Название: Mein Lebensglück finden
Автор: Karl Frielingsdorf
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783429063320
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In diesem Wechselspiel von Schicksal und Bestimmung sowie Freiheit und Verantwortung stellt sich die Frage nach einer Instanz, die unsere Wünsche, Überlegungen und Erkenntnisse in Handeln umsetzt und zu Taten macht. Dabei schließen wir die deterministische Lösung von S. Freud aus, wo das Unbewusste mehr oder weniger unser Leben bestimmt und für die Freiheit kein Raum ist. Wir nennen diese Instanz in uns „Zentrum des Willens“, „Sitz der Willenskraft“ oder „geistige Instanz“. Im Willen wird die Fähigkeit des Menschen verwirklicht, „als Person ein als Wert erkanntes Ziel aktiv anzustreben, und falls dieses Ziel mit anderen möglichen Zielen kollidiert, diese in Freiheit abzulehnen oder zurückzustellen“ (Vorgrimler, 679f.).
So ist der Wille die Triebfeder unseres Handelns. Die Willenskraft ist es, mit der wir unser Leben gestalten und verändern können. Bevor wir aber unsere Willenskraft einsetzen und für die Gestaltung unseres Lebens nutzen können, müssen wir wissen, was wir wollen, welche Ziele wir für unser Leben haben. Wenn mein Wunsch klar ist, kann mein Wille mein Tun und Handeln so anregen und lenken, dass dieses Ziel erreicht wird. Rollo May beschreibt das Verhältnis von Wunsch und Wille so:
„Dem Wunsch verdankt der Wille die Wärme, den Inhalt, die Einbildungskraft, das Spielerische, die Frische und den Reichtum. Der Wunsch verdankt dem Willen die Selbststeuerung und die Reife. Der Wille schützt den Wunsch und ermöglicht es ihm weiter zu existieren, ohne zu große Risiken einzugehen. Aber ohne Wunsch verliert der Wille seine Vitalität und Lebensfähigkeit … Wenn man nur Wille und keinen Wunsch hat, dann hat man es mit dem vertrockneten, viktorianischen, neopuritanischen Menschen zu tun. Wenn nur ein Wunsch und kein Wille vorhanden sind, dann hat man den zwanghaften, unfreien, kindlichen Menschen vor sich, der als infantil gebliebener Erwachsener zum Roboter werden kann“ (May, 1969, 218).
Es erfordert Mut und Vertrauen, sich auf diese Auseinandersetzung mit dem Schicksal, mit dem eigenen Leben einzulassen: mit allem, was mich ausmacht, meinem bewussten und unbewussten Ich, meinem Selbst, mit dem inneren Kern meiner Person. Das wird am ehesten gelingen, „wenn ich aus der Tiefe meines Seins heraus in Beziehung trete zu meinem Leben. Ich weiß dann um meine Angst vor der Freiheit, ich blende mein Schicksal und meine Bestimmung nicht aus meinem Leben aus, sondern gehe mit diesem Wissen und dieser Erfahrung auf mein Leben zu … Wir bleiben nicht länger an der Außenseite stehen, betrachten und beurteilen unsere Probleme nicht nur oberflächlich. Wir dringen jetzt tiefer in sie ein, gehen sie grundsätzlicher, von unserem Kern her, an. Wir stellen uns dann der Aufgabe, die sich für uns daraus ergibt, die Verantwortung für unser Leben zu übernehmen“ (Müller, 87f.).
Für den christgläubigen Menschen ist das Schicksal kein blindes Fatum. Gott hat die Menschen „gut“ geschaffen nach seinem göttlichen Bild und Gleichnis und er hat seinen göttlichen Lebensatem in sie gelegt. Und Gott hat ihm die Schöpfung anvertraut. In Jesus hat Gott unser menschliches Schicksal angenommen und ist uns in unserem Menschsein in allem gleich geworden, außer der Sünde.
Nach christlichem Glauben liegt unser Schicksal in der Hand Gottes und ist in seiner Liebe letztlich gut aufgehoben (Jes 43,1ff.; Joh 15,9ff.). Wenn wir uns darauf einlassen und vertrauen, dann können wir unser Schicksal, so weit möglich, selbst in die Hand nehmen. „Wir sind der Kapitän unseres Lebensschiffes, übernehmen das Steuer und geben die Richtung vor. Wir tun das auch bei stürmischer See, im Wissen, dass es Situationen gibt, bei denen wir nur noch beten und uns dem Schicksal überlassen können. Das hält uns aber nicht davon ab, bis zum Schluss alle in uns vorhandenen Kräfte und alle uns gegebenen Möglichkeiten zu nutzen“ (Müller, 135). Je mehr wir unser Leben Gott überlassen, desto mehr können wir ohne Angst unser Leben wagen und glücklich werden.
