Steuerverwaltung dadurch kenntlich gemacht, dass bei ihnen von „halboffiziellen Gesprächspartnern“ die Rede ist, um ihre Aussagen von „informellen“ Gesprächspartnern aus der Steuerverwaltung abzugrenzen. Die anderen Ministerien verlangten eine solche Kenntlichmachung der von ihnen zur Verfügung gestellten Gesprächspartner nicht.

      6 Ausführlicher bzw. zum Nachlesen eingestellt unter http://tinyurl.com/tjp-GER-Umfrage sowie http://tinyurl.com/tjp-GER-Fragenkatalog

       SEHEN

       4 Einkommens- und Vermögensungleichheit, Armut, öffentliche Schulden7

      Die Diskussion um Einkommens- und Vermögensungleichheit, Armut und öffentliche Schulden wird in Deutschland seit Thomas Pikettys „Kapital im 21. Jahrhundert“ (2014a) breit geführt, weshalb die folgenden Ausführungen auf das Nötigste beschränkt sein können.

      Zunächst muss unterschieden werden zwischen (Markt-)Einkommensund Vermögensungleichheit, was gerade für Deutschland sehr wichtig ist. Zum einen greift es alte Themen in neuem Gewand auf – etwa das Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital, das Mitte des 19. Jahrhunderts unter dem Stichwort „die soziale Frage“ am Anfang der Katholischen Soziallehre stand. Zum Zweiten verdeutlicht es, dass „Vermögen“ eben nicht nur irgendetwas monetär Messbares ist, sondern darüber hinaus bezeichnet, dass sein Inhaber etwas „vermag“, ohne dass andere ihm ein Gegengewicht entgegensetzen könnten. Dies soll erläutert werden.

      Für Arbeit gibt es ein Einkommen. Aber: Einkommen gibt es auch, wenn man ‚nur‘ sein Geld für sich arbeiten lässt. Zur Veranschaulichung das Beispiel einer Aktie, deren Besitz vierfach nützlich ist: (1.) Sie gewährt regelmäßig Einkommen durch Dividende. (2.) Sie bringt zusätzlich eine größere Summe ein, wenn man sie veräußert. (3.) Sie gibt Anteil an der Politik eines Unternehmens und bestimmt etwa mit über die Höhe der Löhne, Arbeitsbedingungen oder die Art und Weise, wie und wo Investitionen und Geschäfte getätigt werden. (4.) Ihr gehäufter Besitz ist eine erstklassige Sicherheit für Kredite, weshalb viele Vermögende zur Finanzierung von Großprojekten Kredite aufnehmen können, deren Zinsen sie wiederum als Betriebsausgabe von ihren Steuern absetzen können. Natürlich erwerben auch Angehörige der unteren 99 % der deutschen Bevölkerung Aktien, etwa als Vorsorge für ihre Rente. Ein solcher Streubesitz hat aber gewiss andere Auswirkungen auf die Unternehmenspolicy von Firmen als die Konzentration von Anteilen beim obersten Prozent. Aber noch mehr ist möglich: Man kann die Aktie versichern, man kann Optionen erwerben, man kann auf die Entwicklung von Indices setzen, man kann eine ganze Reihe „innovativer Finanzprodukte“ auf ihnen aufbauen usw. Somit stehen Vermögenden mehr Möglichkeiten offen, Einkommen, Vermögen und Einfluss zu mehren, die Normalbürgern prinzipiell unzugänglich sind.

      Spricht man von (Markt-)Einkommens- und Vermögensungleichheit, so muss beachtet werden, ob Durchschnitts(Medium)- oder die Medianbeträge verglichen werden. Dies wird hinsichtlich des Einkommens erläutert: Das nationale Durchschnittseinkommen wird durch das Zusammenrechnen aller Einkommen und die Division durch die Zahl aller Einkommensbezieher errechnet, d. h., die Summe aus sehr niedrigen und sehr hohen Einkommen kann immer noch eine beachtliche Durchschnittszahl ergeben. Es betrug 2014 für Deutschland 22.537 Euro im Jahr. Das Medianeinkommen hingegen gibt eine Einkommensverteilung an, bei der (vereinfacht gesagt) alle gezahlten Einkommen aufgereiht werden und das Einkommen genau in der Mitte der Bezugswert ist. Es betrug 2014 19.733 Euro und entsprach einem Gini-Wert von 0,3, was im langjährigen Durchschnitt liegt.8 Und: In den letzten Jahren sind die Reallöhne nach langer Stagnation in der Tat wieder gestiegen. Das ist also nicht allzu dramatisch. Die Haken liegen woanders.

