Der Schoppenfetzer und das Maulaff-Mysterium. Günter Huth
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Schoppenfetzer und das Maulaff-Mysterium - Günter Huth страница 5

Название: Der Schoppenfetzer und das Maulaff-Mysterium

Автор: Günter Huth

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783429064174

isbn:

СКАЧАТЬ Sie die Kanne auf dem Tisch stehen“, bat der Italiener, nachdem sie eingeschenkt hatte, „wir bedienen uns selbst.“

      „Gern“, erwiderte sie, dann zog sie sich zurück.

      „Eine sehr nette junge Frau“, stellte Schneider fest.

      „Ja, da hat Berger wirklich einen Glücksgriff getan.“

      „Es ist schon erstaunlich, auf welchem Wege du mich ausfindig gemacht hast. Bis zu deinem ersten Brief hatte ich von deiner Existenz keine Ahnung. Soweit ich von meiner Mutter weiß, sind mein Vater und seine beiden Brüder im Krieg gefallen. Ich selbst habe ja keine Erinnerung an diese Zeit, da ich am Kriegsende gerade mal ein paar Monate alt war. Weil wir ausgebombt waren, lebten wir einige Jahre auf einem Bauernhof bei Verwandten.“

      Luccaliano hörte ihm aufmerksam zu. Er nahm einen Schluck Kaffee, dann lehnte er sich in die Polster zurück.

      „Die Erinnerungen an meine Kindheit waren relativ nebulös. Erlebnisse und Geschehnisse sind szenische Erinnerungsfetzen ohne jeglichen Zusammenhang. Auf der anderen Seite steht das Gesicht meines Vaters und meines Onkels Heinrich sehr genau vor meinem geistigen Auge. Ich weiß auch noch, dass meine Mutter bei einem Tieffliegerangriff ums Leben gekommen ist. Mein Vater war dann da und hat sich um mich gekümmert. Wir lebten einige Zeit bei Onkel Heinrich in einem Keller. Plötzlich, eines Tages, drangen Soldaten bei uns ein und haben Vater und Onkel abgeführt. Ich weiß noch, ich habe schrecklich geschrien und da waren außerdem noch diese fürchterlichen Explosionen und überall Feuer. Mein Vater und mein Onkel waren plötzlich weg und ich war alleine. Hier reißt meine Erinnerung ab. Da ist wie ein schwarzes Loch, aus dem allerdings immer wieder ein Gesicht auftaucht, ein böses Gesicht, das mir lange Jahre Albträume bereitet hat. Vermutlich sind das die Eindrücke, die ich von der Bombardierung Würzburgs zurückbehalten habe.“

      „… und wie bist du dann nach Italien gekommen? Hatten wir Schneiders dort irgendwelche Verwandte? Ich weiß jedenfalls nichts davon.“

      „Nein, das lief ganz anders. In der Rückschau kann es nur so gewesen sein, dass sich fremde Menschen um mich kümmerten. Ich erinnere mich, dass ich längere Zeit mit vielen anderen Kindern, die ebenfalls keine Eltern mehr hatten, in einem Haus lebte. Vermutlich ein Heim für Kriegswaisen. Später kamen immer wieder Paare und haben Kinder mitgenommen, um sie zu adoptieren.

      Eines Tages interessierte sich ein Ehepaar auch für mich. Es handelte sich um Silvio und Maria Luccaliano, beide Italiener, die zu Zeiten Mussolinis aus politischen Gründen – Silvio war im Widerstand engagiert – in die USA emigriert waren. Nach dem Krieg kehrten sie in ihre Heimat zurück. Sie waren kinderlos und adoptierten mich. So wurde aus Michael Schneider Riccardo Luccaliano. Meine Adoptiveltern hatten schon vor dem Krieg eine kleine Pastafabrik besessen, die sie nach ihrer Rückkehr wieder aufbauten. Ich war der Kronprinz und habe später die Firma übernommen und zu einem Konzern ausgebaut. Vielleicht hast du schon von Pasta Grande gehört? Diese Pasta wird in meinem Hause hergestellt. Wir beliefern Feinkostgeschäfte in der ganzen Welt.“

      Ron Schneider zeigte eine anerkennende Miene. „Natürlich habe ich davon schon gehört. Für diese Edelpasta wird ja auch bei uns Werbung gemacht.“

      Luccaliano nickte. „Vor drei Jahren habe ich mich dann aus gesundheitlichen Gründen von der Firmenspitze zurückgezogen. Das Unternehmen ist schon seit geraumer Zeit eine Aktiengesellschaft und wird an der Börse notiert. Die Geschicke lenken jetzt ein Vorstand und ein Aufsichtsrat.“

      „Dann vermute ich mal, dass du finanziell ausgesorgt hast?“

      Riccardo Luccaliano nickte. „Das kann man so sagen. Doch wie du siehst, kann man sich für alles Geld dieser Welt keine neue Gesundheit kaufen.“

      „Stimmt“, gab Ron Schneider zurück, „aber du kannst dir Hilfe fürs Haus und viele andere Annehmlichkeiten leisten, die dir das Leben erleichtern.“ Er machte eine Handbewegung, die die ganze Wohnung umfasste.