Abschließen möchte ich dieses Kapitel mit einer Geschichte, die mir und vielen Menschen geholfen hat, heilsamer und fruchtbarer mit dem eigenen Schicksal umzugehen.
„Eine chinesische Geschichte erzählt von einem alten Bauern, der ein altes Pferd für die Feldarbeit hatte. Eines Tages entfloh das Pferd in die Berge, und als die Nachbarn des Bauern sein Pech bedauerten, antwortete der Bauer: ‚Pech? Glück? Wer weiß‘. Eine Woche später kehrte das Pferd mit einer Herde Wildpferde aus den Bergen zurück, und diesmal gratulierten die Nachbarn dem Bauern wegen seines Glücks. Seine Antwort: ‚Glück oder Pech? Wer weiß‘. Als der Sohn des Bauern versuchte, eines der Wildpferde zu zähmen, fiel er vom Rücken des Pferdes und brach sich ein Bein. Jeder hielt das für ein großes Pech. Nicht jedoch der Bauer, der nur sagte: ‚Pech? Glück? Wer weiß?‘ Ein paar Wochen später marschierte die Armee ins Dorf und zog jeden tauglichen jungen Mann ein, den sie finden konnten. Als sie den Bauersohn mit seinem gebrochenen Bein sahen, ließen sie ihn zurück. War das nun Glück oder Pech? Wer weiß?
Was an der Oberfläche wie etwas Schlechtes, Nachteiliges, aussieht, kann sich als etwas Gutes herausstellen. Und alles, was an der Oberfläche gut erscheint, kann in Wirklichkeit etwas Böses sein. Wir sind dann weise, wenn wir Gott die Entscheidung überlassen, was Glück oder Unglück ist; wenn wir ihm danken, dass für jene, die ihn lieben, alles zum Besten gedeiht. Dann werden wir ein wenig an der wunderbaren mystischen Vision der Juliana von Norwich teilhaben, die einen Ausspruch tat, der mir von allen, die ich je gelesen habe, der liebste und tröstlichste ist: ‚Und alles wird gut sein; und alles wird gut sein; und alle Dinge, die es gibt, werden gut sein“ (de Mello, 1984, 182f.).
3. Der Urwunsch des Menschen nach einem „glücklichen Leben“
In den alten Traditionen der Menschheit finden sich Aussagen über Grundbedingungen menschlichen Lebens, die in Sagen, Mythen, religiösen Schriften, aber auch in modernen Studien der Psychologie und Soziologie festgehalten sind: Jeder Mensch hat in seinem innersten Wesen Grundhoffnungen, Antriebe und Urwünsche nach einem Leben in Glück, Frieden, Freiheit und Liebe.
Die Sehnsucht nach einem glücklichen Leben ist offensichtlich ein Urwunsch des Menschen (Horn, 24ff.). Ein „glückliches Leben“ ist für ihn eine faszinierende Vorstellung, ein Zauberwort, ein Sehnsuchtswort. Wenn es einen Wunsch gibt, in dem sich die Menschen aller Völker und Rassen einig sind und immer einig waren, dann ist es der Wunsch, glücklich zu leben, glücklich zu sein. Glück ist das kostbarste Gut des Menschen, und nicht zuletzt aus diesem Grund ist es sehr zerbrechlich. „Glück und Glas, wie leicht bricht das.“
In dem Urwunsch nach einem glücklichen Leben erkennt Zulehner eine Lebens-Trias: Zu einem glücklichen Leben „gehört demnach die Erfahrung, einen Namen zu haben, wachsen zu können und Wurzeln zu schlagen“ (Zulehner, 1983, 15ff.).
Der erste Urwunsch nach einem Namen beinhaltet: nicht austauschbar, einzigartig sein, Ansehen haben, lieben und geliebt werden, erkannt und anerkannt werden, nicht missbraucht werden.
Der zweite Urwunsch nach Macht bedeutet: Selbst etwas machen können, Selbst-Mächtigkeit, aber auch Bewegung, wachsen in Freiheit; sich schöpferisch entfalten können. Wachsen heißt lebendig sein.
Der dritte Urwunsch nach Heimat und Geborgenheit meint: Dazugehören und zu Hause sein; einen Ort der Verwurzelung finden; einen letzten Halt haben.
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