Der spirituelle Weg. Bertram Dickerhof
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Название: Der spirituelle Weg

Автор: Bertram Dickerhof

Издательство: Bookwire

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783429062682

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СКАЧАТЬ Herr“ u. ä. korrespondiert notwendigerweise das Hören und Aufnehmen des Wortes durch den Adressaten.

      Die „Zehn Gebote“ werden im Buch Deuteronomium gerade nicht „geboten“, dekretiert, sondern eingeleitet mit den Worten: „Höre, Israel, die Gesetze und Rechtsvorschriften … Ihr sollt sie lernen, auf sie achten und sie halten“ (Dtn 5,1). Ein Prozess der Aneignung, der Meditation des Gesetzes, des immer tieferen Verstehens ist notwendig, damit das Halten der Gebote überhaupt möglich wird: eben Hören, das ein Prozess in der Zeit ist und nicht nur der Moment, in dem das Wort gesprochen wird. Ähnlich ist es beim Liebesgebot. Auch hier ist die Forderung nicht das Erste, sondern es heißt: „Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ (Dtn 6,4.5). Das Hören ist das Fundament, aus dem das Lieben erwächst. Umgekehrt reift im babylonischen Exil, als die exilierte Oberschicht weinend an den Flüssen Babels sitzt und nach der Ursache für die eingetretene Katastrophe forscht, die Überzeugung, dass das Nichthören auf Jahwe der wahre Grund für das Desaster des Staates Israel war. Man hatte noch andere Eisen im Feuer, z. B. den Baal, der für das Wirtschaftswachstum steht, und darüber geriet das Hören auf Jahwe zu kurz: Der Prozess des Hörens, wenn er überhaupt stattfand, wurde nicht zu Ende gegangen, er erreichte nicht das eigene Herz.

      Scheinen im Alten Testament das Gesetz und die Propheten bzw. ihre entsprechende Auslegung das zu sein, worauf zu hören, was zu meditieren und sich anzueignen ist, geht Jesus weiter. Als frommer Jude steht er in der Tradition seines Volkes. Er kennt das Gesetz und besteht darauf, sich um seine Erfüllung zu mühen: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist“ (Mt 5,17 f). Liebe und Barmherzigkeit sind für ihn Prinzip und Ziel des Gesetzes. Daraufhin legt er es aus. Sein Horchen auf Gott jedoch geht weit über das hinaus, was das Gesetz regelt: Sein ganzes Leben stellt er unter den Willen seines Vaters. „Darum sage ich euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen“ (Mt 5,20). Die Bedeutung des Tuns des Willens Gottes zu betonen, wird er nicht müde. Wer hört und danach handelt, der gründet das Haus seines Lebens auf Felsen; einen solchen nennt Jesus „Freund“, und er ist sein wahrer Verwandter. Das Gebet scheint für Jesus ein herausragender Ort des Hörens zu sein: So beim Weggang aus Kafarnaum, um auch andernorts zu predigen (Mk 1,35 ff), so bei der Auswahl der Apostel (Lk 6,12–16), so auch, als er erkennen muss, dass Israel als Kollektiv sich seiner Botschaft verschließen würde. Vehement weist er den ihn vor der Passion bewahren wollenden Petrus zurück mit den Worten: „Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mk 8,33). „Was Gott will“, das ist es, was für Jesus zählt. Danach richtet er sich, nicht nach den Menschen, auch nicht nach ihren wohlmeinenden und entlastenden Vorschlägen. So wählt er die Annahme seiner Passion. Doch ist diese Annahme nach dem Zeugnis der Synoptiker ein Weg, der Weg des beständigen Weiterhörens: des Zulassens, In-ne-Werdens, Sich-Auseinandersetzens, Unterscheidens. Er mag begonnen haben mit dem Zulassen einer dunklen Ahnung von der Möglichkeit seiner Passion, entzündet an Zeichen der frühen Ablehnung durch die Pharisäer, genährt durch Verhaftung und Tod des Täufers. Als Jesus davon zu sprechen beginnt, hat er sich mit dem Widerstand, dem Unverständnis, der Scheu der Jünger und ihrer Angst auseinanderzusetzen. Dann kommt die Stunde, zu der er den Weg nach Jerusalem einschlägt, die Möglichkeit der Passion näherrückt und die Beweggründe unterscheidbarer werden. Bis zu seiner Verhaftung währt der sich verschlimmernde Kampf mit der ihm wie jedem Tier eigenen Abwehr von Schmerz und Tod (Mk 14,32 ff). Er wählt die Passion in Treue zu seinem wahren Selbst und der Maxime seines Lebens: „Abba, nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Mk 14,36). Es gibt Wege, von denen man ganz tief weiß, dass man sie gehen muss, und die man in Freiheit wählt, obwohl sie alles kosten und den Angstschweiß aus dem Körper treiben.

