Название: Organisationskultur der katholischen Kirche
Автор: Paul F. Röttig
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge
isbn: 9783429063337
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Basierend auf und inspiriert von langjähriger Erfahrung im Bereich der globalen Wirtschaft soll der geschärfte Blick mit vier Forschungsfragen auf die Organisationskultur der Kirche gerichtet werden:
(1) Weshalb ist es für die Kirche zunehmend wichtig, sich mit der Frage der Organisationskultur zu beschäftigen und in der Folge nach der richtigen Organisationskultur zu fragen? Die Kirche existiert nicht außerhalb der Welt, sie ist Teil dieser Welt und dennoch ist sie nicht diese Welt (vgl. GS 1).
(2) Was kann die Kirche – ohne ihre Gleichschaltung mit säkularen Unternehmen – von der Welt, d.h. von weltlichen sowohl profit-als auch sozial orientierten Unternehmen lernen? Hier wird die Kirche in pastoralen Dimensionen vor allem als lernende Organisation gesehen werden müssen.
(3) Worin liegen die Unterschiede zwischen weltlichen Unternehmen und der Kirche als Organisation, die den Menschen in seiner konkreten Welt als Subjekt und Objekt hat? Und welche sind die Gründe für diese Unterschiede? Diese vor allem pastoral-ekklesiologischen Fragen werden mit dem Blickwinkel auf die Weltkirche und die Ortskirchen zu überlegen und beantworten sein.
(4) Last, but not least: Gibt es eine Roadmap zu einer veränderten Organisationskultur der Kirche? Wie sieht es mit der Fähigkeit, der Bereitschaft und dem Willen zur Veränderung in der Kirche aus? Hat sie die notwendigen Ressourcen zum Wandel? Benötigt sie professionelle Begleitung? Oder genügt die Weihegnade, den Erneuerungsprozess effektiv zu gestalten und das Ziel effizient zu erreichen? Oder braucht eine Organisation wie die Kirche nicht auch persönliche, fachliche und Führungs-Kompetenzen, um ihrem Sendungsauftrag in dieser Welt effizient gerecht zu werden?8
1.2 Methodisches Vorgehen
Ausgehend von dem praktisch-theologischen Ansatz „Sehen – Urteilen – Handeln“ des Begründers der Katholischen Arbeiterjugend Joseph Kardinal Cardijn für seine pastoralen Dienste im Arbeitermilieu, zunächst in Belgien und Frankreich, nach dem II. Weltkrieg dann auch in ganz Europa, wurde dieser so genannte „Dreischritt“ dann auch von Papst Johannes XXIII. in seiner Enzyklika Mater et Magistra (1961) zur methodischen Umsetzung der katholischen Soziallehre aufgegriffen und empfohlen.9
Für die geplante Arbeit soll eine Weiterentwicklung dieser in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts entstandene und pastoral bewährten Methodologie, nämlich der „Vierschritt“ angewandt werden, der dieselbe Logik enthält, aber das ursprüngliche Vorgehen verfeinert:10
(1) Der erste Schritt wird mit dem Begriff Orientierung umschrieben, der vor allem die Erfassung des pluralen Umfeldes, die Kontextualisierung, die Fokussierung auf das Ziel und die Verortung in der kirchlichen Tradition umschließt.
(2) Die Phase des Wahrnehmens, die am ehesten mit der Phase des Sehens im Dreischritt vergleichbar ist, geht allerdings über diese hinaus; denn mag das Sehen noch als neutraler Vorgang eingestuft werden, muss mit dem Wahrnehmen schon eine Deutung und eine Einordnung in die von dem Wahrnehmenden erfahrene Zeit und den ihm bekannten Raum verbunden sein. Dem wahrgenommenen Kairos wird die Frage zugrunde liegen, ob die Kirche sich als Teil der Welt hier und heute sieht, ohne mit der Welt von hier und heute ident zu sein.
