Название: Extra Krimi Paket Sommer 2021
Автор: A. F. Morland
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783956178986
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»Nein. Einen sachlichen Grund habe ich allerdings nicht, reine Antipathie.«
»Dank derer Sie nun rätseln, ob Schönborn entdeckt hat, wer sie ist, und darüber hinaus weiß, dass sie viel Geld besitzt.«
Rogge hatte seinen Verdacht nicht verbergen wollen, lächelte aber anerkennend, dass Simon ihn so schnell durchschaut hatte.
»Wir senden wieder einmal auf derselben Wellenlänge, Herr Rogge.«
»Doch Sie haben Ihren Text verschlüsselt.«
»Nein.« Simon reagierte gelassen. »Mir will einfach nicht in den Kopf, dass in Deutschland eine Frau ein Jahr lang nicht vermisst wird. Und der heimliche Macho in mir fügt hinzu: eine Frau, die immer und überall die Aufmerksamkeit der Männer erregt haben muss.«
Rogge brummte zustimmend. Was Simon ausgesprochen hatte, war völlig richtig, doch zugleich ein Ablenkungsmanöver.
»Ich schaue mir morgen diesen Rastplatz mal an.«
Simon zuckte mit den Schultern. Einzelheiten wollte er nicht hören, Hauptsache, Rogge unternahm etwas. Aus einem Grund, den er immer noch nicht ausgesprochen hatte und auch nicht preisgeben würde, dachte Simon nicht daran, sich mit der Diagnose Gedächtnisverlust zufrieden zu geben,
»Deine Baguette.«
»Donnerwetter, ich hätte gewettet, dass du sie vergessen hast. Komm rein!« In ihren bequemen Schlamperhosen und dem weißen Russenkittel sah die Staatsanwältin sehr viel jünger aus als in den Kleidern, die sie bei Verhandlungen unter der Robe tragen musste.
»Es riecht gut.«
»Hast du Hunger?«
»Nein, danke, aber ein Bier würde ich gerne schnorren. Ich hab nichts mehr im Haus.«
»Gell, die Vorräte haben früher auch länger gehalten, was?«
Sie saßen abends oft in ihrer Küche. Ihr Wohnzimmer glich meist einem Schlachtfeld, weil sie die Angewohnheit hatte, ihre Akten auf allen waagerechten Flächen, ob hoch oder niedrig, auszubreiten, und laut aufschrie, wenn Rogge auf dem Sofa Platz schaffen wollte: »Ich find nichts mehr wieder.« An den beengten Raum hatte sie sich immer noch nicht gewöhnt, schimpfte über die »Hundehütte« oder die »Schlafküche« und verfluchte den Ehemann, dem sie den Hals umdrehen würde, sobald derselbe in Reichweite geriet. Wenn Dörte lostobte, musste man sie gewähren lassen, das nahm Rogge geduldig hin, weil er durchschaut hatte, dass sie sich mächtig einschränkte und notgedrungen mit jeder Mark geizte.
»Na, hast du Simon zum Reden gebracht?«
»Nein. Er will nicht.«
»Für solche Fälle gibt’s Beugehaft.«
»Besorg mir einen Richter und ich beantrage sie.«
Über ihre Kochkünste schmunzelte er oft. Die Gerichtskantine erfreute sich zwar eines besseren Rufes, war aber tatsächlich keinen Deut anders als die im Präsidium, und dass die Staatsanwältin dort nur in Notfällen aß, verstand er gut. Aber warum sie sich abends von ihrem prächtigen Gewürzbord immer wieder in Versuchung führen ließ und harmlose Spiegeleier mit Oregano und Kümmelpulver ungenießbar machte, hatte er lange Zeit nicht begriffen. »Da fehlte der Pfiff«, jammerte sie, trübsinnig auf das widerlich schmeckende Produkt ihrer Würzkünste starrend. An diesen fehlenden Pfiff hatte er lange geglaubt, bis ihm einmal auffiel, mit welch fröhlicher Miene sie den Teller über dem Abfalleimer leer kratzte. Die Folge ihrer Kochversuche war nämlich, dass sie wenig aß und abnahm, und das wiederum konnte sie nach dem Kummerspeck, den sie sich während der Auseinandersetzungen mit den Gläubigern und der Trennung von ihrem Teuren angefuttert hatte, gut vertragen. Doch Rogge kannte sie mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass sie ihm an die Kehle springen würde, sollte er seinen Verdacht äußern. Die Kränkung saß tief und ihr Kampf um die alte Figur gehörte zu dem selbst verordneten Programm, die Vergangenheit abzuschütteln. Was dagegen völlig wiederhergestellt schien, war ihre freche Klappe.