      Diese Ausweitung der Orientierung des Lebens an Gottes Willen über das in Gesetz und Propheten Gesagte hinaus auf alle Lebensvollzüge bedarf einer tieferen und umfassenderen Quelle der Erkenntnis, als Worte und selbst das Studium der heiligen Schriften sie vermitteln können. Diese Quelle liegt in der Unmittelbarkeit des Innersten, des Herzens als seiner Mitte, zu Gott. Diese spricht sich bei Jesus in unerhörten, blasphemisch anmutenden Worten aus wie: „Alles, was der Vater hat, ist mein“ (Joh 16,15) oder „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30) – und tatsächlich wird er wegen Gotteslästerung verurteilt (Mk 14,64). Diese Einheit kann nicht äußerlich oder an der Oberfläche bestehen, und die Kommunikation dieser Einheit muss im Innersten und im Besitz desselben Geistes vonstattengehen.

      Zu einer solchen Kommunikation in der innersten Tiefe sind auch die Christen berufen. Die Oberfläche genügt nicht: weder oberflächliches Kennen – „Wir haben doch mit dir gegessen und getrunken, und du hast auf unseren Straßen gelehrt“ (Lk 13,26 f) – noch oberflächliche Frömmigkeit – „Herr! Herr! sagen“ (Mt 7,21) – noch auch große Werke: „… sind wir nicht in deinem Namen als Propheten aufgetreten, und haben wir nicht in deinem Namen Dämonen ausgetrieben und mit deinem Namen große Wunder vollbracht?“ (Mt 7,22 f). Die Antwort ist immer dieselbe: „Ich kenne euch nicht. Weg von mir, ihr Übertreter des Gesetzes!“ (Mt 7,23). Der Neue Bund besteht darin, „Spruch des Herrn: Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein. … Denn ich verzeihe ihnen die Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr“ (Jer 31,33–34). Der Zugang in die innerste Tiefe und Mitte des Menschen, in sein Herz, wird freigemacht, so dass er nicht mehr als Knecht die Aufforderungen von außen befolgt, sondern seinen Willen formt im Dialog seines Herzens mit Gott – wenn er bei den Bewegungen seines Herzens bleibt!

      Der Wackelkandidat in diesem Dialogprozess ist der Mensch, der den Weg des Hörens nicht zu Ende geht. Er bleibt nicht dran, hat keine Ausdauer (Lk 18,1). Er klopft jetzt an oder sucht – ganz wichtig! –, im nächsten Moment jedoch ist er anderweitig beschäftigt und vergisst seine Absicht. Nur wer Suchender, Bittender, Anklopfender bleibt, den führt der Prozess von der Oberfläche weg in die Tiefe. Nur ihm wird „der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben“ (Lk 11,9–13). Ein solcher Mensch wird zum „Sohn“: „Der Sohn kann nichts von sich aus tun [der Mensch, der nicht Sohn ist, kann das schon], sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht. … Denn der Vater liebt den Sohn und zeigt ihm alles, was er tut …“ (Joh 5,16 f). Es sind letztlich Vertrauen in die Wahrheit und Hoffnung, die den Weg in die Tiefe erlauben. Je offener und vorbehaltloser der Mensch in den Prozess eintritt, je mehr er bereit ist, sich sozusagen zu lassen, zu wollen, was Gott will, umso mehr will Gott, was der Mensch will. „Dann wird euch der Vater alles geben, worum ihr ihn in meinem [des Sohnes] Namen bittet“ (Joh 15,16).

      Das alles ist nicht fertig da. Doch auf dem Weg des Hörens erstarken die Voraussetzungen des Hörens: Glaube, Hoffnung, Liebe zur Wahrheit, so dass der Prozess langsam in die Tiefe wächst. Das Herz eröffnet sich langsam. Der Hörende reift allmählich in die Unmittelbarkeit zu Gott hinein, den er in diesem Prozess überhaupt erst entdeckt und kennenlernt. Langsam bekommt er Anteil an einer ungekannten, nicht vorstellbaren Seligkeit. Es ist entscheidend, immer wieder den „Schritt“ des Hörens zu wagen.

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