Am Ende seines Buchs The Desert is Fertile goss kein Geringerer als Erzbischof Helder Camara diese zweite Phase des „Vierschritts“ in einen einfachen konkreten Satz: „Lasst uns Information über die Situationen zusammentragen, die wir verändern wollen.“11 In Prosa und Lyrik formulierte Camara 1974 in dem kleinen Werk seine tiefste Hoffnung nach Frieden und Gerechtigkeit in der Welt.12 2015 wird Papst Franziskus in seiner Ansprache an die katholischen Bischöfe Armeniens anlässlich des hundertsten Gedenktags des armenischen Genozids im Jahr 1915 seiner pastoral orientierten, jesuitischen Spiritualität gerecht, wenn er diese ermahnt, die Realität mit neuen Augen lesen zu lernen.13 Es geht ihm dabei um das persönliche Bemühen, die Realität von gestern mit den eigenen Augen in die konkrete Wirklichkeit von heute zu übersetzen.
(3) Der dritte methodische Schritt, d.h. die kriteriologische Phase des Deutens und Bewertens der in den ersten beiden Schritten erfahrenen und analysierten Zeichen des Raumes und der Zeit, soll einen Diskurs eröffnen, der das Wahrgenommene sowohl soziologisch, organisationspsychologisch als auch theologisch und hier vor allem praktisch-theologisch, d.h. disziplinär übergreifend analysiert. Keine Einzelwissenschaft, sondern vielmehr bunt zusammengesetzte Teams von Wissenschaftlern sind heute nicht nur im profanen, sondern auch im theologischen Umfeld gefragt, um den Herausforderungen unserer komplexer werdenden Realität glaubhaft entgegentreten zu können. Letztlich wird in diesem Schritt zu konkretisieren sein, ob die Kirche ganzheitlich zielorientiert denkt und handelt.
(4) Die unterschiedlichen Handlungsoptionen, die Kluft der von Jesus Christus „gemeinten“ und der nach zweitausend Jahren in der Kirche verstandenen oder missverstandenen Organisationskultur zu überbrücken wird Moment des letzten der vier methodischen Schritte sein. Hier darf und kann nicht der Fehler gemacht werden, wie er oft in weltlichen Organisationen erfahren wird, nämlich bei der theoretischen Analyse eines Problems oder einer Herausforderung stehenzubleiben, ohne den Mut aufzubringen, der Erkenntnis auch Taten folgen zu lassen.
Erfahrungsgemäß gewinnen diese vier Schritte nicht an Systematik und Wissenschaftlichkeit, wenn sie klinisch sauber auseinandergepflückt werden. So würde eine Erkenntnis im kriteriologischen Schritt nichts bringen, wenn die Möglichkeit des Handelns apriori weder für möglich gehalten noch angedacht werden darf.
1.3 Arbeitshypothesen
Die fünf Hypothesen, von denen die Arbeit ausgeht, sollen systematisch wissenschaftlich hinterfragt, bestätigt oder – wenn nachweisbar – auch widerlegt werden.
(1) Zunächst geht es um die Wirkung, die eine bestimmte Organisationskultur auf die beiden anderen Vollzugselemente einer Organisation, nämlich die Strategie und die Struktur der Institution, ausübt. Aus dem speziellen Blickwinkel der kirchlichen Organisation werden demnach sowohl die pastoralen Wege und Ziele als auch die Strukturen der Kirche von der organisationskulturellen Orientierung beeinflusst – erste Arbeitshypothese.
(2) Restrukturierungprozesse in der Wirtschaft starten häufig mit der Neuausrichtung der strategischen Vision und mit der Struktur der Organisation, denen dann aber auch die Re-Adjustierung der Unternehmenskultur folgen muss. Sollten jedoch Mitarbeiter nicht die richtigen Kompetenzen für diese veränderten Strukturen mitbringen, kommt es in der Regel zu einem right sizing, einem Prozess, in dem Mitarbeiter einfach „ausgetauscht“ werden. Die Realität der Kirche aber lässt einen solchen Prozess aufgrund der Personalknappheit geweihter Seelsorger (zumindest in Europa und den beiden Amerika) nicht zu. Daraus folgert die zweite Arbeitshypothese, dass ein erfolgreicher Erneuerungsprozess in der Kirche immer mit der Erneuerung der Organisationskultur beginnen muss, bevor Strukturveränderungen vorgenommen werden können.
(3) Im empirischen Teil der Arbeit soll mit der systematischen Analyse der Einstellung „kirchennaher“ Gläubiger aus den zwei österreichischen Diözesen Wien und Eisenstadt die Hypothese der Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, der ersehnten Soll- und der tatsächlichen Ist-Situation dokumentiert werden.
(4) СКАЧАТЬ