»Also machst du dich wirklich dran?«
»Im Schongang, Dörte.« Das Bier stimmte ihn ausgesprochen friedlich.
»Ich drücke dir die Daumen und setze dich vor die Tür.«
»Stimmt. Der Fall Gillbrecht.«
»Ich hab ein sauschlechtes Gefühl. Drei der Vergewaltigungen werde ich ihm wohl anhängen können, aber der Mord an der kleinen Elvira ...«
»Genetische Fingerabdrücke werden heute von allen Gerichten akzeptiert.«
»Sicher. Aber dass die in dem verdammten Labor keine Ordnung halten können. Ackerknecht hat mich überfallen und herumgetönt, dass er erstens von der Schlamperei gehört hat und zweitens den Beweis antreten will, dass die zum Schluss untersuchte Spermaprobe zweifellos von einem Mann, aber eben nicht von seinem Mandanten stammt.«
»Kannst du darauf nicht einfach verzichten?«
»Wie denn? Wenn ich’s rechtzeitig erfahren hätte, sicher, dann wär’s vielleicht auch ohne gegangen, aber als die Labormäuse endlich beichteten, hatte die Kammer die Klage schon angenommen.«
Und ausgerechnet Bello Born hatte die Ermittlungen geführt. Sexualstraftäter hasste er wie persönliche Feinde. Wenn Gillbrecht mit dem Mord durchkommen sollte, würde Born ausrasten. Hoffentlich nicht schon vor Gericht. Rogge hatte ihm unter vier Augen die Meinung gegeigt, weil er sich nicht darum gekümmert hatte, dass mit dem Spermaabstrich nichts schief ging, zumal zu dem Zeitpunkt bereits bekannt war, dass Ackerknecht die Verteidigung übernommen hatte. Und Ackerknecht, zwei Meter groß und drei Zentner schwer, beherrschte alle Tricks; wenn sein Name fiel, schrillten bei Kripo und Staatsanwalt die Alarmglocken.
»Toi, toi, toi«, wünschte er und sie warf ihm eine Kusshand zu, die jeden anderen Mann von ihrer ungetrübten Zuneigung zu ihm überzeugt hätte. Rogge wusste es besser und machte sich keine falschen Hoffnungen.
V.
Ihre Besprechungen fanden immer am frühen Abend statt, wenn die meisten Angestellten nach Hause gegangen waren und sie den dritten Stock für sich allein hatten. Das kleine Konferenzzimmer lag günstig, zwischen einer Aktenkammer und Ralf Weinerts Arbeitsraum. Das einzige Fenster ging zum Hof hinaus und auf der anderen Seite des Platzes erhob sich eine fensterlose Wand, die zu einer Lagerhalle gehörte. Ein scheußlicher Anblick, aber die beste Garantie, dass sie von dort nicht abgehört wurden, und die Techniker kontrollierten das kleine Konferenzzimmer vor jeder Sitzung auf Wanzen.
»Jockel Pertz hat mich angerufen«, begann Dieter Ellwein nüchtern. »Die Ehefrau dieses Tepper ist wieder in Deutschland und sucht ihren Mann. Möglicherweise, um endlich die Scheidung einzuleiten. Sie hat sich bei dem Staatsanwalt erkundigt, der seinerzeit das Verfahren auf Anweisung eingestellt hat. Sein Vorgesetzter hat sich mit Reineke in Verbindung gesetzt, der hat Pertz alarmiert.«
»Auch das noch!«, brummte Arno Gönter.
»Kann sie uns gefährlich werden?« Der rundliche Weinert sah zwar aus, als bringe nichts und niemand ihn aus der Ruhe, er neigte aber zu nervöser Hast und Ängstlichkeit.
»Kaum«, СКАЧАТЬ