      Luccaliano zuckte mit den Schultern. „Das ist richtig. Der Wohlstand weckt aber auch Begehrlichkeiten. Man ist gut beraten, sich Leibwächter zu halten. Adrianos und Luigis Job, wie du dir vermutlich schon gedacht hast. Deshalb finde ich es auch wunderbar, jetzt für einige Zeit in Deutschland zu leben. Hier kennt mich niemand und ich hoffe, das bleibt auch so.“

      Das konnte Ron Schneider gut verstehen und er versprach, das seinige dazu beizutragen. Als sich Ron Schneider verabschiedete, war die Zeit weit fortgeschritten.

      Luccaliano saß noch geraume Zeit vor seiner leeren Kaffeetasse und starrte sinnierend vor sich hin. Sein Cousin Ron schien ein netter Bursche zu sein, trotzdem hatte er ihm einige Motive für seine Heimkehr verschwiegen.

      Plötzlich verzog er das Gesicht. Mit einem stechenden Schmerz brachte sich seine Krankheit in Erinnerung. Er rief nach Magdalena und bat um seine Medikamente. Nach dem Einnehmen der Tabletten lehnte er sich in die Polster zurück und wartete. Nach etwa zwanzig Minuten wirkten die Mittel und er konnte wieder frei durchatmen. Nun rief er Adriano und Luigi zu sich und bat sie um einen Bericht über den Fortgang der Planungen des Projekts.

      28. Juli

      Filipp Filißter, von seinen Bekannten nur Fili genannt, saß in seinem pompösen Büro in der Würzburger Innenstadt und brütete über Plänen. Filißter-Immobilien war eines der erfolgreichsten Immobilienbüros der Domstadt. Fili verdankte diese Stellung seinem nimmermüden Geist, der immer über irgendwelchen Plänen brütete. Planungen, die er natürlich in erster Linie im Interesse der Stadtentwicklung seiner Heimatstadt verfolgte. Eigentum verpflichtete. Dass er sich dabei auch ein beträchtliches Vermögen erarbeiten konnte, war ihm einfach so widerfahren. Allerdings hatte er sich auch nicht dagegen gewehrt.

      Nachdenklich stieß er bei diesen Überlegungen mit dem Kugelschreiber gegen den postkartengroßen Bilderrahmen, der immer in Sichtweite vor ihm stand und sein Konterfei hinter Glas zeigte. Das Foto war nicht ganz aktuell, es präsentierte einen wesentlich jüngeren Fili – eine Aufnahme, die in der Gründerzeit von Filißter-Immobilien entstanden war und einen schlanken jungen Mann zeigte, der am Beginn seiner Karriere stand und freundlich in die Kamera lächelte. Fili betrachtete das Foto mit einer gewissen Wehmut. Heute müsste der Rahmen für die Stimmigkeit der Proportionen etwas großformatiger ausfallen. Die Jahre hatten ihm nicht nur Erfolg, sondern auch ein paar Pfunde Übergewicht eingebracht. Aber was sollte es: Ein Mann ohne Bauch war praktisch ein Krüppel. So verkündete es jedenfalls der Volksmund und der hatte ja bekanntlich meistens recht.

      Das Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Sein „Herein“ war noch nicht verklungen, als Rosemarie Engelstoß, seine altgediente Sekretärin, ihren Kopf zur Tür hereinstreckte. Sie war, wie Fili, ergraut, trug aber eine flotte Kurzhaarfrisur. Ihr lindgrünes leichtes Kostüm trug den sommerlichen Temperaturen Rechnung und betonte ihre schlanke Figur. Vor ihrer Brust baumelte an einer Kette eine Lesebrille.

      „Herr Filißter, draußen steht ein Herr Lupo. Er möchte Sie dringend sprechen. Er hat allerdings keinen Termin. Es gehe um eine eilige Immobilienangelegenheit, hat er gesagt, die keinen Aufschub duldet.“ Sie trat ganz ein und schloss die Tür, dann trat sie näher an ihren Chef heran und erklärte mit gedämpfter Stimme: „Der Mann ist mir völlig unbekannt. Ein sehr mürrischer Zeitgenosse. Italiener, wie ich vermute. Sein Deutsch ist allerdings ganz annehmbar.“

      Fili überlegte eine Sekunde, dabei warf er beiläufig einen Blick auf seine Armbanduhr. Elf Uhr. Um zwölf wollte er zum Mittagessen zu Hause sein. Es blieb also noch etwas Zeit. Er nickte: „Also gut, Engelchen, ich lasse bitten.“ Eine Formulierung, die er nur bei Besuchern benutzte, die er beeindrucken wollte. Geschäftsverbindungen nach Italien standen zurzeit an oberster СКАЧАТЬ