      Zunächst darin, dass die Vermögens- und Unternehmenseinkommen stärker steigen als die Arbeitseinkommen, während entsprechend der prozentuale Anteil der Arbeitseinkommen am Volkseinkommen zurückgeht und eine wachsende Schieflage entsteht (Bach, 2016a).

      Nachdenklich stimmen sollte sodann die Frage der „Supersalaries“, d. h. überzogen hoher Spitzeneinkommen: Bei DAX-Konzernen beträgt die Spanne zwischen dem Einkommen des Vorstandsvorsitzenden und dem Durchschnittseinkommen je nach Berechnung 147: 1 oder 167: 1, was deutlich unter Vergleichswerten im angelsächsischen Raum liegt. Und: Ein Spitzeneinkommen wie einst die 17,5 Millionen Euro eines Martin Winterkorn (Ratio etwa 350: 1) wurde seinerzeit sogar von Gewerkschaftern, etwa im Hinblick auf Verdienste von Fußballern und Popstars, verteidigt.

      Weitere Ungleichheit offenbart sich, wenn man die Summe aus allen sieben Einkunftsarten betrachtet, d. h. nicht nur ‚verdientes‘ Einkommen aus Arbeit, sondern auch ‚unverdientes‘ Einkommen aus Mieten, Kapital oder Grundbesitz. Während Arbeitseinkommen in aller Regel gegenüber der Steuerbehörde transparent sind und wenig Optionen für Steuervermeidung bestehen, gilt dies nicht für hohe Einkommen aus anderen Quellen, die zudem erfolgreich verschleiert und über Trusts oder Stiftungen versteckt werden können, d. h., hier weiß selbst die Steuerbehörde nicht, um welche Beträge es sich wirklich handelt. „Geleakte“ CDs, Offshore oder Swiss Leaks ergeben allerdings Anhaltspunkte, dass im Ausland versteckte Vermögen und daraus erwachsende Einkünfte beachtlich sind.

      Ferner darf man nicht vergessen, dass es in Deutschland einen beachtlichen Sektor „atypischer“ Beschäftigungsverhältnisse gibt, in dem Menschen zu unterdurchschnittlichen Bedingungen beschäftigt werden. Laut OECD umfasst dieser Sektor in Deutschland 2013 fast 40 % aller Arbeitsverhältnisse und die Bezahlung der dort Beschäftigten liegt nur bei 56 % dessen, was in „typischen“ Beschäftigungen gezahlt wird (OECD, 2015b). Dort arbeiten etwa Menschen, deren Arbeitseinkommen zu einer angemessenen Lebensführung nicht ausreicht, weshalb es aus Steuermitteln aufgestockt werden muss („Aufstocker“, Kombilohn). Diese Zustände bewegen Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften dazu, auch in Deutschland von der Existenz der „working poor“ zu sprechen.

      Last, not least: Die Armutsdiskussion bezieht sich i. d. R. auf die Armutsrisikoquote, d. h. auf jene, die 60 % und weniger des „bedarfsgewichteten Nettoäquivalenzeinkommens“9 beziehen. Diese lag 2008 bei

      14,4 % und stieg seither kontinuierlich auf 16,7 % (2015). Dabei handelt es sich aber lediglich um jene, deren finanzielle Situation statistisch korrekt erfasst ist. Es gibt aber eine beachtliche Zahl an ärmeren Menschen, die aus verschiedenen Gründen statistisch nicht korrekt im Blick sind: Arme, die sich aus Scham oder Unkenntnis nicht offenbaren wollen, Obdachlose, chronisch Kranke, Drogenabhängige und Zigtausende von legal und illegal in Deutschland lebenden Nicht-Deutschen. Dies wird gerne ignoriert. Wer aber mit offenen Augen durch die Großstädte geht, wird zugeben müssen, dass Armut deutlich sichtbarer geworden ist („Flaschensammler“, auf U-Bahn-Abluftschächten schlafende Obdachlose, Straßenkinder …), als es vor Jahrzehnten noch der Fall war.

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